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Bernd, Adam: Eigene Lebens-Beschreibung. Leipzig, 1738.

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wird damit gequählet
handelte, zu meinem Troste antraff; denn ich
fand diejenige Stelle, allwo Erasmus zeiget, daß
man in Anfechtung nicht solle lassen den Muth
sincken: denn wo man nur einmahl in großen
Versuchungen überwinde, so kämen solche ins-
gemein nur einmahl über einen Menschen, und
nicht leicht auf eben die Art wieder. Ja wohl
mochte er sprechen nicht leicht; denn daß sol-
ches nicht unmöglich sey, wird mein eigen Exem-
pel besser unten bestätigen können.

Anno 1704.
§. 54.

Jch meynte, mein Jammer, Trübsaal
und Elend würde nun bald kommen zu ei-
nem seligen End.
Denn ich bekam gegen
die Messe einen höchst dünnen Leib, so daß ich
Anfangs gäntzlich meynte, ich würde am Durch-
fall sterben müssen, und aller Plagen auf einmahl
los werden. Allein diese Kranckheit war wi-
der alles Vermuthen eine Gelegenheit zu einer
neuen Anfechtung. Denn auf die Selbst-
mörderischen Gedancken, oder auch zu denselben,
kamen nun auch die abscheulichsten, und unflätig-
sten Gedancken, so von natürlichen Dingen und
Excrementis hergenommen, und, welches erschreck-
lich zu sagen, auf Göttliche Dinge im Gemüthe
schnelle appliciret wurden. Jch mag sie nicht

speci-

wird damit gequaͤhlet
handelte, zu meinem Troſte antraff; denn ich
fand diejenige Stelle, allwo Eraſmus zeiget, daß
man in Anfechtung nicht ſolle laſſen den Muth
ſincken: denn wo man nur einmahl in großen
Verſuchungen uͤberwinde, ſo kaͤmen ſolche ins-
gemein nur einmahl uͤber einen Menſchen, und
nicht leicht auf eben die Art wieder. Ja wohl
mochte er ſprechen nicht leicht; denn daß ſol-
ches nicht unmoͤglich ſey, wird mein eigen Exem-
pel beſſer unten beſtaͤtigen koͤnnen.

Anno 1704.
§. 54.

Jch meynte, mein Jammer, Truͤbſaal
und Elend wuͤrde nun bald kommen zu ei-
nem ſeligen End.
Denn ich bekam gegen
die Meſſe einen hoͤchſt duͤnnen Leib, ſo daß ich
Anfangs gaͤntzlich meynte, ich wuͤrde am Durch-
fall ſterben muͤſſen, und aller Plagen auf einmahl
los werden. Allein dieſe Kranckheit war wi-
der alles Vermuthen eine Gelegenheit zu einer
neuen Anfechtung. Denn auf die Selbſt-
moͤrderiſchen Gedancken, oder auch zu denſelben,
kamen nun auch die abſcheulichſten, und unflaͤtig-
ſten Gedancken, ſo von natuͤrlichen Dingen und
Excrementis hergenommen, und, welches erſchreck-
lich zu ſagen, auf Goͤttliche Dinge im Gemuͤthe
ſchnelle appliciret wurden. Jch mag ſie nicht

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[228/0274] wird damit gequaͤhlet handelte, zu meinem Troſte antraff; denn ich fand diejenige Stelle, allwo Eraſmus zeiget, daß man in Anfechtung nicht ſolle laſſen den Muth ſincken: denn wo man nur einmahl in großen Verſuchungen uͤberwinde, ſo kaͤmen ſolche ins- gemein nur einmahl uͤber einen Menſchen, und nicht leicht auf eben die Art wieder. Ja wohl mochte er ſprechen nicht leicht; denn daß ſol- ches nicht unmoͤglich ſey, wird mein eigen Exem- pel beſſer unten beſtaͤtigen koͤnnen. Anno 1704. §. 54. Jch meynte, mein Jammer, Truͤbſaal und Elend wuͤrde nun bald kommen zu ei- nem ſeligen End. Denn ich bekam gegen die Meſſe einen hoͤchſt duͤnnen Leib, ſo daß ich Anfangs gaͤntzlich meynte, ich wuͤrde am Durch- fall ſterben muͤſſen, und aller Plagen auf einmahl los werden. Allein dieſe Kranckheit war wi- der alles Vermuthen eine Gelegenheit zu einer neuen Anfechtung. Denn auf die Selbſt- moͤrderiſchen Gedancken, oder auch zu denſelben, kamen nun auch die abſcheulichſten, und unflaͤtig- ſten Gedancken, ſo von natuͤrlichen Dingen und Excrementis hergenommen, und, welches erſchreck- lich zu ſagen, auf Goͤttliche Dinge im Gemuͤthe ſchnelle appliciret wurden. Jch mag ſie nicht ſpeci-

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Zitationshilfe: Bernd, Adam: Eigene Lebens-Beschreibung. Leipzig, 1738, S. 228. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bernd_lebensbeschreibung_1738/274>, abgerufen am 21.11.2024.