Creutze. Je mehr sie sich vornahmen einander nachzugeben, und allem Zancke vorzubeugen; ie geschwinder geriethen sie an einander. Sie, die Wirthin, wann ich bey ihr in der Stube alleine war, gestund mir vielmahl mit Thränen, ihr hertzlich und eiferig Gebet wäre, GOtt wolle sie doch von dieser Gewohnheit erlösen, oder sie doch deshalben nicht von seinem Angesichte ver- stoßen. Diese Leute wiesen mit ihrem Exem- pel, daß auch bey Christen eine sündliche Ge- wohnheit zuweilen, als eine sündliche Schwachheit noch könne angesehen werden, daferne sie wider die- selbe streiten, und, ich weiß nicht was drum gä- ben, wenn sie derselben könten los werden.
Anno 1694.
Der älteste Sohn, der nur ein paar Jahr jünger als ich, und den ich auch zu informiren hatte, war in vielen Stücken klüger als sein Praeceptor. Weil er aber, wie man mir er- zehlet, in jüngern Jahren mit Käse nicht zu er- sättigen gewesen, so man ihm aus Unvorsich- tigkeit gegeben, so hatte sich in der Blase ein ab- scheulicher Stein generiret, der ihm die em- pfindlichsten Schmertzen machte, und welche ihn offt überfielen, wenn er lernen solte. Weil er ein trefflich Ingenium, und ein recht Christlich Hertze dabey hatte, so hat mich sein Zustand,
wenn
G
bey einem Fleiſcher,
Creutze. Je mehr ſie ſich vornahmen einander nachzugeben, und allem Zancke vorzubeugen; ie geſchwinder geriethen ſie an einander. Sie, die Wirthin, wann ich bey ihr in der Stube alleine war, geſtund mir vielmahl mit Thraͤnen, ihr hertzlich und eiferig Gebet waͤre, GOtt wolle ſie doch von dieſer Gewohnheit erloͤſen, oder ſie doch deshalben nicht von ſeinem Angeſichte ver- ſtoßen. Dieſe Leute wieſen mit ihrem Exem- pel, daß auch bey Chriſten eine ſuͤndliche Ge- wohnheit zuweilen, als eine ſuͤndliche Schwachheit noch koͤnne angeſehen werden, daferne ſie wider die- ſelbe ſtreiten, und, ich weiß nicht was drum gaͤ- ben, wenn ſie derſelben koͤnten los werden.
Anno 1694.
Der aͤlteſte Sohn, der nur ein paar Jahr juͤnger als ich, und den ich auch zu informiren hatte, war in vielen Stuͤcken kluͤger als ſein Præceptor. Weil er aber, wie man mir er- zehlet, in juͤngern Jahren mit Kaͤſe nicht zu er- ſaͤttigen geweſen, ſo man ihm aus Unvorſich- tigkeit gegeben, ſo hatte ſich in der Blaſe ein ab- ſcheulicher Stein generiret, der ihm die em- pfindlichſten Schmertzen machte, und welche ihn offt uͤberfielen, wenn er lernen ſolte. Weil er ein trefflich Ingenium, und ein recht Chriſtlich Hertze dabey hatte, ſo hat mich ſein Zuſtand,
wenn
G
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0143"n="97"/><fwplace="top"type="header"><hirendition="#b">bey einem Fleiſcher,</hi></fw><lb/>
Creutze. Je mehr ſie ſich vornahmen einander<lb/>
nachzugeben, und allem Zancke vorzubeugen;<lb/>
ie geſchwinder geriethen ſie an einander. Sie,<lb/>
die Wirthin, wann ich bey ihr in der Stube<lb/>
alleine war, geſtund mir vielmahl mit Thraͤnen,<lb/>
ihr hertzlich und eiferig Gebet waͤre, GOtt wolle<lb/>ſie doch von dieſer Gewohnheit erloͤſen, oder ſie<lb/>
doch deshalben nicht von ſeinem Angeſichte ver-<lb/>ſtoßen. Dieſe Leute wieſen mit ihrem Exem-<lb/>
pel, daß auch bey Chriſten eine ſuͤndliche Ge-<lb/>
wohnheit zuweilen, als eine ſuͤndliche Schwachheit<lb/>
noch koͤnne angeſehen werden, daferne ſie wider die-<lb/>ſelbe ſtreiten, und, ich weiß nicht was drum gaͤ-<lb/>
ben, wenn ſie derſelben koͤnten los werden.</p></div><lb/><divn="1"><head><hirendition="#b"><hirendition="#aq"><hirendition="#g">Anno</hi></hi> 1694.</hi></head><lb/><p>Der aͤlteſte Sohn, der nur ein paar Jahr<lb/>
juͤnger als ich, und den ich auch zu <hirendition="#aq">informi</hi>ren<lb/>
hatte, war in vielen Stuͤcken kluͤger als ſein<lb/><hirendition="#aq">Præceptor.</hi> Weil er aber, wie man mir er-<lb/>
zehlet, in juͤngern Jahren mit Kaͤſe nicht zu er-<lb/>ſaͤttigen geweſen, ſo man ihm aus Unvorſich-<lb/>
tigkeit gegeben, ſo hatte ſich in der Blaſe ein ab-<lb/>ſcheulicher Stein <hirendition="#aq">generi</hi>ret, der ihm die em-<lb/>
pfindlichſten Schmertzen machte, und welche ihn<lb/>
offt uͤberfielen, wenn er lernen ſolte. Weil er<lb/>
ein trefflich <hirendition="#aq">Ingenium,</hi> und ein recht Chriſtlich<lb/>
Hertze dabey hatte, ſo hat mich ſein Zuſtand,<lb/><fwplace="bottom"type="sig">G</fw><fwplace="bottom"type="catch">wenn</fw><lb/></p></div></body></text></TEI>
[97/0143]
bey einem Fleiſcher,
Creutze. Je mehr ſie ſich vornahmen einander
nachzugeben, und allem Zancke vorzubeugen;
ie geſchwinder geriethen ſie an einander. Sie,
die Wirthin, wann ich bey ihr in der Stube
alleine war, geſtund mir vielmahl mit Thraͤnen,
ihr hertzlich und eiferig Gebet waͤre, GOtt wolle
ſie doch von dieſer Gewohnheit erloͤſen, oder ſie
doch deshalben nicht von ſeinem Angeſichte ver-
ſtoßen. Dieſe Leute wieſen mit ihrem Exem-
pel, daß auch bey Chriſten eine ſuͤndliche Ge-
wohnheit zuweilen, als eine ſuͤndliche Schwachheit
noch koͤnne angeſehen werden, daferne ſie wider die-
ſelbe ſtreiten, und, ich weiß nicht was drum gaͤ-
ben, wenn ſie derſelben koͤnten los werden.
Anno 1694.
Der aͤlteſte Sohn, der nur ein paar Jahr
juͤnger als ich, und den ich auch zu informiren
hatte, war in vielen Stuͤcken kluͤger als ſein
Præceptor. Weil er aber, wie man mir er-
zehlet, in juͤngern Jahren mit Kaͤſe nicht zu er-
ſaͤttigen geweſen, ſo man ihm aus Unvorſich-
tigkeit gegeben, ſo hatte ſich in der Blaſe ein ab-
ſcheulicher Stein generiret, der ihm die em-
pfindlichſten Schmertzen machte, und welche ihn
offt uͤberfielen, wenn er lernen ſolte. Weil er
ein trefflich Ingenium, und ein recht Chriſtlich
Hertze dabey hatte, ſo hat mich ſein Zuſtand,
wenn
G
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Bernd, Adam: Eigene Lebens-Beschreibung. Leipzig, 1738, S. 97. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bernd_lebensbeschreibung_1738/143>, abgerufen am 03.12.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.