Im Dorfe wohnt ein friedlich-still Geschlecht, Das, weil es nie des Glückes Gunst erfährt, Auch nicht des Glückes Launen fürchten darf, -- Das tausend Dinge, die die Stadtbewohner Zu ihrer Qual besitzen, gar nicht kennt, -- Und dessen Schicksal, meistens an den Gang Der stets ausgleichenden Natur gebunden, Wenn's leicht verwundet, schnell auch wieder heilt.
Mit dem Dorfleben im Gebirge gehts fast ebenso wie mit der geträumten Poesie des Sennen-Lebens auf den Alpen; man denkt sich dasselbe in gewissen Beziehungen viel ideal-romantischer, als es in Wirklichkeit ist. Der schwärmende Besucher aus dem Flachlande, dem alle Reise-Annehmlichkeiten zu Gebote stehen, nimmt nur den wonnigen, berauschenden Eindruck der sommerlichen, duft¬ blauen Morgenlandschaft in ihrer Totalität, oder den beseligenden Abendfrieden mit seinen wunderheimlichen Staffagen aus dem Alpenthale hinweg, und überträgt diese Sättigung seiner Gefühls- Bedürfnisse nun auf das Dorf, in welchem er weilte, auf seine Bewohner und deren erwerbliche und gesellige Zustände, ohne die¬
Dorfleben im Gebirge.
Im Dorfe wohnt ein friedlich-ſtill Geſchlecht, Das, weil es nie des Glückes Gunſt erfährt, Auch nicht des Glückes Launen fürchten darf, — Das tauſend Dinge, die die Stadtbewohner Zu ihrer Qual beſitzen, gar nicht kennt, — Und deſſen Schickſal, meiſtens an den Gang Der ſtets ausgleichenden Natur gebunden, Wenn's leicht verwundet, ſchnell auch wieder heilt.
Mit dem Dorfleben im Gebirge gehts faſt ebenſo wie mit der geträumten Poeſie des Sennen-Lebens auf den Alpen; man denkt ſich daſſelbe in gewiſſen Beziehungen viel ideal-romantiſcher, als es in Wirklichkeit iſt. Der ſchwärmende Beſucher aus dem Flachlande, dem alle Reiſe-Annehmlichkeiten zu Gebote ſtehen, nimmt nur den wonnigen, berauſchenden Eindruck der ſommerlichen, duft¬ blauen Morgenlandſchaft in ihrer Totalität, oder den beſeligenden Abendfrieden mit ſeinen wunderheimlichen Staffagen aus dem Alpenthale hinweg, und überträgt dieſe Sättigung ſeiner Gefühls- Bedürfniſſe nun auf das Dorf, in welchem er weilte, auf ſeine Bewohner und deren erwerbliche und geſellige Zuſtände, ohne die¬
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[[425]/0475]
Dorfleben im Gebirge.
Im Dorfe wohnt ein friedlich-ſtill Geſchlecht,
Das, weil es nie des Glückes Gunſt erfährt,
Auch nicht des Glückes Launen fürchten darf, —
Das tauſend Dinge, die die Stadtbewohner
Zu ihrer Qual beſitzen, gar nicht kennt, —
Und deſſen Schickſal, meiſtens an den Gang
Der ſtets ausgleichenden Natur gebunden,
Wenn's leicht verwundet, ſchnell auch wieder heilt.
Mit dem Dorfleben im Gebirge gehts faſt ebenſo wie mit
der geträumten Poeſie des Sennen-Lebens auf den Alpen; man
denkt ſich daſſelbe in gewiſſen Beziehungen viel ideal-romantiſcher,
als es in Wirklichkeit iſt. Der ſchwärmende Beſucher aus dem
Flachlande, dem alle Reiſe-Annehmlichkeiten zu Gebote ſtehen, nimmt
nur den wonnigen, berauſchenden Eindruck der ſommerlichen, duft¬
blauen Morgenlandſchaft in ihrer Totalität, oder den beſeligenden
Abendfrieden mit ſeinen wunderheimlichen Staffagen aus dem
Alpenthale hinweg, und überträgt dieſe Sättigung ſeiner Gefühls-
Bedürfniſſe nun auf das Dorf, in welchem er weilte, auf ſeine
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Berlepsch, Hermann Alexander: Die Alpen in Natur- und Lebensbildern. Leipzig, 1871, S. [425]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/berlepsch_alpen_1861/475>, abgerufen am 21.11.2024.
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