Was uranfänglich ist, das ist auch unanfänglich Und Unanfängliches nothwendig unvergänglich. Was irgend wo und wann hat selber angefangen. Kann nicht der Anfang sein und muß ein End' erlangen. Der Anfang nur allein kann nie zu Ende gehn, Weil er aus Nichts entstand, Nichts ohn' ihn kann entstehn.
Rückert.
Granit ist eine symbolische Größe, -- in Gemeinschaft mit dem Marmor der historische Stein. Wie im Thierreich der Löwe, ein Repräsentant edler Eigenschaften, physischer Kraft, als König in herrschender Macht dasteht, -- in der Pflanzenwelt die Eiche ein Bild der Festigkeit und Ausdauer, des stolzen Trotzes gegen Sturm und Wetter abgiebt, -- so gilt der Granit als das Un¬ überwindliche, Unveränderliche im Reiche der todten, anorganischen Gesteine, -- nach beschränktem materiellen Begriff: als ein Körper der beinahe ewigen Existenz. Jahrtausende scheinen spurlos an ihm vorüberzurauschen und die zerstörenden Gewalten der Zeit ohnmäch¬ tig an seinen Massen abzugleiten. Wo Werke für die fernsten Menschengeschlechter, sichtbare Denksäulen für die Annalen der Ge¬ schichte errichtet werden sollten, -- wo ägyptische Dynasten ihre kolossalen Königsgräber in jenen Pyramiden aufthürmten, die, an
2*
Granit.
Was uranfänglich iſt, das iſt auch unanfänglich Und Unanfängliches nothwendig unvergänglich. Was irgend wo und wann hat ſelber angefangen. Kann nicht der Anfang ſein und muß ein End' erlangen. Der Anfang nur allein kann nie zu Ende gehn, Weil er aus Nichts entſtand, Nichts ohn' ihn kann entſtehn.
Rückert.
Granit iſt eine ſymboliſche Größe, — in Gemeinſchaft mit dem Marmor der hiſtoriſche Stein. Wie im Thierreich der Löwe, ein Repräſentant edler Eigenſchaften, phyſiſcher Kraft, als König in herrſchender Macht daſteht, — in der Pflanzenwelt die Eiche ein Bild der Feſtigkeit und Ausdauer, des ſtolzen Trotzes gegen Sturm und Wetter abgiebt, — ſo gilt der Granit als das Un¬ überwindliche, Unveränderliche im Reiche der todten, anorganiſchen Geſteine, — nach beſchränktem materiellen Begriff: als ein Körper der beinahe ewigen Exiſtenz. Jahrtauſende ſcheinen ſpurlos an ihm vorüberzurauſchen und die zerſtörenden Gewalten der Zeit ohnmäch¬ tig an ſeinen Maſſen abzugleiten. Wo Werke für die fernſten Menſchengeſchlechter, ſichtbare Denkſäulen für die Annalen der Ge¬ ſchichte errichtet werden ſollten, — wo ägyptiſche Dynaſten ihre koloſſalen Königsgräber in jenen Pyramiden aufthürmten, die, an
2*
<TEI><text><body><pbfacs="#f0037"n="[19]"/><divn="1"><head><hirendition="#fr #g">Granit</hi>.<lb/></head><milestonerendition="#hr"unit="section"/><cit><quote><lgtype="poem"><l>Was uranfänglich iſt, das iſt auch unanfänglich<lb/></l><l>Und Unanfängliches nothwendig unvergänglich.<lb/></l><l>Was irgend wo und wann hat ſelber angefangen.<lb/></l><l>Kann nicht der Anfang ſein und muß ein End' erlangen.<lb/></l><l>Der Anfang nur allein kann nie zu Ende gehn,<lb/></l><l>Weil er aus Nichts entſtand, Nichts ohn' ihn kann entſtehn.</l></lg></quote><lb/><bibl><hirendition="#right"><hirendition="#g">Rückert</hi>.<lb/></hi></bibl></cit><p>Granit iſt eine ſymboliſche Größe, — in Gemeinſchaft mit<lb/>
dem Marmor der hiſtoriſche Stein. Wie im Thierreich der Löwe,<lb/>
ein Repräſentant edler Eigenſchaften, phyſiſcher Kraft, als König<lb/>
in herrſchender Macht daſteht, — in der Pflanzenwelt die Eiche<lb/>
ein Bild der Feſtigkeit und Ausdauer, des ſtolzen Trotzes gegen<lb/>
Sturm und Wetter abgiebt, —ſo gilt der Granit als das Un¬<lb/>
überwindliche, Unveränderliche im Reiche der todten, anorganiſchen<lb/>
Geſteine, — nach beſchränktem materiellen Begriff: als ein Körper<lb/>
der beinahe ewigen Exiſtenz. Jahrtauſende ſcheinen ſpurlos an ihm<lb/>
vorüberzurauſchen und die zerſtörenden Gewalten der Zeit ohnmäch¬<lb/>
tig an ſeinen Maſſen abzugleiten. Wo Werke für die fernſten<lb/>
Menſchengeſchlechter, ſichtbare Denkſäulen für die Annalen der Ge¬<lb/>ſchichte errichtet werden ſollten, — wo ägyptiſche Dynaſten ihre<lb/>
koloſſalen Königsgräber in jenen Pyramiden aufthürmten, die, an<lb/><fwplace="bottom"type="sig">2*<lb/></fw></p></div></body></text></TEI>
[[19]/0037]
Granit.
Was uranfänglich iſt, das iſt auch unanfänglich
Und Unanfängliches nothwendig unvergänglich.
Was irgend wo und wann hat ſelber angefangen.
Kann nicht der Anfang ſein und muß ein End' erlangen.
Der Anfang nur allein kann nie zu Ende gehn,
Weil er aus Nichts entſtand, Nichts ohn' ihn kann entſtehn.
Rückert.
Granit iſt eine ſymboliſche Größe, — in Gemeinſchaft mit
dem Marmor der hiſtoriſche Stein. Wie im Thierreich der Löwe,
ein Repräſentant edler Eigenſchaften, phyſiſcher Kraft, als König
in herrſchender Macht daſteht, — in der Pflanzenwelt die Eiche
ein Bild der Feſtigkeit und Ausdauer, des ſtolzen Trotzes gegen
Sturm und Wetter abgiebt, — ſo gilt der Granit als das Un¬
überwindliche, Unveränderliche im Reiche der todten, anorganiſchen
Geſteine, — nach beſchränktem materiellen Begriff: als ein Körper
der beinahe ewigen Exiſtenz. Jahrtauſende ſcheinen ſpurlos an ihm
vorüberzurauſchen und die zerſtörenden Gewalten der Zeit ohnmäch¬
tig an ſeinen Maſſen abzugleiten. Wo Werke für die fernſten
Menſchengeſchlechter, ſichtbare Denkſäulen für die Annalen der Ge¬
ſchichte errichtet werden ſollten, — wo ägyptiſche Dynaſten ihre
koloſſalen Königsgräber in jenen Pyramiden aufthürmten, die, an
2*
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Berlepsch, Hermann Alexander: Die Alpen in Natur- und Lebensbildern. Leipzig, 1871, S. [19]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/berlepsch_alpen_1861/37>, abgerufen am 21.12.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.