Bergmann, Ernst von: Die Schicksale der Transfusion im letzten Decennium. Rede, gehalten zur Feier des Stiftungstages der militär-ärztlichen Bildungsanstalten am 2. August 1883. Berlin, 1883.Hochgeehrte Versammlung! Zu allen Zeiten sind die Aerzte der Versuchung erlegen, Indem die Thaten des Arztes dem ärztlichen Wissen Wer da weiss, wie schwer es ist, im Reagensglase die Hochgeehrte Versammlung! Zu allen Zeiten sind die Aerzte der Versuchung erlegen, Indem die Thaten des Arztes dem ärztlichen Wissen Wer da weiss, wie schwer es ist, im Reagensglase die <TEI> <text> <body> <pb n="[3]" facs="#f0003"/> <div> <head>Hochgeehrte Versammlung!</head><lb/> <p>Zu allen Zeiten sind die Aerzte der Versuchung erlegen,<lb/> ihre <choice><sic>Handluungen</sic><corr>Handlungen</corr></choice> von den Grundlagen ihres Wissens zu<lb/> befreien und loszulösen, oder wenigstens weit über diese zu<lb/> erheben. Heilmittel sind angewandt worden, ohne dass auch<lb/> nur eine Spur von den durch sie im Organismus bewirkten<lb/> Veränderungen bekannt gewesen wäre, und Operationen<lb/> ausgeführt, ehe man von der Anatomie der Organe, in die<lb/> man hineinschnitt, auch nur eine Ahnung hatte. </p> <p>Indem die Thaten des Arztes dem ärztlichen Wissen<lb/> vorauseilten, gestalteten sie sich grossartiger, als im Banne<lb/> des Erkannten ihnen vergönnt und möglich gewesen wäre.<lb/> Die Leistungen umwob nicht mit Unrecht der Nimbus des<lb/> Wunders. Nicht anders geschieht es auch heute noch. </p> <p>Wer da weiss, wie schwer es ist, im Reagensglase die<lb/> Nährflüssigkeit vor dem Hineinfallen verunreinigender Hefezellen<lb/> und Bacterien zu schützen, wird der nicht den Chirurgen<lb/> bewundern, welcher durch Watte und Binden-Touren<lb/> die Wunden seiner Patienten den Fäulniss- und<lb/> Entzündungs-Erregern zu verschliessen meint, so sicher zu<lb/> verschliessen, dass er keinen Anstand nimmt unter dem Schutze<lb/> seiner Antiseptik eine probatorische Laparotomie oder eine<lb/> Trepanation zur Unterstützung seiner Diagnose zu wagen?. </p> </div> </body> </text> </TEI> [[3]/0003]
Hochgeehrte Versammlung!
Zu allen Zeiten sind die Aerzte der Versuchung erlegen,
ihre Handlungen von den Grundlagen ihres Wissens zu
befreien und loszulösen, oder wenigstens weit über diese zu
erheben. Heilmittel sind angewandt worden, ohne dass auch
nur eine Spur von den durch sie im Organismus bewirkten
Veränderungen bekannt gewesen wäre, und Operationen
ausgeführt, ehe man von der Anatomie der Organe, in die
man hineinschnitt, auch nur eine Ahnung hatte.
Indem die Thaten des Arztes dem ärztlichen Wissen
vorauseilten, gestalteten sie sich grossartiger, als im Banne
des Erkannten ihnen vergönnt und möglich gewesen wäre.
Die Leistungen umwob nicht mit Unrecht der Nimbus des
Wunders. Nicht anders geschieht es auch heute noch.
Wer da weiss, wie schwer es ist, im Reagensglase die
Nährflüssigkeit vor dem Hineinfallen verunreinigender Hefezellen
und Bacterien zu schützen, wird der nicht den Chirurgen
bewundern, welcher durch Watte und Binden-Touren
die Wunden seiner Patienten den Fäulniss- und
Entzündungs-Erregern zu verschliessen meint, so sicher zu
verschliessen, dass er keinen Anstand nimmt unter dem Schutze
seiner Antiseptik eine probatorische Laparotomie oder eine
Trepanation zur Unterstützung seiner Diagnose zu wagen?.
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Zitationshilfe: | Bergmann, Ernst von: Die Schicksale der Transfusion im letzten Decennium. Rede, gehalten zur Feier des Stiftungstages der militär-ärztlichen Bildungsanstalten am 2. August 1883. Berlin, 1883, S. [3]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bergmann_transfusion_1883/3>, abgerufen am 03.03.2025. |