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Martens, Eduard von: Die preussische Expedition nach Ost-Asien. Nach amtlichen Quellen. Zoologischer Teil. Erster Band. Berlin, 1876.

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Fliegende Fische.
flossen sassen Schmarotzer aus der Classe der Cirripeden, Cineras
vittata Leach.

Von den pelagischen Fischen sind die berühmtesten die flie-
genden Fische
(Exocoetus). Ich sah deren zuerst den 20. April
unter 21° Nordbreite, und dann häufig in den folgenden Tagen,
bei sanftem Ostnordost- und Ostsüdostwind; sie zeigen sich stets
schaarenweise, und fliegen mit beträchtlicher Schnelligkeit wie
Silberpfeile über die See dahin, nie höher als einige Fuss über
derselben und die Linie ihres Flugs schmiegt sich oft deutlich den Wel-
lenbergen und Wellenthälern an, was Burmeister (Reisebilder) aus
dem grössern oder geringern Widerstand der Luft, je nach dem
An- oder Abschwellen der Wellen, erklären will. Die Richtung
ihres Fluges war meist rechtwinklig zum Winde, dem Lauf des
Schiffes scheinbar entgegen und nach auswärts von ihm sich ab-
wendend; bei kürzeren Strecken erschien sie geradlinig, bei längeren
wurde gegen Ende des Fluges ein horizontaler Bogen beschrieben,
als ob der ermüdete Fisch durch den Einfluss des Windes von
seiner ursprünglichen Richtung abgebracht würde; das Abbiegen
trat zu bestimmt in einem gewissen Augenblick ein, als dass es auf
Rechnung der stetigen Ortsveränderung des Beobachters allein
kommen könnte. Die Weite des Fluges wechselt innerhalb ziemlich
enger Gränzen, sie scheint für einen Sprung zu gross, für wirk-
lichen Flug zu klein und zu wenig veränderlich; Laurie (sailing di-
rectory for the ethiopic or southern atlantic ocean, 4th edit.
London 1855. 8vo. pag. 36) schätzt sie auf 60--80 englische Yards.
Man kann den Fisch vollkommen gemächlich mit dem Auge ver-
folgen, die Dauer des Fluges schien mir nie eine Minute zu erreichen.
Während des Fluges war die weisse Bauchseite des Fisches etwas
gegen den Wind gerichtet, so dass die Fische von Leebord aus
gesehen weiss, von Luvbord aus dunkel erschienen. Bewegung der
Brustflossen im Flug glaube ich einmal gesehen zu haben und als
ich einen lebenden in der Hand hielt, machte er mit der einen ihm
freigelassenen Brustflosse anhaltend heftig zitternde Bewegungen,
vermuthlich um zu fliegen. Ich möchte daher mich der Ansicht von
Freminville (Isis 1834), Valenciennes (hist. d. poiss.) und Hochstetter
(in der Novara-Expedition) gegen Burmeister (l. c.) anschliessen, dass
die Brustflossen bei Exocoetus als Flügel und nicht bloss als Fall-
schirm dienen, die sogenannten fliegenden Fische in der That fliegen
und nicht bloss Sprünge über Wasser machen. Man sieht sie am

Fliegende Fische.
flossen sassen Schmarotzer aus der Classe der Cirripeden, Cineras
vittata Leach.

Von den pelagischen Fischen sind die berühmtesten die flie-
genden Fische
(Exocoetus). Ich sah deren zuerst den 20. April
unter 21° Nordbreite, und dann häufig in den folgenden Tagen,
bei sanftem Ostnordost- und Ostsüdostwind; sie zeigen sich stets
schaarenweise, und fliegen mit beträchtlicher Schnelligkeit wie
Silberpfeile über die See dahin, nie höher als einige Fuss über
derselben und die Linie ihres Flugs schmiegt sich oft deutlich den Wel-
lenbergen und Wellenthälern an, was Burmeister (Reisebilder) aus
dem grössern oder geringern Widerstand der Luft, je nach dem
An- oder Abschwellen der Wellen, erklären will. Die Richtung
ihres Fluges war meist rechtwinklig zum Winde, dem Lauf des
Schiffes scheinbar entgegen und nach auswärts von ihm sich ab-
wendend; bei kürzeren Strecken erschien sie geradlinig, bei längeren
wurde gegen Ende des Fluges ein horizontaler Bogen beschrieben,
als ob der ermüdete Fisch durch den Einfluss des Windes von
seiner ursprünglichen Richtung abgebracht würde; das Abbiegen
trat zu bestimmt in einem gewissen Augenblick ein, als dass es auf
Rechnung der stetigen Ortsveränderung des Beobachters allein
kommen könnte. Die Weite des Fluges wechselt innerhalb ziemlich
enger Gränzen, sie scheint für einen Sprung zu gross, für wirk-
lichen Flug zu klein und zu wenig veränderlich; Laurie (sailing di-
rectory for the ethiopic or southern atlantic ocean, 4th edit.
London 1855. 8vo. pag. 36) schätzt sie auf 60—80 englische Yards.
Man kann den Fisch vollkommen gemächlich mit dem Auge ver-
folgen, die Dauer des Fluges schien mir nie eine Minute zu erreichen.
Während des Fluges war die weisse Bauchseite des Fisches etwas
gegen den Wind gerichtet, so dass die Fische von Leebord aus
gesehen weiss, von Luvbord aus dunkel erschienen. Bewegung der
Brustflossen im Flug glaube ich einmal gesehen zu haben und als
ich einen lebenden in der Hand hielt, machte er mit der einen ihm
freigelassenen Brustflosse anhaltend heftig zitternde Bewegungen,
vermuthlich um zu fliegen. Ich möchte daher mich der Ansicht von
Fréminville (Isis 1834), Valenciennes (hist. d. poiss.) und Hochstetter
(in der Novara-Expedition) gegen Burmeister (l. c.) anschliessen, dass
die Brustflossen bei Exocoetus als Flügel und nicht bloss als Fall-
schirm dienen, die sogenannten fliegenden Fische in der That fliegen
und nicht bloss Sprünge über Wasser machen. Man sieht sie am

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[28/0046] Fliegende Fische. flossen sassen Schmarotzer aus der Classe der Cirripeden, Cineras vittata Leach. Von den pelagischen Fischen sind die berühmtesten die flie- genden Fische (Exocoetus). Ich sah deren zuerst den 20. April unter 21° Nordbreite, und dann häufig in den folgenden Tagen, bei sanftem Ostnordost- und Ostsüdostwind; sie zeigen sich stets schaarenweise, und fliegen mit beträchtlicher Schnelligkeit wie Silberpfeile über die See dahin, nie höher als einige Fuss über derselben und die Linie ihres Flugs schmiegt sich oft deutlich den Wel- lenbergen und Wellenthälern an, was Burmeister (Reisebilder) aus dem grössern oder geringern Widerstand der Luft, je nach dem An- oder Abschwellen der Wellen, erklären will. Die Richtung ihres Fluges war meist rechtwinklig zum Winde, dem Lauf des Schiffes scheinbar entgegen und nach auswärts von ihm sich ab- wendend; bei kürzeren Strecken erschien sie geradlinig, bei längeren wurde gegen Ende des Fluges ein horizontaler Bogen beschrieben, als ob der ermüdete Fisch durch den Einfluss des Windes von seiner ursprünglichen Richtung abgebracht würde; das Abbiegen trat zu bestimmt in einem gewissen Augenblick ein, als dass es auf Rechnung der stetigen Ortsveränderung des Beobachters allein kommen könnte. Die Weite des Fluges wechselt innerhalb ziemlich enger Gränzen, sie scheint für einen Sprung zu gross, für wirk- lichen Flug zu klein und zu wenig veränderlich; Laurie (sailing di- rectory for the ethiopic or southern atlantic ocean, 4th edit. London 1855. 8vo. pag. 36) schätzt sie auf 60—80 englische Yards. Man kann den Fisch vollkommen gemächlich mit dem Auge ver- folgen, die Dauer des Fluges schien mir nie eine Minute zu erreichen. Während des Fluges war die weisse Bauchseite des Fisches etwas gegen den Wind gerichtet, so dass die Fische von Leebord aus gesehen weiss, von Luvbord aus dunkel erschienen. Bewegung der Brustflossen im Flug glaube ich einmal gesehen zu haben und als ich einen lebenden in der Hand hielt, machte er mit der einen ihm freigelassenen Brustflosse anhaltend heftig zitternde Bewegungen, vermuthlich um zu fliegen. Ich möchte daher mich der Ansicht von Fréminville (Isis 1834), Valenciennes (hist. d. poiss.) und Hochstetter (in der Novara-Expedition) gegen Burmeister (l. c.) anschliessen, dass die Brustflossen bei Exocoetus als Flügel und nicht bloss als Fall- schirm dienen, die sogenannten fliegenden Fische in der That fliegen und nicht bloss Sprünge über Wasser machen. Man sieht sie am

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Zitationshilfe: Martens, Eduard von: Die preussische Expedition nach Ost-Asien. Nach amtlichen Quellen. Zoologischer Teil. Erster Band. Berlin, 1876, S. 28. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/berg_ostasienzoologie01_1876/46>, abgerufen am 26.04.2024.