sächlich kleinere wirbellose Thiere, die ich selbst an Ort und Stelle fand, die spätere hauptsächlich grössere, nur mit Hülfe von anderen zu erlangende Wirbelthiere; und in den trüben, an materieller Aus- beute ganz leeren Tagen unterhielt ich mich viel mit den einhei- mischen Bilderbüchern, um daraus wenigstens die Namen der Thiere, sowie die practischen oder eingebildeten Beziehungen derselben zu den Menschen kennen zu lernen.
1. Ueber japanische Thierbilder und Thiernamen.
Wie für manches andere Greifbare und Practische, so haben die Japaner im Allgemeinen auch für ihre Thierwelt, namentlich die höheren, den Menschen durch deutlichere Aehnlichkeit, augen- fälligeren Schaden oder Nutzen näher berührenden Classen ein leb- haftes Interesse. Zahlreiche Bilderbücher stellen die einheimischen und einige ausländische Thiere mehr oder minder flüchtig gezeichnet, aber fast immer in recht charakteristischen, dem Leben entnommenen Stellungen dar, einige in buntem Gemisch mit Menschen und mensch- lichen Erzeugnissen, andere mehr oder weniger ausschliesslich und systematisch, zuweilen auf Eine Classe sich beschränkend. Kolorirte Abbildungen in Folio, theils einzeln, theils eine ganze Reihe zusam- mengeheftet in den Buchläden gefunden, stellen japanische Vögel und Fische in Lebensgrösse oder wenig kleiner recht kenntlich dar, doch sind sie immer im Detail flüchtig und ungenau, selbst in Charakteren, die dem europäischen Naturforscher schon seit lange von erster Wichtigkeit sind, wie Schnabelform der Vögel, Flossen- strahlen der Fische; man kann dieselben nicht als Resultate wissen- schaftlicher Arbeit, sondern nur als Bilderbogen oder Bilderbücher betrachten. Bei den Fischen ist nicht einmal ein Name beigesetzt, sondern nur je eine Stelle aus einem Gedichte, welche sich irgendwie überhaupt auf Fische bezieht. Bei den Vögeln ist dagegen der japanische Name beigesetzt, und die einzelnen Blätter sind numerirt, die Reihenfolge ist aber keine systematische, sondern durch die vier Jahreszeiten bestimmt, wie denn auch jedem Vogel eine Blume bei- gegeben ist, welche gleichzeitig blüht. Wie wenig ernstlich aber dieses eingehalten ist, ergiebt sich daraus, dass eine gar nicht un- beträchtliche Anzahl Stubenvögel darunter vorkommt, so zwei Hühner- rassen, zwei Papageien, der Kanarienvogel, der Reisvogel und zwei andere indische Dickschnäbelarten, und zwar in den verschiedensten
Japanische Bilderbücher.
sächlich kleinere wirbellose Thiere, die ich selbst an Ort und Stelle fand, die spätere hauptsächlich grössere, nur mit Hülfe von anderen zu erlangende Wirbelthiere; und in den trüben, an materieller Aus- beute ganz leeren Tagen unterhielt ich mich viel mit den einhei- mischen Bilderbüchern, um daraus wenigstens die Namen der Thiere, sowie die practischen oder eingebildeten Beziehungen derselben zu den Menschen kennen zu lernen.
1. Ueber japanische Thierbilder und Thiernamen.
Wie für manches andere Greifbare und Practische, so haben die Japaner im Allgemeinen auch für ihre Thierwelt, namentlich die höheren, den Menschen durch deutlichere Aehnlichkeit, augen- fälligeren Schaden oder Nutzen näher berührenden Classen ein leb- haftes Interesse. Zahlreiche Bilderbücher stellen die einheimischen und einige ausländische Thiere mehr oder minder flüchtig gezeichnet, aber fast immer in recht charakteristischen, dem Leben entnommenen Stellungen dar, einige in buntem Gemisch mit Menschen und mensch- lichen Erzeugnissen, andere mehr oder weniger ausschliesslich und systematisch, zuweilen auf Eine Classe sich beschränkend. Kolorirte Abbildungen in Folio, theils einzeln, theils eine ganze Reihe zusam- mengeheftet in den Buchläden gefunden, stellen japanische Vögel und Fische in Lebensgrösse oder wenig kleiner recht kenntlich dar, doch sind sie immer im Detail flüchtig und ungenau, selbst in Charakteren, die dem europäischen Naturforscher schon seit lange von erster Wichtigkeit sind, wie Schnabelform der Vögel, Flossen- strahlen der Fische; man kann dieselben nicht als Resultate wissen- schaftlicher Arbeit, sondern nur als Bilderbogen oder Bilderbücher betrachten. Bei den Fischen ist nicht einmal ein Name beigesetzt, sondern nur je eine Stelle aus einem Gedichte, welche sich irgendwie überhaupt auf Fische bezieht. Bei den Vögeln ist dagegen der japanische Name beigesetzt, und die einzelnen Blätter sind numerirt, die Reihenfolge ist aber keine systematische, sondern durch die vier Jahreszeiten bestimmt, wie denn auch jedem Vogel eine Blume bei- gegeben ist, welche gleichzeitig blüht. Wie wenig ernstlich aber dieses eingehalten ist, ergiebt sich daraus, dass eine gar nicht un- beträchtliche Anzahl Stubenvögel darunter vorkommt, so zwei Hühner- rassen, zwei Papageien, der Kanarienvogel, der Reisvogel und zwei andere indische Dickschnäbelarten, und zwar in den verschiedensten
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Japanische Bilderbücher.
sächlich kleinere wirbellose Thiere, die ich selbst an Ort und Stelle
fand, die spätere hauptsächlich grössere, nur mit Hülfe von anderen
zu erlangende Wirbelthiere; und in den trüben, an materieller Aus-
beute ganz leeren Tagen unterhielt ich mich viel mit den einhei-
mischen Bilderbüchern, um daraus wenigstens die Namen der Thiere,
sowie die practischen oder eingebildeten Beziehungen derselben zu
den Menschen kennen zu lernen.
1. Ueber japanische Thierbilder und Thiernamen.
Wie für manches andere Greifbare und Practische, so haben
die Japaner im Allgemeinen auch für ihre Thierwelt, namentlich
die höheren, den Menschen durch deutlichere Aehnlichkeit, augen-
fälligeren Schaden oder Nutzen näher berührenden Classen ein leb-
haftes Interesse. Zahlreiche Bilderbücher stellen die einheimischen
und einige ausländische Thiere mehr oder minder flüchtig gezeichnet,
aber fast immer in recht charakteristischen, dem Leben entnommenen
Stellungen dar, einige in buntem Gemisch mit Menschen und mensch-
lichen Erzeugnissen, andere mehr oder weniger ausschliesslich und
systematisch, zuweilen auf Eine Classe sich beschränkend. Kolorirte
Abbildungen in Folio, theils einzeln, theils eine ganze Reihe zusam-
mengeheftet in den Buchläden gefunden, stellen japanische Vögel
und Fische in Lebensgrösse oder wenig kleiner recht kenntlich
dar, doch sind sie immer im Detail flüchtig und ungenau, selbst in
Charakteren, die dem europäischen Naturforscher schon seit lange
von erster Wichtigkeit sind, wie Schnabelform der Vögel, Flossen-
strahlen der Fische; man kann dieselben nicht als Resultate wissen-
schaftlicher Arbeit, sondern nur als Bilderbogen oder Bilderbücher
betrachten. Bei den Fischen ist nicht einmal ein Name beigesetzt,
sondern nur je eine Stelle aus einem Gedichte, welche sich irgendwie
überhaupt auf Fische bezieht. Bei den Vögeln ist dagegen der
japanische Name beigesetzt, und die einzelnen Blätter sind numerirt,
die Reihenfolge ist aber keine systematische, sondern durch die vier
Jahreszeiten bestimmt, wie denn auch jedem Vogel eine Blume bei-
gegeben ist, welche gleichzeitig blüht. Wie wenig ernstlich aber
dieses eingehalten ist, ergiebt sich daraus, dass eine gar nicht un-
beträchtliche Anzahl Stubenvögel darunter vorkommt, so zwei Hühner-
rassen, zwei Papageien, der Kanarienvogel, der Reisvogel und zwei
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Martens, Eduard von: Die preussische Expedition nach Ost-Asien. Nach amtlichen Quellen. Zoologischer Teil. Erster Band. Berlin, 1876, S. 62. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/berg_ostasienzoologie01_1876/80>, abgerufen am 22.02.2025.
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