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Martens, Georg von: Die preussische Expedition nach Ost-Asien. Nach amtlichen Quellen. Vierter Band. Berlin, 1873.

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Conferenz. XVI.
acht Uhr Morgens. Tsun-luen eröffnete das Gespräch mit der Aeusse-
rung, dass man aus des Gesandten letztem Schreiben in Pe-kin die grosse
Meinungsverschiedenheit zwischen ihnen erkennen werde. Dann
drehte sich das Gespräch wieder eine Weile um die wichtige Frage,
ob "Handelsbestimmungen" oder ein "politischer Vertrag" zu verein-
baren wären; nach langem Sträuben versprach Tsun-luen auf Basis
des letzteren zu unterhandeln und trug auf Erörterung der ein-
zelnen Artikel an: da im übersandten Entwurf viele Bestimmungen
dem englischen und dem französischen Vertrage entnommen seien,
deren Fassung nur der Druck des Krieges rechtfertige, so hätten
die Commissare einen neuen Entwurf ausgearbeitet.

Man schritt zu Berathung der einzelnen Bestimmungen; der Ein-
gang wurde diesmal nur obenhin berührt. Um ein Bild der Verhandlungen
zu geben, möge diese Unterredung hier im Auszuge mitgetheilt werden.

Artikel 1. lautete in des Gesandten Fassung: "Zwischen
den contrahirenden Staaten soll dauernder Frieden und unwandel-
bare Freundschaft bestehen. Die Unterthanen derselben sollen in
den beiderseitigen Staaten vollen Schutz für Person und Eigenthum
geniessen, und es soll dabei für einzelne Personen oder Plätze weder
Unterschied noch Ausnahme gemacht werden."

Dazu bemerkte Tsun-luen: Die chinesische Regierung kann
den deutschen Unterthanen ihren Schutz nur in den vertragsmässig
geöffneten Handelsplätzen gewähren; daher muss der Zusatz weg-
fallen, dass für einzelne Personen oder Plätze weder Unterschied
noch Ausnahme gemacht werden soll.

Der Gesandte. Das ist ein Irrthum. Schutz muss die
chinesische Regierung deutschen Unterthanen überall angedeihen
lassen. Unter welchen Bedingungen deutsche Unterthanen sich in
das Innere des Landes begeben dürfen, ist im Vertrage besonders
stipulirt, und geniessen sie dort selbstverständlich den Schutz der
Behörden. Der Artikel lautet fast wörtlich wie der betreffende des
französischen Vertrages.

Tsun-luen. Das haben wir nur unter Pression bewilligt.

Der Gesandte. Wollen Sie denn die Deutschen überhaupt
nicht in das Innere lassen, und dieselben in die vertragsmässig
geöffneten Häfen einschliessen?

Tsun-luen. Das grade nicht; aber der von deiner Excellenz
vorgeschlagene Artikel wegen der Reisen in das Innere und der da-
bei erforderlichen Pässe ist unzulässig.

Conferenz. XVI.
acht Uhr Morgens. Tsuṅ-luen eröffnete das Gespräch mit der Aeusse-
rung, dass man aus des Gesandten letztem Schreiben in Pe-kiṅ die grosse
Meinungsverschiedenheit zwischen ihnen erkennen werde. Dann
drehte sich das Gespräch wieder eine Weile um die wichtige Frage,
ob »Handelsbestimmungen« oder ein »politischer Vertrag« zu verein-
baren wären; nach langem Sträuben versprach Tsuṅ-luen auf Basis
des letzteren zu unterhandeln und trug auf Erörterung der ein-
zelnen Artikel an: da im übersandten Entwurf viele Bestimmungen
dem englischen und dem französischen Vertrage entnommen seien,
deren Fassung nur der Druck des Krieges rechtfertige, so hätten
die Commissare einen neuen Entwurf ausgearbeitet.

Man schritt zu Berathung der einzelnen Bestimmungen; der Ein-
gang wurde diesmal nur obenhin berührt. Um ein Bild der Verhandlungen
zu geben, möge diese Unterredung hier im Auszuge mitgetheilt werden.

Artikel 1. lautete in des Gesandten Fassung: »Zwischen
den contrahirenden Staaten soll dauernder Frieden und unwandel-
bare Freundschaft bestehen. Die Unterthanen derselben sollen in
den beiderseitigen Staaten vollen Schutz für Person und Eigenthum
geniessen, und es soll dabei für einzelne Personen oder Plätze weder
Unterschied noch Ausnahme gemacht werden.«

Dazu bemerkte Tsuṅ-luen: Die chinesische Regierung kann
den deutschen Unterthanen ihren Schutz nur in den vertragsmässig
geöffneten Handelsplätzen gewähren; daher muss der Zusatz weg-
fallen, dass für einzelne Personen oder Plätze weder Unterschied
noch Ausnahme gemacht werden soll.

Der Gesandte. Das ist ein Irrthum. Schutz muss die
chinesische Regierung deutschen Unterthanen überall angedeihen
lassen. Unter welchen Bedingungen deutsche Unterthanen sich in
das Innere des Landes begeben dürfen, ist im Vertrage besonders
stipulirt, und geniessen sie dort selbstverständlich den Schutz der
Behörden. Der Artikel lautet fast wörtlich wie der betreffende des
französischen Vertrages.

Tsuṅ-luen. Das haben wir nur unter Pression bewilligt.

Der Gesandte. Wollen Sie denn die Deutschen überhaupt
nicht in das Innere lassen, und dieselben in die vertragsmässig
geöffneten Häfen einschliessen?

Tsuṅ-luen. Das grade nicht; aber der von deiner Excellenz
vorgeschlagene Artikel wegen der Reisen in das Innere und der da-
bei erforderlichen Pässe ist unzulässig.

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[78/0092] Conferenz. XVI. acht Uhr Morgens. Tsuṅ-luen eröffnete das Gespräch mit der Aeusse- rung, dass man aus des Gesandten letztem Schreiben in Pe-kiṅ die grosse Meinungsverschiedenheit zwischen ihnen erkennen werde. Dann drehte sich das Gespräch wieder eine Weile um die wichtige Frage, ob »Handelsbestimmungen« oder ein »politischer Vertrag« zu verein- baren wären; nach langem Sträuben versprach Tsuṅ-luen auf Basis des letzteren zu unterhandeln und trug auf Erörterung der ein- zelnen Artikel an: da im übersandten Entwurf viele Bestimmungen dem englischen und dem französischen Vertrage entnommen seien, deren Fassung nur der Druck des Krieges rechtfertige, so hätten die Commissare einen neuen Entwurf ausgearbeitet. Man schritt zu Berathung der einzelnen Bestimmungen; der Ein- gang wurde diesmal nur obenhin berührt. Um ein Bild der Verhandlungen zu geben, möge diese Unterredung hier im Auszuge mitgetheilt werden. Artikel 1. lautete in des Gesandten Fassung: »Zwischen den contrahirenden Staaten soll dauernder Frieden und unwandel- bare Freundschaft bestehen. Die Unterthanen derselben sollen in den beiderseitigen Staaten vollen Schutz für Person und Eigenthum geniessen, und es soll dabei für einzelne Personen oder Plätze weder Unterschied noch Ausnahme gemacht werden.« Dazu bemerkte Tsuṅ-luen: Die chinesische Regierung kann den deutschen Unterthanen ihren Schutz nur in den vertragsmässig geöffneten Handelsplätzen gewähren; daher muss der Zusatz weg- fallen, dass für einzelne Personen oder Plätze weder Unterschied noch Ausnahme gemacht werden soll. Der Gesandte. Das ist ein Irrthum. Schutz muss die chinesische Regierung deutschen Unterthanen überall angedeihen lassen. Unter welchen Bedingungen deutsche Unterthanen sich in das Innere des Landes begeben dürfen, ist im Vertrage besonders stipulirt, und geniessen sie dort selbstverständlich den Schutz der Behörden. Der Artikel lautet fast wörtlich wie der betreffende des französischen Vertrages. Tsuṅ-luen. Das haben wir nur unter Pression bewilligt. Der Gesandte. Wollen Sie denn die Deutschen überhaupt nicht in das Innere lassen, und dieselben in die vertragsmässig geöffneten Häfen einschliessen? Tsuṅ-luen. Das grade nicht; aber der von deiner Excellenz vorgeschlagene Artikel wegen der Reisen in das Innere und der da- bei erforderlichen Pässe ist unzulässig.

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Zitationshilfe: Martens, Georg von: Die preussische Expedition nach Ost-Asien. Nach amtlichen Quellen. Vierter Band. Berlin, 1873, S. 78. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/berg_ostasien04_1873/92>, abgerufen am 26.04.2024.