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Martens, Georg von: Die preussische Expedition nach Ost-Asien. Nach amtlichen Quellen. Vierter Band. Berlin, 1873.

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XVII. Han-ki.
dortigen Thorwache für jedes Verwaltungsjahr 10,000 Tael zahlen
muss, welche dem General-Capitän der neun Thore zufallen. Jenes
Amt hatte Han-ki bekleidet. Da nun unter seiner Verwaltung
der Handel fast anderthalb Jahre lang stockte, so zahlte er nur
36,000 Tael, um eingelassen zu werden. Dem Kaiser überreichte
er bei jeder der beiden Audienzen nach seiner Rückkehr eine An-
weisung auf 10,000 Tael, welche der hohe Herr eincassiren liess,
und bei dessen Flucht nach Dzehol hatte Han-ki abermals 10,000
Tael zu erlegen. Diese Abgaben scheinen ihn kaum gedrückt zu
haben; auf das Begräbniss seiner Mutter verwendete er im Sommer
1861 5000 Tael. Nun beträgt das Jahrgehalt des Hop-po in Kan-
ton
nur 2400 Tael, der gewöhnliche Aufwand seines Ya-mum aber
gegen 8000; einem Beamten in vortheilhafter Stellung pflegt näm-
lich in China seine ganze Sippe zu folgen und auf seine Kosten zu
leben. Trotzdem rechnete man Han-ki's Beute auf 300,000 Tael.
Ueber die Art der Erpressung erhielt Mr. Hart lustigen Aufschluss
von Han-ki's erstem Beamten, welcher feierlich behauptete, dass
Alles ehrlich erworben sei: der Schleichhandel auf dem Tsu-kian
habe damals den Bau und die Ausrüstung vieler Regierungsschiffe
erfordert; diese nothwendige Ausgabe sei pflichtgemäss verrechnet,
das Geld aber nicht verwendet worden; die Regierung habe davon
nur Vortheil, weil die wirkliche Ausrüstung weit mehr gekostet
hätte, als Han-ki aus den Staatskassen erhob. Dieses Raisonne-
ment war ernst gemeint. Am kaiserlichen Hofe scheint man die
Fälschungen zu begünstigen: der Hop-po erhält von da oft Auf-
träge, die Tausende verschlingen, darf aber den Himmelssohn nie
mit der Rechnung belästigen.38)

Die Corruption geht durch alle Classen der Mandarinen.
Zum Verdruss der Gesandten suchten häufig Chinesen unter dem
Vorwand, dass sie ihnen dienten, den Landesgesetzen zu trotzen.
Solches Imperium in imperio hatte die Regierung von Einrichtung
der fremden Gesandtschaften in Pe-kin gefürchtet; selbst Prinz
Kun
und seine Amtsgenossen wachten eifersüchtig über jeden Ein-
griff in die kaiserlichen Hoheitsrechte, und die fremden Gesandt-
schaften verwahrten sich bündig gegen alle Theilnahme daran.
Da sie das Recht hatten, ihr Eigenthum zollfrei in Pe-kin ein-
zuführen, so erklärten häufig Fuhrleute an den Thoren, dass ihre

38) Von Dzehol aus soll sich Kaiser Hien-fun bei dem Hop-po von Kan-ton
für etwa 3000 Pfd. St. Spiegelglas bestellt haben.

XVII. Haṅ-ki.
dortigen Thorwache für jedes Verwaltungsjahr 10,000 Tael zahlen
muss, welche dem General-Capitän der neun Thore zufallen. Jenes
Amt hatte Haṅ-ki bekleidet. Da nun unter seiner Verwaltung
der Handel fast anderthalb Jahre lang stockte, so zahlte er nur
36,000 Tael, um eingelassen zu werden. Dem Kaiser überreichte
er bei jeder der beiden Audienzen nach seiner Rückkehr eine An-
weisung auf 10,000 Tael, welche der hohe Herr eincassiren liess,
und bei dessen Flucht nach Džehol hatte Haṅ-ki abermals 10,000
Tael zu erlegen. Diese Abgaben scheinen ihn kaum gedrückt zu
haben; auf das Begräbniss seiner Mutter verwendete er im Sommer
1861 5000 Tael. Nun beträgt das Jahrgehalt des Hop-po in Kan-
ton
nur 2400 Tael, der gewöhnliche Aufwand seines Ya-mum aber
gegen 8000; einem Beamten in vortheilhafter Stellung pflegt näm-
lich in China seine ganze Sippe zu folgen und auf seine Kosten zu
leben. Trotzdem rechnete man Haṅ-ki’s Beute auf 300,000 Tael.
Ueber die Art der Erpressung erhielt Mr. Hart lustigen Aufschluss
von Haṅ-ki’s erstem Beamten, welcher feierlich behauptete, dass
Alles ehrlich erworben sei: der Schleichhandel auf dem Tšu-kiaṅ
habe damals den Bau und die Ausrüstung vieler Regierungsschiffe
erfordert; diese nothwendige Ausgabe sei pflichtgemäss verrechnet,
das Geld aber nicht verwendet worden; die Regierung habe davon
nur Vortheil, weil die wirkliche Ausrüstung weit mehr gekostet
hätte, als Haṅ-ki aus den Staatskassen erhob. Dieses Raisonne-
ment war ernst gemeint. Am kaiserlichen Hofe scheint man die
Fälschungen zu begünstigen: der Hop-po erhält von da oft Auf-
träge, die Tausende verschlingen, darf aber den Himmelssohn nie
mit der Rechnung belästigen.38)

Die Corruption geht durch alle Classen der Mandarinen.
Zum Verdruss der Gesandten suchten häufig Chinesen unter dem
Vorwand, dass sie ihnen dienten, den Landesgesetzen zu trotzen.
Solches Imperium in imperio hatte die Regierung von Einrichtung
der fremden Gesandtschaften in Pe-kiṅ gefürchtet; selbst Prinz
Kuṅ
und seine Amtsgenossen wachten eifersüchtig über jeden Ein-
griff in die kaiserlichen Hoheitsrechte, und die fremden Gesandt-
schaften verwahrten sich bündig gegen alle Theilnahme daran.
Da sie das Recht hatten, ihr Eigenthum zollfrei in Pe-kiṅ ein-
zuführen, so erklärten häufig Fuhrleute an den Thoren, dass ihre

38) Von Džehol aus soll sich Kaiser Hien-fuṅ bei dem Hop-po von Kan-ton
für etwa 3000 Pfd. St. Spiegelglas bestellt haben.
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[151/0165] XVII. Haṅ-ki. dortigen Thorwache für jedes Verwaltungsjahr 10,000 Tael zahlen muss, welche dem General-Capitän der neun Thore zufallen. Jenes Amt hatte Haṅ-ki bekleidet. Da nun unter seiner Verwaltung der Handel fast anderthalb Jahre lang stockte, so zahlte er nur 36,000 Tael, um eingelassen zu werden. Dem Kaiser überreichte er bei jeder der beiden Audienzen nach seiner Rückkehr eine An- weisung auf 10,000 Tael, welche der hohe Herr eincassiren liess, und bei dessen Flucht nach Džehol hatte Haṅ-ki abermals 10,000 Tael zu erlegen. Diese Abgaben scheinen ihn kaum gedrückt zu haben; auf das Begräbniss seiner Mutter verwendete er im Sommer 1861 5000 Tael. Nun beträgt das Jahrgehalt des Hop-po in Kan- ton nur 2400 Tael, der gewöhnliche Aufwand seines Ya-mum aber gegen 8000; einem Beamten in vortheilhafter Stellung pflegt näm- lich in China seine ganze Sippe zu folgen und auf seine Kosten zu leben. Trotzdem rechnete man Haṅ-ki’s Beute auf 300,000 Tael. Ueber die Art der Erpressung erhielt Mr. Hart lustigen Aufschluss von Haṅ-ki’s erstem Beamten, welcher feierlich behauptete, dass Alles ehrlich erworben sei: der Schleichhandel auf dem Tšu-kiaṅ habe damals den Bau und die Ausrüstung vieler Regierungsschiffe erfordert; diese nothwendige Ausgabe sei pflichtgemäss verrechnet, das Geld aber nicht verwendet worden; die Regierung habe davon nur Vortheil, weil die wirkliche Ausrüstung weit mehr gekostet hätte, als Haṅ-ki aus den Staatskassen erhob. Dieses Raisonne- ment war ernst gemeint. Am kaiserlichen Hofe scheint man die Fälschungen zu begünstigen: der Hop-po erhält von da oft Auf- träge, die Tausende verschlingen, darf aber den Himmelssohn nie mit der Rechnung belästigen. 38) Die Corruption geht durch alle Classen der Mandarinen. Zum Verdruss der Gesandten suchten häufig Chinesen unter dem Vorwand, dass sie ihnen dienten, den Landesgesetzen zu trotzen. Solches Imperium in imperio hatte die Regierung von Einrichtung der fremden Gesandtschaften in Pe-kiṅ gefürchtet; selbst Prinz Kuṅ und seine Amtsgenossen wachten eifersüchtig über jeden Ein- griff in die kaiserlichen Hoheitsrechte, und die fremden Gesandt- schaften verwahrten sich bündig gegen alle Theilnahme daran. Da sie das Recht hatten, ihr Eigenthum zollfrei in Pe-kiṅ ein- zuführen, so erklärten häufig Fuhrleute an den Thoren, dass ihre 38) Von Džehol aus soll sich Kaiser Hien-fuṅ bei dem Hop-po von Kan-ton für etwa 3000 Pfd. St. Spiegelglas bestellt haben.

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Zitationshilfe: Martens, Georg von: Die preussische Expedition nach Ost-Asien. Nach amtlichen Quellen. Vierter Band. Berlin, 1873, S. 151. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/berg_ostasien04_1873/165>, abgerufen am 26.04.2024.