Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

[Berg, Albert]: Die preussische Expedition nach Ost-Asien. Bd. 3. Berlin, 1873.

Bild:
<< vorherige Seite

Flint.
1759.ihres Willens bewiesen. Dessen ungeachtet begab sich Flint 1759
abermals nach Nin-po, wurde aber ausgewiesen. Des Chinesischen
vollkommen mächtig, wusste er nun auf eigene Hand nach Pe-kin
zu gelangen, dort die Gunst angesehener Männer zu gewinnen und
seine Klagen vor den Kaiser zu bringen. In Begleitung eines
kaiserlichen Bevollmächtigten kam er nach Kan-ton zurück 14); die
Fremden aller Nationalitäten wurden vor die Mandarinen beschieden
und benachrichtigt, dass der Hop-po, -- gegen den sich besonders
ihre Klagen richteten, -- degradirt und ein anderer an seiner Stelle
ernannt sei; dass ihnen ausser der Steuer von 6 Procent auf alle
Waaren und dem "Geschenk" von 1950 Tael sämmtliche Abgaben vom
Kaiser erlassen seien. -- Dabei blieb es aber nicht. Der Vice-König
erwartete wohl nur die Abreise des kaiserlichen Special-Commissars,
um die Fremden ihre unverzeihliche Frechheit büssen zu lassen.
Er liess zunächst Flint zu sich rufen, gewährte jedoch das Gesuch
der Handelsvorsteher, denselben begleiten zu dürfen. Am Thore
des Palastes verlangten die Hon-Kaufleute, dass die Fremden
einzeln hineingingen; diese bestanden aber darauf, sich nicht zu
trennen. Im inneren Hofe der Audienzhalle wurden sie nun von
den Officianten ergriffen und vor den Vice-König gezerrt; es ent-
stand eine Balgerei, in welcher die an Zahl stärkeren Chinesen die
Fremden zu Boden warfen: diese sollten nach Landessitte vor dem
Vice-König knieen. Als sie sich aber faustgerecht wehrten und
jede Erniedrigung gewaltsam zurückwiesen, befahl der Vice-König,
von ihnen abzulassen. Er theilte ihnen einen Erlass mit, durch
welchen Flint für seinen Versuch, gegen den Befehl der Behörden
in Nin-po einzudringen, des Landes verwiesen und ein Kantonese,
der vorgeblich die Fremden durch Abfassung einer Bittschrift an
den Kaiser verrätherisch unterstützt haben sollte, zum Tode
verurtheilt war. Bei Degradirung des Hop-po, welcher Anlass zu
Beschwerden gegeben habe, sollte es bleiben. -- Die Hinrichtung
eines den Fremden ganz unbekannten Chinesen wurde alsbald in
ihrer Gegenwart vollzogen. Flint hielten die Mandarinen fest und
setzten ihn in einem Hause bei Macao gefangen, wo man ihn
glimpflich behandelte, aber von jedem Verkehr abschnitt. Ein von
den Franzosen, Dänen, Schweden und Niederländern in der eng-

14) Flint blieb bei seiner Rückkehr zehn Tage in der Stadt Kan-ton, ehe er nach
den Factoreien kam. In dieser Zeit muss die Untersuchung durch den Commissar
aus Pe-kin geführt worden sein.

Flint.
1759.ihres Willens bewiesen. Dessen ungeachtet begab sich Flint 1759
abermals nach Niṅ-po, wurde aber ausgewiesen. Des Chinesischen
vollkommen mächtig, wusste er nun auf eigene Hand nach Pe-kiṅ
zu gelangen, dort die Gunst angesehener Männer zu gewinnen und
seine Klagen vor den Kaiser zu bringen. In Begleitung eines
kaiserlichen Bevollmächtigten kam er nach Kan-ton zurück 14); die
Fremden aller Nationalitäten wurden vor die Mandarinen beschieden
und benachrichtigt, dass der Hop-po, — gegen den sich besonders
ihre Klagen richteten, — degradirt und ein anderer an seiner Stelle
ernannt sei; dass ihnen ausser der Steuer von 6 Procent auf alle
Waaren und dem »Geschenk« von 1950 Tael sämmtliche Abgaben vom
Kaiser erlassen seien. — Dabei blieb es aber nicht. Der Vice-König
erwartete wohl nur die Abreise des kaiserlichen Special-Commissars,
um die Fremden ihre unverzeihliche Frechheit büssen zu lassen.
Er liess zunächst Flint zu sich rufen, gewährte jedoch das Gesuch
der Handelsvorsteher, denselben begleiten zu dürfen. Am Thore
des Palastes verlangten die Hoṅ-Kaufleute, dass die Fremden
einzeln hineingingen; diese bestanden aber darauf, sich nicht zu
trennen. Im inneren Hofe der Audienzhalle wurden sie nun von
den Officianten ergriffen und vor den Vice-König gezerrt; es ent-
stand eine Balgerei, in welcher die an Zahl stärkeren Chinesen die
Fremden zu Boden warfen: diese sollten nach Landessitte vor dem
Vice-König knieen. Als sie sich aber faustgerecht wehrten und
jede Erniedrigung gewaltsam zurückwiesen, befahl der Vice-König,
von ihnen abzulassen. Er theilte ihnen einen Erlass mit, durch
welchen Flint für seinen Versuch, gegen den Befehl der Behörden
in Niṅ-po einzudringen, des Landes verwiesen und ein Kantonese,
der vorgeblich die Fremden durch Abfassung einer Bittschrift an
den Kaiser verrätherisch unterstützt haben sollte, zum Tode
verurtheilt war. Bei Degradirung des Hop-po, welcher Anlass zu
Beschwerden gegeben habe, sollte es bleiben. — Die Hinrichtung
eines den Fremden ganz unbekannten Chinesen wurde alsbald in
ihrer Gegenwart vollzogen. Flint hielten die Mandarinen fest und
setzten ihn in einem Hause bei Macao gefangen, wo man ihn
glimpflich behandelte, aber von jedem Verkehr abschnitt. Ein von
den Franzosen, Dänen, Schweden und Niederländern in der eng-

14) Flint blieb bei seiner Rückkehr zehn Tage in der Stadt Kan-ton, ehe er nach
den Factoreien kam. In dieser Zeit muss die Untersuchung durch den Commissar
aus Pe-kiṅ geführt worden sein.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0054" n="32"/><fw place="top" type="header"><persName ref="nognd">Flint</persName>.</fw><lb/><note place="left">1759.</note>ihres Willens bewiesen. Dessen ungeachtet begab sich <persName ref="nognd">Flint</persName> 1759<lb/>
abermals nach <hi rendition="#k"><placeName>Nin&#x0307;-po</placeName></hi>, wurde aber ausgewiesen. Des Chinesischen<lb/>
vollkommen mächtig, wusste er nun auf eigene Hand nach <hi rendition="#k"><placeName>Pe-kin&#x0307;</placeName></hi><lb/>
zu gelangen, dort die Gunst angesehener Männer zu gewinnen und<lb/>
seine Klagen vor den Kaiser zu bringen. In Begleitung eines<lb/>
kaiserlichen Bevollmächtigten kam er nach <hi rendition="#k"><placeName>Kan-ton</placeName></hi> zurück <note place="foot" n="14)"><persName ref="nognd">Flint</persName> blieb bei seiner Rückkehr zehn Tage in der Stadt <hi rendition="#k"><placeName>Kan-ton</placeName></hi>, ehe er nach<lb/>
den Factoreien kam. In dieser Zeit muss die Untersuchung durch den Commissar<lb/>
aus <hi rendition="#k"><placeName>Pe-kin&#x0307;</placeName></hi> geführt worden sein.</note>; die<lb/>
Fremden aller Nationalitäten wurden vor die Mandarinen beschieden<lb/>
und benachrichtigt, dass der <hi rendition="#k">Hop-po</hi>, &#x2014; gegen den sich besonders<lb/>
ihre Klagen richteten, &#x2014; degradirt und ein anderer an seiner Stelle<lb/>
ernannt sei; dass ihnen ausser der Steuer von 6 Procent auf alle<lb/>
Waaren und dem »Geschenk« von 1950 <hi rendition="#k">Tael</hi> sämmtliche Abgaben vom<lb/>
Kaiser erlassen seien. &#x2014; Dabei blieb es aber nicht. Der Vice-König<lb/>
erwartete wohl nur die Abreise des kaiserlichen Special-Commissars,<lb/>
um die Fremden ihre unverzeihliche Frechheit büssen zu lassen.<lb/>
Er liess zunächst <persName ref="nognd">Flint</persName> zu sich rufen, gewährte jedoch das Gesuch<lb/>
der Handelsvorsteher, denselben begleiten zu dürfen. Am Thore<lb/>
des Palastes verlangten die <hi rendition="#k">Hon&#x0307;</hi>-Kaufleute, dass die Fremden<lb/>
einzeln hineingingen; diese bestanden aber darauf, sich nicht zu<lb/>
trennen. Im inneren Hofe der Audienzhalle wurden sie nun von<lb/>
den Officianten ergriffen und vor den Vice-König gezerrt; es ent-<lb/>
stand eine Balgerei, in welcher die an Zahl stärkeren Chinesen die<lb/>
Fremden zu Boden warfen: diese sollten nach Landessitte vor dem<lb/>
Vice-König knieen. Als sie sich aber faustgerecht wehrten und<lb/>
jede Erniedrigung gewaltsam zurückwiesen, befahl der Vice-König,<lb/>
von ihnen abzulassen. Er theilte ihnen einen Erlass mit, durch<lb/>
welchen <persName ref="nognd">Flint</persName> für seinen Versuch, gegen den Befehl der Behörden<lb/>
in <hi rendition="#k"><placeName>Nin&#x0307;-po</placeName></hi> einzudringen, des Landes verwiesen und ein Kantonese,<lb/>
der vorgeblich die Fremden durch Abfassung einer Bittschrift an<lb/>
den Kaiser verrätherisch unterstützt haben sollte, zum Tode<lb/>
verurtheilt war. Bei Degradirung des <hi rendition="#k">Hop-po</hi>, welcher Anlass zu<lb/>
Beschwerden gegeben habe, sollte es bleiben. &#x2014; Die Hinrichtung<lb/>
eines den Fremden ganz unbekannten Chinesen wurde alsbald in<lb/>
ihrer Gegenwart vollzogen. <persName ref="nognd">Flint</persName> hielten die Mandarinen fest und<lb/>
setzten ihn in einem Hause bei <placeName>Macao</placeName> gefangen, wo man ihn<lb/>
glimpflich behandelte, aber von jedem Verkehr abschnitt. Ein von<lb/>
den Franzosen, Dänen, Schweden und Niederländern in der eng-<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[32/0054] Flint. ihres Willens bewiesen. Dessen ungeachtet begab sich Flint 1759 abermals nach Niṅ-po, wurde aber ausgewiesen. Des Chinesischen vollkommen mächtig, wusste er nun auf eigene Hand nach Pe-kiṅ zu gelangen, dort die Gunst angesehener Männer zu gewinnen und seine Klagen vor den Kaiser zu bringen. In Begleitung eines kaiserlichen Bevollmächtigten kam er nach Kan-ton zurück 14); die Fremden aller Nationalitäten wurden vor die Mandarinen beschieden und benachrichtigt, dass der Hop-po, — gegen den sich besonders ihre Klagen richteten, — degradirt und ein anderer an seiner Stelle ernannt sei; dass ihnen ausser der Steuer von 6 Procent auf alle Waaren und dem »Geschenk« von 1950 Tael sämmtliche Abgaben vom Kaiser erlassen seien. — Dabei blieb es aber nicht. Der Vice-König erwartete wohl nur die Abreise des kaiserlichen Special-Commissars, um die Fremden ihre unverzeihliche Frechheit büssen zu lassen. Er liess zunächst Flint zu sich rufen, gewährte jedoch das Gesuch der Handelsvorsteher, denselben begleiten zu dürfen. Am Thore des Palastes verlangten die Hoṅ-Kaufleute, dass die Fremden einzeln hineingingen; diese bestanden aber darauf, sich nicht zu trennen. Im inneren Hofe der Audienzhalle wurden sie nun von den Officianten ergriffen und vor den Vice-König gezerrt; es ent- stand eine Balgerei, in welcher die an Zahl stärkeren Chinesen die Fremden zu Boden warfen: diese sollten nach Landessitte vor dem Vice-König knieen. Als sie sich aber faustgerecht wehrten und jede Erniedrigung gewaltsam zurückwiesen, befahl der Vice-König, von ihnen abzulassen. Er theilte ihnen einen Erlass mit, durch welchen Flint für seinen Versuch, gegen den Befehl der Behörden in Niṅ-po einzudringen, des Landes verwiesen und ein Kantonese, der vorgeblich die Fremden durch Abfassung einer Bittschrift an den Kaiser verrätherisch unterstützt haben sollte, zum Tode verurtheilt war. Bei Degradirung des Hop-po, welcher Anlass zu Beschwerden gegeben habe, sollte es bleiben. — Die Hinrichtung eines den Fremden ganz unbekannten Chinesen wurde alsbald in ihrer Gegenwart vollzogen. Flint hielten die Mandarinen fest und setzten ihn in einem Hause bei Macao gefangen, wo man ihn glimpflich behandelte, aber von jedem Verkehr abschnitt. Ein von den Franzosen, Dänen, Schweden und Niederländern in der eng- 1759. 14) Flint blieb bei seiner Rückkehr zehn Tage in der Stadt Kan-ton, ehe er nach den Factoreien kam. In dieser Zeit muss die Untersuchung durch den Commissar aus Pe-kiṅ geführt worden sein.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/berg_ostasien03_1873
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/berg_ostasien03_1873/54
Zitationshilfe: [Berg, Albert]: Die preussische Expedition nach Ost-Asien. Bd. 3. Berlin, 1873, S. 32. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/berg_ostasien03_1873/54>, abgerufen am 26.04.2024.