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[Berg, Albert]: Die preussische Expedition nach Ost-Asien. Bd. 3. Berlin, 1873.

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Handel in Nin-po.
vorsteher durch keine Art von Verfassung zu einer Gemeinschaft
verbunden, und gewiss schon aus Nationalstolz auf Vorrang und
und Führung sehr eifersüchtig. So mussten die Zustände hoff-
nungslos bleiben. Die blutigen Händel der Schiffsmannschaften
unter sich waren auch nicht geeignet, den Chinesen Achtung vor
den Ausländern einzuflössen: bei Wam-poa mussten damals den
Matrosen verschiedener Nationalitäten besondere Inseln zur Erholung
angewiesen werden, um den mörderischen Schlägereien ein Ende
zu machen.

Da 1754 nichts erreicht worden war, so trachteten die
Engländer ernstlich, ihren Handel nach Nin-po zu verlegen, wohin
im folgenden Jahre die Factorei-Beamten Harrison und Flint abgingen.
Sie wurden gut aufgenommen; die verlangten Abgaben schienen
geringer als in Kan-ton. Der Fu-yuen oder stellvertretende
Gouverneur zeigte sich den Fremden geneigt und versprach die
Erfüllung fast aller ausgesprochenen Wünsche. Wahrscheinlich
überschritt er damit seine Befugniss; denn als 1756 die Holder-1756.
nesse in Folge jener Zusagen nach Nin-po kam, befahl der Vice-
könig der Provinz, dass alle Feuerwaffen und Munition aus dem
Schiffe genommen und dieselben Zölle bezahlt werden sollten, wie
in Kan-ton. Der Fu-yuen konnte sich diesem Befehle nicht offen
widersetzen, vollzog ihn aber ebensowenig, sondern sandte ihn
zur Entscheidung nach Pe-kin. Unterdessen erklärten die Manda-
rinen sich zu Handelsgeschäften bereit, wenn ihnen die Hälfte der
Kanonen ausgeliefert würde: sie erhielten für sich 2000 Tael und
wussten es so zu wenden, dass zuletzt die Abgaben ungefähr das
Doppelte der in Kan-ton üblichen betrugen. Kein Engländer durfte
am Lande wohnen, und bei der Abreise wurden sie, offenbar auf
höhere Eingebung, bedeutet, dass für die Zukunft in Nin-po kein
Handel erlaubt sei, "weil der Kaiser die bedeutenden Einkünfte aus
den Zwischenzöllen für die zu Lande nach Kan-ton gehenden chinesi-
schen Waaren nicht einbüssen wolle". Auch den Fremden in
Kan-ton wurde amtlich mitgetheilt, dass ihr Handel auf diesen
Platz beschränkt bleiben müsse.

Trotzdem gaben die Engländer ihr Vorhaben nicht auf.
Die chinesische Regierung hatte durch Zerstörung der alten Factorei
in Nin-po, durch Verbannung aller Kaufleute, welche 1756 mit den
Engländern handelten, und durch Aufstellung von Kriegsdschunken,
die jedem fremden Schiffe den Weg verlegen sollten, den Ernst

Handel in Niṅ-po.
vorsteher durch keine Art von Verfassung zu einer Gemeinschaft
verbunden, und gewiss schon aus Nationalstolz auf Vorrang und
und Führung sehr eifersüchtig. So mussten die Zustände hoff-
nungslos bleiben. Die blutigen Händel der Schiffsmannschaften
unter sich waren auch nicht geeignet, den Chinesen Achtung vor
den Ausländern einzuflössen: bei Wam-poa mussten damals den
Matrosen verschiedener Nationalitäten besondere Inseln zur Erholung
angewiesen werden, um den mörderischen Schlägereien ein Ende
zu machen.

Da 1754 nichts erreicht worden war, so trachteten die
Engländer ernstlich, ihren Handel nach Niṅ-po zu verlegen, wohin
im folgenden Jahre die Factorei-Beamten Harrison und Flint abgingen.
Sie wurden gut aufgenommen; die verlangten Abgaben schienen
geringer als in Kan-ton. Der Fu-yuen oder stellvertretende
Gouverneur zeigte sich den Fremden geneigt und versprach die
Erfüllung fast aller ausgesprochenen Wünsche. Wahrscheinlich
überschritt er damit seine Befugniss; denn als 1756 die Holder-1756.
nesse in Folge jener Zusagen nach Niṅ-po kam, befahl der Vice-
könig der Provinz, dass alle Feuerwaffen und Munition aus dem
Schiffe genommen und dieselben Zölle bezahlt werden sollten, wie
in Kan-ton. Der Fu-yuen konnte sich diesem Befehle nicht offen
widersetzen, vollzog ihn aber ebensowenig, sondern sandte ihn
zur Entscheidung nach Pe-kiṅ. Unterdessen erklärten die Manda-
rinen sich zu Handelsgeschäften bereit, wenn ihnen die Hälfte der
Kanonen ausgeliefert würde: sie erhielten für sich 2000 Tael und
wussten es so zu wenden, dass zuletzt die Abgaben ungefähr das
Doppelte der in Kan-ton üblichen betrugen. Kein Engländer durfte
am Lande wohnen, und bei der Abreise wurden sie, offenbar auf
höhere Eingebung, bedeutet, dass für die Zukunft in Niṅ-po kein
Handel erlaubt sei, »weil der Kaiser die bedeutenden Einkünfte aus
den Zwischenzöllen für die zu Lande nach Kan-ton gehenden chinesi-
schen Waaren nicht einbüssen wolle«. Auch den Fremden in
Kan-ton wurde amtlich mitgetheilt, dass ihr Handel auf diesen
Platz beschränkt bleiben müsse.

Trotzdem gaben die Engländer ihr Vorhaben nicht auf.
Die chinesische Regierung hatte durch Zerstörung der alten Factorei
in Niṅ-po, durch Verbannung aller Kaufleute, welche 1756 mit den
Engländern handelten, und durch Aufstellung von Kriegsdschunken,
die jedem fremden Schiffe den Weg verlegen sollten, den Ernst

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[31/0053] Handel in Niṅ-po. vorsteher durch keine Art von Verfassung zu einer Gemeinschaft verbunden, und gewiss schon aus Nationalstolz auf Vorrang und und Führung sehr eifersüchtig. So mussten die Zustände hoff- nungslos bleiben. Die blutigen Händel der Schiffsmannschaften unter sich waren auch nicht geeignet, den Chinesen Achtung vor den Ausländern einzuflössen: bei Wam-poa mussten damals den Matrosen verschiedener Nationalitäten besondere Inseln zur Erholung angewiesen werden, um den mörderischen Schlägereien ein Ende zu machen. Da 1754 nichts erreicht worden war, so trachteten die Engländer ernstlich, ihren Handel nach Niṅ-po zu verlegen, wohin im folgenden Jahre die Factorei-Beamten Harrison und Flint abgingen. Sie wurden gut aufgenommen; die verlangten Abgaben schienen geringer als in Kan-ton. Der Fu-yuen oder stellvertretende Gouverneur zeigte sich den Fremden geneigt und versprach die Erfüllung fast aller ausgesprochenen Wünsche. Wahrscheinlich überschritt er damit seine Befugniss; denn als 1756 die Holder- nesse in Folge jener Zusagen nach Niṅ-po kam, befahl der Vice- könig der Provinz, dass alle Feuerwaffen und Munition aus dem Schiffe genommen und dieselben Zölle bezahlt werden sollten, wie in Kan-ton. Der Fu-yuen konnte sich diesem Befehle nicht offen widersetzen, vollzog ihn aber ebensowenig, sondern sandte ihn zur Entscheidung nach Pe-kiṅ. Unterdessen erklärten die Manda- rinen sich zu Handelsgeschäften bereit, wenn ihnen die Hälfte der Kanonen ausgeliefert würde: sie erhielten für sich 2000 Tael und wussten es so zu wenden, dass zuletzt die Abgaben ungefähr das Doppelte der in Kan-ton üblichen betrugen. Kein Engländer durfte am Lande wohnen, und bei der Abreise wurden sie, offenbar auf höhere Eingebung, bedeutet, dass für die Zukunft in Niṅ-po kein Handel erlaubt sei, »weil der Kaiser die bedeutenden Einkünfte aus den Zwischenzöllen für die zu Lande nach Kan-ton gehenden chinesi- schen Waaren nicht einbüssen wolle«. Auch den Fremden in Kan-ton wurde amtlich mitgetheilt, dass ihr Handel auf diesen Platz beschränkt bleiben müsse. 1756. Trotzdem gaben die Engländer ihr Vorhaben nicht auf. Die chinesische Regierung hatte durch Zerstörung der alten Factorei in Niṅ-po, durch Verbannung aller Kaufleute, welche 1756 mit den Engländern handelten, und durch Aufstellung von Kriegsdschunken, die jedem fremden Schiffe den Weg verlegen sollten, den Ernst

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Zitationshilfe: [Berg, Albert]: Die preussische Expedition nach Ost-Asien. Bd. 3. Berlin, 1873, S. 31. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/berg_ostasien03_1873/53>, abgerufen am 27.04.2024.