Der Morgen des Neujahrstages verging unter Gratulationsbesuchen; am Nachmittage erschien in Akabane ganz unerwartet Herr Heusken, den wir mit dem amerikanischen Minister-Residenten in Kanagava glaubten. Er kam in der That von dort mit überraschenden Neuig- keiten: Herr Harris war den Tag zuvor durch einen ihm aus Yeddo nachgesandten Bunyo des auswärtigen Ministeriums benachrichtigt worden, dass die Regierung eine Verschwörung gegen die Fremden entdeckt habe; sechshundert Lonine, entlassene Soldaten des Fürsten von Mito, wollten Yokuhama niederbrennen, die dort ansässigen Ausländer ermorden und die Legationen in Yeddo stürmen. Die Regierung, hiess es, habe zwar Vorsichtsmaassregeln getroffen, halte aber doch für angemessen, die Fremden von der Gefahr zu unterrichten. -- Am Abend des Neujahrstages erschienen denn auch in Akabane unsere zu den Vertrags-Verhandlungen bevollmächtigten Bunyo's mit denselben Eröffnungen. Es würde, meinten sie, der Regierung trotz ihrer zahlreichen Polizei kaum gelingen, die zer- streuten Lonine einzeln in ihren Schlupfwinkeln aufzuspüren, man könne für nichts einstehen; eine Anzahl Verschworener solle sich in Kaufmannstracht in die Nähe der Fremden zu schleichen suchen, wir möchten auf der Hut sein und nicht ohne starke Bedeckung ausgehen. Die Regierung habe die Yakunin-Wache von Akabane auf dreiundsechszig Mann verstärkt und das nach der Nebenstrasse führende Hinterthor durch Soldaten eines nahe wohnenden Daimio besetzen lassen. Sollte in der Nähe Feuer ausbrechen, so möge der Gesandte sich mit seinen Begleitern doch sogleich nach dem Lan- dungsplatze begeben, wo Tag und Nacht Boote zur Ueberfahrt nach den Kriegsschiffen bereit liegen würden.
X. YEDDO. VOM 1. BIS 31. JANUAR 1861.
Der Morgen des Neujahrstages verging unter Gratulationsbesuchen; am Nachmittage erschien in Akabane ganz unerwartet Herr Heusken, den wir mit dem amerikanischen Minister-Residenten in Kanagava glaubten. Er kam in der That von dort mit überraschenden Neuig- keiten: Herr Harris war den Tag zuvor durch einen ihm aus Yeddo nachgesandten Bunyo des auswärtigen Ministeriums benachrichtigt worden, dass die Regierung eine Verschwörung gegen die Fremden entdeckt habe; sechshundert Lonine, entlassene Soldaten des Fürsten von Mito, wollten Yokuhama niederbrennen, die dort ansässigen Ausländer ermorden und die Legationen in Yeddo stürmen. Die Regierung, hiess es, habe zwar Vorsichtsmaassregeln getroffen, halte aber doch für angemessen, die Fremden von der Gefahr zu unterrichten. — Am Abend des Neujahrstages erschienen denn auch in Akabane unsere zu den Vertrags-Verhandlungen bevollmächtigten Bunyo’s mit denselben Eröffnungen. Es würde, meinten sie, der Regierung trotz ihrer zahlreichen Polizei kaum gelingen, die zer- streuten Lonine einzeln in ihren Schlupfwinkeln aufzuspüren, man könne für nichts einstehen; eine Anzahl Verschworener solle sich in Kaufmannstracht in die Nähe der Fremden zu schleichen suchen, wir möchten auf der Hut sein und nicht ohne starke Bedeckung ausgehen. Die Regierung habe die Yakunin-Wache von Akabane auf dreiundsechszig Mann verstärkt und das nach der Nebenstrasse führende Hinterthor durch Soldaten eines nahe wohnenden Daïmio besetzen lassen. Sollte in der Nähe Feuer ausbrechen, so möge der Gesandte sich mit seinen Begleitern doch sogleich nach dem Lan- dungsplatze begeben, wo Tag und Nacht Boote zur Ueberfahrt nach den Kriegsschiffen bereit liegen würden.
<TEI><text><body><divn="1"><pbfacs="#f0158"n="[138]"/><divn="2"><head><hirendition="#b">X.<lb/><placeName>YEDDO</placeName>.</hi><lb/>
VOM 1. BIS 31. JANUAR 1861.</head><lb/><milestonerendition="#hr"unit="section"/><p><hirendition="#in">D</hi>er Morgen des Neujahrstages verging unter Gratulationsbesuchen;<lb/>
am Nachmittage erschien in <hirendition="#k"><placeName>Akabane</placeName></hi> ganz unerwartet Herr <persNameref="http://id.loc.gov/authorities/names/n85253625">Heusken</persName>,<lb/>
den wir mit dem amerikanischen Minister-Residenten in <hirendition="#k"><placeName>Kanagava</placeName></hi><lb/>
glaubten. Er kam in der That von dort mit überraschenden Neuig-<lb/>
keiten: Herr <persNameref="http://d-nb.info/gnd/119082039">Harris</persName> war den Tag zuvor durch einen ihm aus <hirendition="#k"><placeName>Yeddo</placeName></hi><lb/>
nachgesandten <hirendition="#k">Bunyo</hi> des auswärtigen Ministeriums benachrichtigt<lb/>
worden, dass die Regierung eine Verschwörung gegen die Fremden<lb/>
entdeckt habe; sechshundert <hirendition="#k">Lonine</hi>, entlassene Soldaten des Fürsten<lb/>
von <hirendition="#k"><placeName>Mito</placeName></hi>, wollten <hirendition="#k"><placeName>Yokuhama</placeName></hi> niederbrennen, die dort ansässigen<lb/>
Ausländer ermorden und die Legationen in <hirendition="#k"><placeName>Yeddo</placeName></hi> stürmen. Die<lb/>
Regierung, hiess es, habe zwar Vorsichtsmaassregeln getroffen,<lb/>
halte aber doch für angemessen, die Fremden von der Gefahr zu<lb/>
unterrichten. — Am Abend des Neujahrstages erschienen denn auch<lb/>
in <hirendition="#k"><placeName>Akabane</placeName></hi> unsere zu den Vertrags-Verhandlungen bevollmächtigten<lb/><hirendition="#k">Bunyo</hi>’s mit denselben Eröffnungen. Es würde, meinten sie, der<lb/>
Regierung trotz ihrer zahlreichen Polizei kaum gelingen, die zer-<lb/>
streuten <hirendition="#k">Lonine</hi> einzeln in ihren Schlupfwinkeln aufzuspüren, man<lb/>
könne für nichts einstehen; eine Anzahl Verschworener solle sich<lb/>
in Kaufmannstracht in die Nähe der Fremden zu schleichen suchen,<lb/>
wir möchten auf der Hut sein und nicht ohne starke Bedeckung<lb/>
ausgehen. Die Regierung habe die <hirendition="#k">Yakunin</hi>-Wache von <hirendition="#k"><placeName>Akabane</placeName></hi><lb/>
auf dreiundsechszig Mann verstärkt und das nach der Nebenstrasse<lb/>
führende Hinterthor durch Soldaten eines nahe wohnenden <hirendition="#k">Daïmio</hi><lb/>
besetzen lassen. Sollte in der Nähe Feuer ausbrechen, so möge der<lb/>
Gesandte sich mit seinen Begleitern doch sogleich nach dem Lan-<lb/>
dungsplatze begeben, wo Tag und Nacht Boote zur Ueberfahrt nach<lb/>
den Kriegsschiffen bereit liegen würden.</p><lb/></div></div></body></text></TEI>
[[138]/0158]
X.
YEDDO.
VOM 1. BIS 31. JANUAR 1861.
Der Morgen des Neujahrstages verging unter Gratulationsbesuchen;
am Nachmittage erschien in Akabane ganz unerwartet Herr Heusken,
den wir mit dem amerikanischen Minister-Residenten in Kanagava
glaubten. Er kam in der That von dort mit überraschenden Neuig-
keiten: Herr Harris war den Tag zuvor durch einen ihm aus Yeddo
nachgesandten Bunyo des auswärtigen Ministeriums benachrichtigt
worden, dass die Regierung eine Verschwörung gegen die Fremden
entdeckt habe; sechshundert Lonine, entlassene Soldaten des Fürsten
von Mito, wollten Yokuhama niederbrennen, die dort ansässigen
Ausländer ermorden und die Legationen in Yeddo stürmen. Die
Regierung, hiess es, habe zwar Vorsichtsmaassregeln getroffen,
halte aber doch für angemessen, die Fremden von der Gefahr zu
unterrichten. — Am Abend des Neujahrstages erschienen denn auch
in Akabane unsere zu den Vertrags-Verhandlungen bevollmächtigten
Bunyo’s mit denselben Eröffnungen. Es würde, meinten sie, der
Regierung trotz ihrer zahlreichen Polizei kaum gelingen, die zer-
streuten Lonine einzeln in ihren Schlupfwinkeln aufzuspüren, man
könne für nichts einstehen; eine Anzahl Verschworener solle sich
in Kaufmannstracht in die Nähe der Fremden zu schleichen suchen,
wir möchten auf der Hut sein und nicht ohne starke Bedeckung
ausgehen. Die Regierung habe die Yakunin-Wache von Akabane
auf dreiundsechszig Mann verstärkt und das nach der Nebenstrasse
führende Hinterthor durch Soldaten eines nahe wohnenden Daïmio
besetzen lassen. Sollte in der Nähe Feuer ausbrechen, so möge der
Gesandte sich mit seinen Begleitern doch sogleich nach dem Lan-
dungsplatze begeben, wo Tag und Nacht Boote zur Ueberfahrt nach
den Kriegsschiffen bereit liegen würden.
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
[Berg, Albert]: Die preussische Expedition nach Ost-Asien. Bd. 2. Berlin, 1866, S. [138]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/berg_ostasien02_1866/158>, abgerufen am 18.12.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.