Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Bengel, Johann Albrecht: Abriß der so genannten Brüdergemeine. Bd. 1. Stuttgart, 1751.

Bild:
<< vorherige Seite
Von Philadelphia u. s. w.

Man bedenke, was folget: (1) Wo ein
Feld lauter Weg ist, da kan ein Reisender
den rechten Weg am wenigsten unterscheiden.
(2) Von Mr. Abbadie habe ich in der Erkl.
Off.
gehandelt, p. 1165. 1171. ed. 2. (3)
Der hier gemeldte Vorsatz, und die Predig
über Apg. 1, 7. 8. stimmen zusammen, streiten
aber wider die Haupt-Absicht der Weissagung.
Man sehe unten § 211. (4) Die Kostbarkeit
der Blut-Theologie erkenne ich von Herzen:
aber ob eine affectirte übertriebene Anrege des
Leidens-Puncten dem hocherhabenen Erlöser
zur Ehre, und denen Kennern oder andern
Menschen zur Erbauung gereiche, ist eine an-
dere Frage.

§ 186.

Was Johannes gesehen, das hat er
bezeuget,
nicht mehr und nicht weniger. Ein
Zuhörer seiner Weissagung, der sich in glei-
chen Schranken hält, geht sicher, und geräth
weder in unnütze Speculationen und Grübe-
leyen, noch in einen mit Herzens-Dünkel ge-
schmückten Undank. Dem Ordinario ist nicht
so: er gehet eclectice, und nimmt bald mehr
bald weniger zur Hand. Seinethalben hätte
der Inhalt des versigelten Buches immerhin
in GOttes Schätzen verborgen bleiben mögen:
ohne Noth hätte der, so auf dem Thron sitzet,
dasselbe vorgewiesen: ohne Noth hätte der
Engel geruffen, Wer ist würdig u. s. w.
ohne Noth hätte Johannes so viel Thränen

ver-
O 4
Von Philadelphia u. ſ. w.

Man bedenke, was folget: (1) Wo ein
Feld lauter Weg iſt, da kan ein Reiſender
den rechten Weg am wenigſten unterſcheiden.
(2) Von Mr. Abbadie habe ich in der Erkl.
Off.
gehandelt, p. 1165. 1171. ed. 2. (3)
Der hier gemeldte Vorſatz, und die Predig
uͤber Apg. 1, 7. 8. ſtimmen zuſammen, ſtreiten
aber wider die Haupt-Abſicht der Weiſſagung.
Man ſehe unten § 211. (4) Die Koſtbarkeit
der Blut-Theologie erkenne ich von Herzen:
aber ob eine affectirte uͤbertriebene Anrege des
Leidens-Puncten dem hocherhabenen Erloͤſer
zur Ehre, und denen Kennern oder andern
Menſchen zur Erbauung gereiche, iſt eine an-
dere Frage.

§ 186.

Was Johannes geſehen, das hat er
bezeuget,
nicht mehr und nicht weniger. Ein
Zuhoͤrer ſeiner Weiſſagung, der ſich in glei-
chen Schranken haͤlt, geht ſicher, und geraͤth
weder in unnuͤtze Speculationen und Gruͤbe-
leyen, noch in einen mit Herzens-Duͤnkel ge-
ſchmuͤckten Undank. Dem Ordinario iſt nicht
ſo: er gehet eclectice, und nimmt bald mehr
bald weniger zur Hand. Seinethalben haͤtte
der Inhalt des verſigelten Buches immerhin
in GOttes Schaͤtzen verborgen bleiben moͤgen:
ohne Noth haͤtte der, ſo auf dem Thron ſitzet,
daſſelbe vorgewieſen: ohne Noth haͤtte der
Engel geruffen, Wer iſt wuͤrdig u. ſ. w.
ohne Noth haͤtte Johannes ſo viel Thraͤnen

ver-
O 4
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <div n="4">
              <div n="5">
                <pb facs="#f0235" n="215"/>
                <fw place="top" type="header"> <hi rendition="#fr">Von Philadelphia u. &#x017F;. w.</hi> </fw><lb/>
                <p>Man bedenke, was folget: (1) Wo ein<lb/>
Feld lauter Weg i&#x017F;t, da kan ein Rei&#x017F;ender<lb/>
den rechten Weg am wenig&#x017F;ten unter&#x017F;cheiden.<lb/>
(2) Von <hi rendition="#aq">Mr. Abbadie</hi> habe ich in der <hi rendition="#fr">Erkl.<lb/>
Off.</hi> gehandelt, p. 1165. 1171. <hi rendition="#aq">ed.</hi> 2. (3)<lb/>
Der hier gemeldte Vor&#x017F;atz, und die Predig<lb/>
u&#x0364;ber Apg. 1, 7. 8. &#x017F;timmen zu&#x017F;ammen, &#x017F;treiten<lb/>
aber wider die Haupt-Ab&#x017F;icht der Wei&#x017F;&#x017F;agung.<lb/>
Man &#x017F;ehe unten § 211. (4) Die Ko&#x017F;tbarkeit<lb/>
der <hi rendition="#fr">Blut-Theologie</hi> erkenne ich von Herzen:<lb/>
aber ob eine affectirte u&#x0364;bertriebene Anrege des<lb/>
Leidens-Puncten dem hocherhabenen Erlo&#x0364;&#x017F;er<lb/>
zur Ehre, und denen Kennern oder andern<lb/>
Men&#x017F;chen zur Erbauung gereiche, i&#x017F;t eine an-<lb/>
dere Frage.</p>
              </div><lb/>
              <div n="5">
                <head>§ 186.</head><lb/>
                <p><hi rendition="#fr">Was Johannes ge&#x017F;ehen, das hat er<lb/>
bezeuget,</hi> nicht mehr und nicht weniger. Ein<lb/>
Zuho&#x0364;rer &#x017F;einer Wei&#x017F;&#x017F;agung, der &#x017F;ich in glei-<lb/>
chen Schranken ha&#x0364;lt, geht &#x017F;icher, und gera&#x0364;th<lb/>
weder in unnu&#x0364;tze Speculationen und Gru&#x0364;be-<lb/>
leyen, noch in einen mit Herzens-Du&#x0364;nkel ge-<lb/>
&#x017F;chmu&#x0364;ckten Undank. Dem <hi rendition="#aq">Ordinario</hi> i&#x017F;t nicht<lb/>
&#x017F;o: er gehet <hi rendition="#aq">eclectice,</hi> und nimmt bald mehr<lb/>
bald weniger zur Hand. Seinethalben ha&#x0364;tte<lb/>
der Inhalt des ver&#x017F;igelten Buches immerhin<lb/>
in GOttes Scha&#x0364;tzen verborgen bleiben mo&#x0364;gen:<lb/>
ohne Noth ha&#x0364;tte der, &#x017F;o auf dem Thron &#x017F;itzet,<lb/>
da&#x017F;&#x017F;elbe vorgewie&#x017F;en: ohne Noth ha&#x0364;tte der<lb/>
Engel geruffen, <hi rendition="#fr">Wer i&#x017F;t wu&#x0364;rdig</hi> u. &#x017F;. w.<lb/>
ohne Noth ha&#x0364;tte <hi rendition="#fr">Johannes</hi> &#x017F;o viel Thra&#x0364;nen<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">O 4</fw><fw place="bottom" type="catch">ver-</fw><lb/></p>
              </div>
            </div>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[215/0235] Von Philadelphia u. ſ. w. Man bedenke, was folget: (1) Wo ein Feld lauter Weg iſt, da kan ein Reiſender den rechten Weg am wenigſten unterſcheiden. (2) Von Mr. Abbadie habe ich in der Erkl. Off. gehandelt, p. 1165. 1171. ed. 2. (3) Der hier gemeldte Vorſatz, und die Predig uͤber Apg. 1, 7. 8. ſtimmen zuſammen, ſtreiten aber wider die Haupt-Abſicht der Weiſſagung. Man ſehe unten § 211. (4) Die Koſtbarkeit der Blut-Theologie erkenne ich von Herzen: aber ob eine affectirte uͤbertriebene Anrege des Leidens-Puncten dem hocherhabenen Erloͤſer zur Ehre, und denen Kennern oder andern Menſchen zur Erbauung gereiche, iſt eine an- dere Frage. § 186. Was Johannes geſehen, das hat er bezeuget, nicht mehr und nicht weniger. Ein Zuhoͤrer ſeiner Weiſſagung, der ſich in glei- chen Schranken haͤlt, geht ſicher, und geraͤth weder in unnuͤtze Speculationen und Gruͤbe- leyen, noch in einen mit Herzens-Duͤnkel ge- ſchmuͤckten Undank. Dem Ordinario iſt nicht ſo: er gehet eclectice, und nimmt bald mehr bald weniger zur Hand. Seinethalben haͤtte der Inhalt des verſigelten Buches immerhin in GOttes Schaͤtzen verborgen bleiben moͤgen: ohne Noth haͤtte der, ſo auf dem Thron ſitzet, daſſelbe vorgewieſen: ohne Noth haͤtte der Engel geruffen, Wer iſt wuͤrdig u. ſ. w. ohne Noth haͤtte Johannes ſo viel Thraͤnen ver- O 4

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/bengel_abriss01_1751
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/bengel_abriss01_1751/235
Zitationshilfe: Bengel, Johann Albrecht: Abriß der so genannten Brüdergemeine. Bd. 1. Stuttgart, 1751, S. 215. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bengel_abriss01_1751/235>, abgerufen am 20.11.2024.