Man soll den Sohn mit nichten überhü- pfen, aber auch den Vater nicht. Das leztere ist vor dem erstern eine neue und folglich eine grosse Lust für den Teufel, mit dem der Ordi- narius so heftig um sich wirft. Christo zu ge- fallen, glauben wir an den Vater: und an Christum glauben wir, eben so wol dem Va- ter zu gefallen. Thäte es dem Ordinario we- he, wann man sagte, er sey dem himmlischen Vater gram, weil er dem Sohn alles zu- schreibe: so muß es auch denen wehe thun, die er bezüchtiget, sie seyen dem Heiland gram, indem sie, ohne die ihnen beygemessene Aus- schliessung des Sohnes, auch vom Vater re- den. Er machet ja denen, die beedes vom Vater und vom Sohn reden, nichts beson- ders, und nimmt sie nirgend von seinem Schel- ten aus. Indem er von dem Leiden des ge- dultigen Lammes prediget, überlässet er sich an denen vorangezogenen Stellen einem starken und unlautern Zorn wider diejenige, die bey dem Leiden Christi auch an die Liebe des Va- ters gedenken.
§ 119.
Gesetzt, ein Heyde sey durch die Worte: Dein Schöpfer hat für dich gelidten, gerüh- ret: aus solcher Rührung wird er von sich selbs, und wann man ihm nichts weiters sagt, nicht alles herleiten, was ihm nöthig ist. Be-
sehen
H 4
Vom Blut und Wunden.
§ 118.
Man ſoll den Sohn mit nichten uͤberhuͤ- pfen, aber auch den Vater nicht. Das leztere iſt vor dem erſtern eine neue und folglich eine groſſe Luſt fuͤr den Teufel, mit dem der Ordi- narius ſo heftig um ſich wirft. Chriſto zu ge- fallen, glauben wir an den Vater: und an Chriſtum glauben wir, eben ſo wol dem Va- ter zu gefallen. Thaͤte es dem Ordinario we- he, wann man ſagte, er ſey dem himmliſchen Vater gram, weil er dem Sohn alles zu- ſchreibe: ſo muß es auch denen wehe thun, die er bezuͤchtiget, ſie ſeyen dem Heiland gram, indem ſie, ohne die ihnen beygemeſſene Aus- ſchlieſſung des Sohnes, auch vom Vater re- den. Er machet ja denen, die beedes vom Vater und vom Sohn reden, nichts beſon- ders, und nimmt ſie nirgend von ſeinem Schel- ten aus. Indem er von dem Leiden des ge- dultigen Lammes prediget, uͤberlaͤſſet er ſich an denen vorangezogenen Stellen einem ſtarken und unlautern Zorn wider diejenige, die bey dem Leiden Chriſti auch an die Liebe des Va- ters gedenken.
§ 119.
Geſetzt, ein Heyde ſey durch die Worte: Dein Schoͤpfer hat fuͤr dich gelidten, geruͤh- ret: aus ſolcher Ruͤhrung wird er von ſich ſelbs, und wann man ihm nichts weiters ſagt, nicht alles herleiten, was ihm noͤthig iſt. Be-
ſehen
H 4
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><divn="4"><pbfacs="#f0139"n="119"/><fwplace="top"type="header"><hirendition="#fr">Vom Blut und Wunden.</hi></fw><lb/><divn="5"><head>§ 118.</head><lb/><p>Man ſoll den Sohn mit nichten uͤberhuͤ-<lb/>
pfen, aber auch den Vater nicht. Das leztere<lb/>
iſt vor dem erſtern eine neue und folglich eine<lb/>
groſſe Luſt fuͤr den Teufel, mit dem der <hirendition="#aq">Ordi-<lb/>
narius</hi>ſo heftig um ſich wirft. Chriſto zu ge-<lb/>
fallen, glauben wir an den Vater: und an<lb/>
Chriſtum glauben wir, eben ſo wol dem Va-<lb/>
ter zu gefallen. Thaͤte es dem <hirendition="#aq">Ordinario</hi> we-<lb/>
he, wann man ſagte, er ſey dem himmliſchen<lb/>
Vater gram, weil er dem Sohn alles zu-<lb/>ſchreibe: ſo muß es auch denen wehe thun, die<lb/>
er bezuͤchtiget, ſie ſeyen dem Heiland gram,<lb/>
indem ſie, ohne die ihnen beygemeſſene Aus-<lb/>ſchlieſſung des Sohnes, auch vom Vater re-<lb/>
den. Er machet ja denen, die beedes vom<lb/>
Vater und vom Sohn reden, nichts beſon-<lb/>
ders, und nimmt ſie nirgend von ſeinem Schel-<lb/>
ten aus. Indem er von dem Leiden des ge-<lb/>
dultigen Lammes prediget, uͤberlaͤſſet er ſich an<lb/>
denen vorangezogenen Stellen einem ſtarken<lb/>
und unlautern Zorn wider diejenige, die bey<lb/>
dem Leiden Chriſti auch an die Liebe des Va-<lb/>
ters gedenken.</p></div><lb/><divn="5"><head>§ 119.</head><lb/><p>Geſetzt, ein Heyde ſey durch die Worte:<lb/><hirendition="#fr">Dein Schoͤpfer hat fuͤr dich gelidten,</hi> geruͤh-<lb/>
ret: aus ſolcher Ruͤhrung wird er von ſich<lb/>ſelbs, und wann man ihm nichts weiters ſagt,<lb/>
nicht alles herleiten, was ihm noͤthig iſt. Be-<lb/><fwplace="bottom"type="sig">H 4</fw><fwplace="bottom"type="catch">ſehen</fw><lb/></p></div></div></div></div></body></text></TEI>
[119/0139]
Vom Blut und Wunden.
§ 118.
Man ſoll den Sohn mit nichten uͤberhuͤ-
pfen, aber auch den Vater nicht. Das leztere
iſt vor dem erſtern eine neue und folglich eine
groſſe Luſt fuͤr den Teufel, mit dem der Ordi-
narius ſo heftig um ſich wirft. Chriſto zu ge-
fallen, glauben wir an den Vater: und an
Chriſtum glauben wir, eben ſo wol dem Va-
ter zu gefallen. Thaͤte es dem Ordinario we-
he, wann man ſagte, er ſey dem himmliſchen
Vater gram, weil er dem Sohn alles zu-
ſchreibe: ſo muß es auch denen wehe thun, die
er bezuͤchtiget, ſie ſeyen dem Heiland gram,
indem ſie, ohne die ihnen beygemeſſene Aus-
ſchlieſſung des Sohnes, auch vom Vater re-
den. Er machet ja denen, die beedes vom
Vater und vom Sohn reden, nichts beſon-
ders, und nimmt ſie nirgend von ſeinem Schel-
ten aus. Indem er von dem Leiden des ge-
dultigen Lammes prediget, uͤberlaͤſſet er ſich an
denen vorangezogenen Stellen einem ſtarken
und unlautern Zorn wider diejenige, die bey
dem Leiden Chriſti auch an die Liebe des Va-
ters gedenken.
§ 119.
Geſetzt, ein Heyde ſey durch die Worte:
Dein Schoͤpfer hat fuͤr dich gelidten, geruͤh-
ret: aus ſolcher Ruͤhrung wird er von ſich
ſelbs, und wann man ihm nichts weiters ſagt,
nicht alles herleiten, was ihm noͤthig iſt. Be-
ſehen
H 4
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Bengel, Johann Albrecht: Abriß der so genannten Brüdergemeine. Bd. 1. Stuttgart, 1751, S. 119. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bengel_abriss01_1751/139>, abgerufen am 16.07.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.