B. Die Erfindung und Einführung des Thomasprozesses. 1878 bis 1883.
Einen so grossartigen Aufschwung die Bessemerstahlfabrikation in den siebziger Jahren aber auch genommen hatte, so hing doch wie ein hemmendes Schwergewicht an ihrer Entwickelung der Umstand, dass nur reine, phosphorfreie Erze zur Erzeugung des Bessemerroh- eisens verwendet werden konnten. Phosphorfreie Eisenerze sind aber seltener und teurer als phosphorhaltige. Letztere bilden nach G. Thomas mehr als neun Zehntel aller europäischen Eisenerze. In manchen Ländern kommen erstere gar nicht oder nur in geringen Mengen vor. Diese mussten die Erze oder das Roheisen für den Bessemerprozess oft von weither beziehen, was den pneumatischen Prozess verteuerte und beschränkte. Die Frage der Entphosphorung des Eisens stand deshalb im Mittelpunkte des Interesses aller Eisen- hüttenleute. Ihre Wichtigkeit drängte sich von Jahr zu Jahr mehr auf. Konnte dieses Problem in einfacher Weise gelöst werden, so stand dem Siegeslauf des Flusseisens keine Schranke mehr im Wege. Kein Wunder, dass deshalb zahllose Versuche gemacht wurden, dieses Ziel zu erreichen. Diejenigen, welche bezweckten, die Abscheidung des Phosphors im Konverter selbst zu bewirken, hatten bis dahin den geringsten Erfolg gehabt. Man versuchte, diese deshalb schon bei den vorausgehenden Prozessen zu bewirken, teils durch eine entsprechende Behandlung der Erze, teils durch Zuschläge im Hochofen, teils, und damit hatte man bis jetzt noch die besten Erfolge erzielt, durch einen vorbereitenden Schmelzprozess zur Reinigung des Roheisens vor dem Verblasen. Wir haben diese verschiedenen Vorbehandlungen zum Zwecke der Entphos- phorung bereits geschildert.
Billiger und zweckmässiger musste es sein, die Entphosphorung in dem Konverter in Verbindung mit der Entkohlung zu bewirken, auch war der Weg zu diesem Ziel bestimmt genug vorgeschrieben: Ersatz des kieselsauren Futters durch ein basisches. Ein reines Kalkfutter liess eine weitgehende Entphosphorung erhoffen. Aber darin lag eben die grosse Schwierigkeit. Die basischen Stoffe, die hierfür geeignet schienen, waren für sich unschmelzbar, sie hafteten in der Hitze nicht zusammen, zerfielen und lieferten kein haltbares Futter. Alle Versuche, an denen sich erfahrene, hervorragende
Die Erfindung und Einführung des Thomasprozesses.
B. Die Erfindung und Einführung des Thomasprozesses. 1878 bis 1883.
Einen so groſsartigen Aufschwung die Bessemerstahlfabrikation in den siebziger Jahren aber auch genommen hatte, so hing doch wie ein hemmendes Schwergewicht an ihrer Entwickelung der Umstand, daſs nur reine, phosphorfreie Erze zur Erzeugung des Bessemerroh- eisens verwendet werden konnten. Phosphorfreie Eisenerze sind aber seltener und teurer als phosphorhaltige. Letztere bilden nach G. Thomas mehr als neun Zehntel aller europäischen Eisenerze. In manchen Ländern kommen erstere gar nicht oder nur in geringen Mengen vor. Diese muſsten die Erze oder das Roheisen für den Bessemerprozeſs oft von weither beziehen, was den pneumatischen Prozeſs verteuerte und beschränkte. Die Frage der Entphosphorung des Eisens stand deshalb im Mittelpunkte des Interesses aller Eisen- hüttenleute. Ihre Wichtigkeit drängte sich von Jahr zu Jahr mehr auf. Konnte dieses Problem in einfacher Weise gelöst werden, so stand dem Siegeslauf des Fluſseisens keine Schranke mehr im Wege. Kein Wunder, daſs deshalb zahllose Versuche gemacht wurden, dieses Ziel zu erreichen. Diejenigen, welche bezweckten, die Abscheidung des Phosphors im Konverter selbst zu bewirken, hatten bis dahin den geringsten Erfolg gehabt. Man versuchte, diese deshalb schon bei den vorausgehenden Prozessen zu bewirken, teils durch eine entsprechende Behandlung der Erze, teils durch Zuschläge im Hochofen, teils, und damit hatte man bis jetzt noch die besten Erfolge erzielt, durch einen vorbereitenden Schmelzprozeſs zur Reinigung des Roheisens vor dem Verblasen. Wir haben diese verschiedenen Vorbehandlungen zum Zwecke der Entphos- phorung bereits geschildert.
Billiger und zweckmäſsiger muſste es sein, die Entphosphorung in dem Konverter in Verbindung mit der Entkohlung zu bewirken, auch war der Weg zu diesem Ziel bestimmt genug vorgeschrieben: Ersatz des kieselsauren Futters durch ein basisches. Ein reines Kalkfutter lieſs eine weitgehende Entphosphorung erhoffen. Aber darin lag eben die groſse Schwierigkeit. Die basischen Stoffe, die hierfür geeignet schienen, waren für sich unschmelzbar, sie hafteten in der Hitze nicht zusammen, zerfielen und lieferten kein haltbares Futter. Alle Versuche, an denen sich erfahrene, hervorragende
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Die Erfindung und Einführung des Thomasprozesses.
B. Die Erfindung und Einführung des Thomasprozesses.
1878 bis 1883.
Einen so groſsartigen Aufschwung die Bessemerstahlfabrikation
in den siebziger Jahren aber auch genommen hatte, so hing doch wie
ein hemmendes Schwergewicht an ihrer Entwickelung der Umstand,
daſs nur reine, phosphorfreie Erze zur Erzeugung des Bessemerroh-
eisens verwendet werden konnten. Phosphorfreie Eisenerze sind aber
seltener und teurer als phosphorhaltige. Letztere bilden nach
G. Thomas mehr als neun Zehntel aller europäischen Eisenerze. In
manchen Ländern kommen erstere gar nicht oder nur in geringen
Mengen vor. Diese muſsten die Erze oder das Roheisen für
den Bessemerprozeſs oft von weither beziehen, was den pneumatischen
Prozeſs verteuerte und beschränkte. Die Frage der Entphosphorung
des Eisens stand deshalb im Mittelpunkte des Interesses aller Eisen-
hüttenleute. Ihre Wichtigkeit drängte sich von Jahr zu Jahr mehr auf.
Konnte dieses Problem in einfacher Weise gelöst werden, so stand dem
Siegeslauf des Fluſseisens keine Schranke mehr im Wege. Kein Wunder,
daſs deshalb zahllose Versuche gemacht wurden, dieses Ziel zu erreichen.
Diejenigen, welche bezweckten, die Abscheidung des Phosphors im
Konverter selbst zu bewirken, hatten bis dahin den geringsten Erfolg
gehabt. Man versuchte, diese deshalb schon bei den vorausgehenden
Prozessen zu bewirken, teils durch eine entsprechende Behandlung der
Erze, teils durch Zuschläge im Hochofen, teils, und damit hatte man
bis jetzt noch die besten Erfolge erzielt, durch einen vorbereitenden
Schmelzprozeſs zur Reinigung des Roheisens vor dem Verblasen. Wir
haben diese verschiedenen Vorbehandlungen zum Zwecke der Entphos-
phorung bereits geschildert.
Billiger und zweckmäſsiger muſste es sein, die Entphosphorung
in dem Konverter in Verbindung mit der Entkohlung zu bewirken,
auch war der Weg zu diesem Ziel bestimmt genug vorgeschrieben:
Ersatz des kieselsauren Futters durch ein basisches. Ein reines
Kalkfutter lieſs eine weitgehende Entphosphorung erhoffen. Aber
darin lag eben die groſse Schwierigkeit. Die basischen Stoffe, die
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Beck, Ludwig: Die Geschichte des Eisens. Bd. 5: Das XIX. Jahrhundert von 1860 bis zum Schluss. Braunschweig, 1903, S. 634. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/beck_eisen05_1903/650>, abgerufen am 17.11.2024.
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