Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Beck, Ludwig: Die Geschichte des Eisens. Bd. 4: Das XIX. Jahrhundert von 1801 bis 1860. Braunschweig, 1899.

Bild:
<< vorherige Seite
Verbrennung und Windzuführung 1801 bis 1815.

Die Öfen, sowohl zum Kalk- und Ziegel-, als auch zum Stahl-
brennen, stellte Aubertot auf die Gicht unmittelbar neben die Gicht-
öffnung. Die Flamme trat durch eine quadratische Öffnung, welche
durch einen Schieber abgestellt werden konnte, in den Ofen, der oben
mit einer Esse versehen war, ein, wodurch derselbe bald in helle Glut
geriet. Doch kam es dabei sehr auf die richtige Regulierung der
Öffnung an, damit nicht zu viel kalte Luft mit eintrat. Berthier
erkannte deutlich, dass die grosse Wärmeentwickelung der Hochofen-
gase grösstenteils auf der Verbrennung derselben beruhte und nur
zum kleineren Teil auf ihrer gebundenen Wärme. Zum Beweis hier-
für führte er einen Versuch Gurandous an, der einen Flammofen
mit Hochofengasen erhitzt hatte. Trotzdem fand diese wichtige Ent-
deckung damals nur wenig Beachtung.

Verbrennung und Windzuführung
1801 bis 1815.

Die Bedeutung der Windzuführung, die Wichtigkeit der Gebläse-
maschinen
begann man zu Anfang des 19. Jahrhunderts in vollem
Umfange zu würdigen. Das theoretische Verständnis des Verbren-
nungsvorganges im Hochofen machte gerade in diesen ersten 15 Jahren
des Jahrhunderts grosse Fortschritte. Lavoisiers Entdeckung des
Sauerstoffes, der Oxydation und Reduktion hatten den Schlüssel
dafür gegeben. Es ist erstaunlich, wie rasch man damit in das
innerste Wesen der Schmelzvorgänge eindrang. Hassenfratz warf
die Frage auf, wieviel Wind ist nötig, um 100 Pfd. Eisen zu schmel-
zen, und löste sie in der folgenden geistvollen Weise 1):

Nach der gemeinschaftlichen Untersuchung von Lavoisier und
Laplace verbinden sich 100 Tle. Kohlenstoff bei 0° mit 261 Tln.
Sauerstoff zu 361 Tln. Kohlensäure, wobei sie eine Wärmemenge er-
zeugen, um 9937 Tle. Eis von 0° zu schmelzen, oder das gleiche
Quantum Wasser von 0 auf 60° zu erwärmen. Um die Windmenge
zu bestimmen, welche der Brennstoff erfordert, um 100 Tle. Roheisen
im Hochofen zu schmelzen, ist zunächst zu erwägen, dass die atmo-
sphärische Luft aus Stickstoff, Sauerstoff und Kohlensäure besteht und
zwar nach der Untersuchung von Humboldt und Gay-Lussac im
Verhältnis von 78:21:1, ohne Berücksichtigung der Feuchtigkeit.


1) Siderotechnie, T. II, p. 43.
Verbrennung und Windzuführung 1801 bis 1815.

Die Öfen, sowohl zum Kalk- und Ziegel-, als auch zum Stahl-
brennen, stellte Aubertot auf die Gicht unmittelbar neben die Gicht-
öffnung. Die Flamme trat durch eine quadratische Öffnung, welche
durch einen Schieber abgestellt werden konnte, in den Ofen, der oben
mit einer Esse versehen war, ein, wodurch derselbe bald in helle Glut
geriet. Doch kam es dabei sehr auf die richtige Regulierung der
Öffnung an, damit nicht zu viel kalte Luft mit eintrat. Berthier
erkannte deutlich, daſs die groſse Wärmeentwickelung der Hochofen-
gase gröſstenteils auf der Verbrennung derselben beruhte und nur
zum kleineren Teil auf ihrer gebundenen Wärme. Zum Beweis hier-
für führte er einen Versuch Gurandous an, der einen Flammofen
mit Hochofengasen erhitzt hatte. Trotzdem fand diese wichtige Ent-
deckung damals nur wenig Beachtung.

Verbrennung und Windzuführung
1801 bis 1815.

Die Bedeutung der Windzuführung, die Wichtigkeit der Gebläse-
maschinen
begann man zu Anfang des 19. Jahrhunderts in vollem
Umfange zu würdigen. Das theoretische Verständnis des Verbren-
nungsvorganges im Hochofen machte gerade in diesen ersten 15 Jahren
des Jahrhunderts groſse Fortschritte. Lavoisiers Entdeckung des
Sauerstoffes, der Oxydation und Reduktion hatten den Schlüssel
dafür gegeben. Es ist erstaunlich, wie rasch man damit in das
innerste Wesen der Schmelzvorgänge eindrang. Hassenfratz warf
die Frage auf, wieviel Wind ist nötig, um 100 Pfd. Eisen zu schmel-
zen, und löste sie in der folgenden geistvollen Weise 1):

Nach der gemeinschaftlichen Untersuchung von Lavoisier und
Laplace verbinden sich 100 Tle. Kohlenstoff bei 0° mit 261 Tln.
Sauerstoff zu 361 Tln. Kohlensäure, wobei sie eine Wärmemenge er-
zeugen, um 9937 Tle. Eis von 0° zu schmelzen, oder das gleiche
Quantum Wasser von 0 auf 60° zu erwärmen. Um die Windmenge
zu bestimmen, welche der Brennstoff erfordert, um 100 Tle. Roheisen
im Hochofen zu schmelzen, ist zunächst zu erwägen, daſs die atmo-
sphärische Luft aus Stickstoff, Sauerstoff und Kohlensäure besteht und
zwar nach der Untersuchung von Humboldt und Gay-Lussac im
Verhältnis von 78:21:1, ohne Berücksichtigung der Feuchtigkeit.


1) Sidérotechnie, T. II, p. 43.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <div n="4">
              <pb facs="#f0078" n="62"/>
              <fw place="top" type="header">Verbrennung und Windzuführung 1801 bis 1815.</fw><lb/>
              <p>Die Öfen, sowohl zum Kalk- und Ziegel-, als auch zum Stahl-<lb/>
brennen, stellte <hi rendition="#g">Aubertot</hi> auf die Gicht unmittelbar neben die Gicht-<lb/>
öffnung. Die Flamme trat durch eine quadratische Öffnung, welche<lb/>
durch einen Schieber abgestellt werden konnte, in den Ofen, der oben<lb/>
mit einer Esse versehen war, ein, wodurch derselbe bald in helle Glut<lb/>
geriet. Doch kam es dabei sehr auf die richtige Regulierung der<lb/>
Öffnung an, damit nicht zu viel kalte Luft mit eintrat. <hi rendition="#g">Berthier</hi><lb/>
erkannte deutlich, da&#x017F;s die gro&#x017F;se Wärmeentwickelung der Hochofen-<lb/>
gase grö&#x017F;stenteils auf der Verbrennung derselben beruhte und nur<lb/>
zum kleineren Teil auf ihrer gebundenen Wärme. Zum Beweis hier-<lb/>
für führte er einen Versuch <hi rendition="#g">Gurandous</hi> an, der einen Flammofen<lb/>
mit Hochofengasen erhitzt hatte. Trotzdem fand diese wichtige Ent-<lb/>
deckung damals nur wenig Beachtung.</p>
            </div><lb/>
            <div n="4">
              <head><hi rendition="#b">Verbrennung und Windzuführung</hi><lb/>
1801 bis 1815.</head><lb/>
              <p>Die Bedeutung der Windzuführung, die Wichtigkeit der <hi rendition="#g">Gebläse-<lb/>
maschinen</hi> begann man zu Anfang des 19. Jahrhunderts in vollem<lb/>
Umfange zu würdigen. Das theoretische Verständnis des Verbren-<lb/>
nungsvorganges im Hochofen machte gerade in diesen ersten 15 Jahren<lb/>
des Jahrhunderts gro&#x017F;se Fortschritte. <hi rendition="#g">Lavoisiers</hi> Entdeckung des<lb/>
Sauerstoffes, der Oxydation und Reduktion hatten den Schlüssel<lb/>
dafür gegeben. Es ist erstaunlich, wie rasch man damit in das<lb/>
innerste Wesen der Schmelzvorgänge eindrang. <hi rendition="#g">Hassenfratz</hi> warf<lb/>
die Frage auf, wieviel Wind ist nötig, um 100 Pfd. Eisen zu schmel-<lb/>
zen, und löste sie in der folgenden geistvollen Weise <note place="foot" n="1)">Sidérotechnie, T. II, p. 43.</note>:</p><lb/>
              <p>Nach der gemeinschaftlichen Untersuchung von <hi rendition="#g">Lavoisier</hi> und<lb/><hi rendition="#g">Laplace</hi> verbinden sich 100 Tle. Kohlenstoff bei 0° mit 261 Tln.<lb/>
Sauerstoff zu 361 Tln. Kohlensäure, wobei sie eine Wärmemenge er-<lb/>
zeugen, um 9937 Tle. Eis von 0° zu schmelzen, oder das gleiche<lb/>
Quantum Wasser von 0 auf 60° zu erwärmen. Um die Windmenge<lb/>
zu bestimmen, welche der Brennstoff erfordert, um 100 Tle. Roheisen<lb/>
im Hochofen zu schmelzen, ist zunächst zu erwägen, da&#x017F;s die atmo-<lb/>
sphärische Luft aus Stickstoff, Sauerstoff und Kohlensäure besteht und<lb/>
zwar nach der Untersuchung von <hi rendition="#g">Humboldt</hi> und <hi rendition="#g">Gay-Lussac</hi> im<lb/>
Verhältnis von 78:21:1, ohne Berücksichtigung der Feuchtigkeit.</p><lb/>
            </div>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[62/0078] Verbrennung und Windzuführung 1801 bis 1815. Die Öfen, sowohl zum Kalk- und Ziegel-, als auch zum Stahl- brennen, stellte Aubertot auf die Gicht unmittelbar neben die Gicht- öffnung. Die Flamme trat durch eine quadratische Öffnung, welche durch einen Schieber abgestellt werden konnte, in den Ofen, der oben mit einer Esse versehen war, ein, wodurch derselbe bald in helle Glut geriet. Doch kam es dabei sehr auf die richtige Regulierung der Öffnung an, damit nicht zu viel kalte Luft mit eintrat. Berthier erkannte deutlich, daſs die groſse Wärmeentwickelung der Hochofen- gase gröſstenteils auf der Verbrennung derselben beruhte und nur zum kleineren Teil auf ihrer gebundenen Wärme. Zum Beweis hier- für führte er einen Versuch Gurandous an, der einen Flammofen mit Hochofengasen erhitzt hatte. Trotzdem fand diese wichtige Ent- deckung damals nur wenig Beachtung. Verbrennung und Windzuführung 1801 bis 1815. Die Bedeutung der Windzuführung, die Wichtigkeit der Gebläse- maschinen begann man zu Anfang des 19. Jahrhunderts in vollem Umfange zu würdigen. Das theoretische Verständnis des Verbren- nungsvorganges im Hochofen machte gerade in diesen ersten 15 Jahren des Jahrhunderts groſse Fortschritte. Lavoisiers Entdeckung des Sauerstoffes, der Oxydation und Reduktion hatten den Schlüssel dafür gegeben. Es ist erstaunlich, wie rasch man damit in das innerste Wesen der Schmelzvorgänge eindrang. Hassenfratz warf die Frage auf, wieviel Wind ist nötig, um 100 Pfd. Eisen zu schmel- zen, und löste sie in der folgenden geistvollen Weise 1): Nach der gemeinschaftlichen Untersuchung von Lavoisier und Laplace verbinden sich 100 Tle. Kohlenstoff bei 0° mit 261 Tln. Sauerstoff zu 361 Tln. Kohlensäure, wobei sie eine Wärmemenge er- zeugen, um 9937 Tle. Eis von 0° zu schmelzen, oder das gleiche Quantum Wasser von 0 auf 60° zu erwärmen. Um die Windmenge zu bestimmen, welche der Brennstoff erfordert, um 100 Tle. Roheisen im Hochofen zu schmelzen, ist zunächst zu erwägen, daſs die atmo- sphärische Luft aus Stickstoff, Sauerstoff und Kohlensäure besteht und zwar nach der Untersuchung von Humboldt und Gay-Lussac im Verhältnis von 78:21:1, ohne Berücksichtigung der Feuchtigkeit. 1) Sidérotechnie, T. II, p. 43.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/beck_eisen04_1899
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/beck_eisen04_1899/78
Zitationshilfe: Beck, Ludwig: Die Geschichte des Eisens. Bd. 4: Das XIX. Jahrhundert von 1801 bis 1860. Braunschweig, 1899, S. 62. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/beck_eisen04_1899/78>, abgerufen am 17.11.2024.