Die Eisenindustrie der österreichischen Alpenländer behauptete im 18. Jahrhundert ihren alten Ruhm. Steiermark und Kärnten galten unbedingt für die klassische Heimat der Eisenbereitung in Mitteleuropa. Ihr Stahl wurde überall hin verführt und war aner- kannt als der beste Schmelzstahl.
Auf technischem Gebiete vollzog sich in diesen Ländern im 18. Jahrhundert eine durchgreifende Reform, indem man den Stück- ofenbetrieb aufgab und zum Hochofen- oder Flossofenbetrieb über- ging. In Kärnten hatte man schon im 16. Jahrhundert damit einen Anfang gemacht.
In Steiermark wurde um 1650 der erste Flossofen zu Turrach erbaut, mit dem man aber anfangs nicht viel Glück hatte. Er stand um 1719 im Betrieb, wie aus Reaumurs Mitteilungen hervorgeht. Am Erzberg selbst dagegen hatte man mit Zähigkeit an dem alten Stückofenbetriebe festgehalten und jede Neuerung im fortschritt- lichen Sinne abgewiesen. Radmeister und Plahmeister waren sich darin einig, indem sie der festen Überzeugung waren, die Güte des stei- rischen Eisens müsste unter verändertem Betriebe notleiden. Zu diesem Festhalten an dem Alten und Widerstreben gegen Neuerungen trug die schwerfällige Leitung der Innerberger Hauptgewerkschaft durch das Oberkammergrafenamt in Wien viel bei. Auch bestand die "Widmung" (s. Bd. II, S. 636) fort, welche jedem Ofen sein Produk- tionsquantum vorschrieb und jeden selbständigen Fortschritt hin- derte. Die Unzufriedenheit der Gewerke mit der ihnen aufge- zwungenen staatlichen Verwaltung, welche nur im fiskalischen Interesse geführt wurde, war eine andauernde, fand aber erst unter Joseph II., der seine freisinnigen Reformbestrebungen auf alle Zweige der Staatsverwaltung ausdehnte, Beachtung. 1781 hob Joseph II. die Widmung, nachdem sie 211 Jahre bestanden hatte, auf und im fol- genden Jahr, auf eine Vorstellung der Gewerke hin, auch die kost- spielige Administration des Obergrafenamtes, und gab 1783 der Haupt- gewerkschaft das Recht der eigenen Verwaltung 1). Um dieser weisen Entschliessung in der Ausführung noch mehr Nachdruck zu verleihen,
1) S. v. Pantz und Atzl, Versuch einer Beschreibung der vorz. Berg- und Hüttenwerke des Herzogtums Steiermark. Wied 1814. S. 9. -- Tunners Jahr- buch, III. bis VI. Jahrgang, S. 217.
Österreich.
Österreich.
Die Eisenindustrie der österreichischen Alpenländer behauptete im 18. Jahrhundert ihren alten Ruhm. Steiermark und Kärnten galten unbedingt für die klassische Heimat der Eisenbereitung in Mitteleuropa. Ihr Stahl wurde überall hin verführt und war aner- kannt als der beste Schmelzstahl.
Auf technischem Gebiete vollzog sich in diesen Ländern im 18. Jahrhundert eine durchgreifende Reform, indem man den Stück- ofenbetrieb aufgab und zum Hochofen- oder Floſsofenbetrieb über- ging. In Kärnten hatte man schon im 16. Jahrhundert damit einen Anfang gemacht.
In Steiermark wurde um 1650 der erste Floſsofen zu Turrach erbaut, mit dem man aber anfangs nicht viel Glück hatte. Er stand um 1719 im Betrieb, wie aus Reaumurs Mitteilungen hervorgeht. Am Erzberg selbst dagegen hatte man mit Zähigkeit an dem alten Stückofenbetriebe festgehalten und jede Neuerung im fortschritt- lichen Sinne abgewiesen. Radmeister und Plahmeister waren sich darin einig, indem sie der festen Überzeugung waren, die Güte des stei- rischen Eisens müſste unter verändertem Betriebe notleiden. Zu diesem Festhalten an dem Alten und Widerstreben gegen Neuerungen trug die schwerfällige Leitung der Innerberger Hauptgewerkschaft durch das Oberkammergrafenamt in Wien viel bei. Auch bestand die „Widmung“ (s. Bd. II, S. 636) fort, welche jedem Ofen sein Produk- tionsquantum vorschrieb und jeden selbständigen Fortschritt hin- derte. Die Unzufriedenheit der Gewerke mit der ihnen aufge- zwungenen staatlichen Verwaltung, welche nur im fiskalischen Interesse geführt wurde, war eine andauernde, fand aber erst unter Joseph II., der seine freisinnigen Reformbestrebungen auf alle Zweige der Staatsverwaltung ausdehnte, Beachtung. 1781 hob Joseph II. die Widmung, nachdem sie 211 Jahre bestanden hatte, auf und im fol- genden Jahr, auf eine Vorstellung der Gewerke hin, auch die kost- spielige Administration des Obergrafenamtes, und gab 1783 der Haupt- gewerkschaft das Recht der eigenen Verwaltung 1). Um dieser weisen Entschlieſsung in der Ausführung noch mehr Nachdruck zu verleihen,
1) S. v. Pantz und Atzl, Versuch einer Beschreibung der vorz. Berg- und Hüttenwerke des Herzogtums Steiermark. Wied 1814. S. 9. — Tunners Jahr- buch, III. bis VI. Jahrgang, S. 217.
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><divn="3"><pbfacs="#f0803"n="789"/><fwplace="top"type="header">Österreich.</fw><lb/><divn="4"><head><hirendition="#b"><hirendition="#g">Österreich</hi>.</hi></head><lb/><p>Die Eisenindustrie der österreichischen Alpenländer behauptete<lb/>
im 18. Jahrhundert ihren alten Ruhm. <hirendition="#g">Steiermark</hi> und <hirendition="#g">Kärnten</hi><lb/>
galten unbedingt für die klassische Heimat der Eisenbereitung in<lb/>
Mitteleuropa. Ihr Stahl wurde überall hin verführt und war aner-<lb/>
kannt als der beste Schmelzstahl.</p><lb/><p>Auf technischem Gebiete vollzog sich in diesen Ländern im<lb/>
18. Jahrhundert eine durchgreifende Reform, indem man den Stück-<lb/>
ofenbetrieb aufgab und zum Hochofen- oder Floſsofenbetrieb über-<lb/>
ging. In Kärnten hatte man schon im 16. Jahrhundert damit einen<lb/>
Anfang gemacht.</p><lb/><p>In <hirendition="#g">Steiermark</hi> wurde um 1650 der erste Floſsofen zu Turrach<lb/>
erbaut, mit dem man aber anfangs nicht viel Glück hatte. Er stand<lb/>
um 1719 im Betrieb, wie aus <hirendition="#g">Reaumurs</hi> Mitteilungen hervorgeht.<lb/>
Am Erzberg selbst dagegen hatte man mit Zähigkeit an dem alten<lb/>
Stückofenbetriebe festgehalten und jede Neuerung im fortschritt-<lb/>
lichen Sinne abgewiesen. Radmeister und Plahmeister waren sich darin<lb/>
einig, indem sie der festen Überzeugung waren, die Güte des stei-<lb/>
rischen Eisens müſste unter verändertem Betriebe notleiden. Zu diesem<lb/>
Festhalten an dem Alten und Widerstreben gegen Neuerungen trug die<lb/>
schwerfällige Leitung der <hirendition="#g">Innerberger Hauptgewerkschaft</hi> durch<lb/>
das Oberkammergrafenamt in Wien viel bei. Auch bestand die<lb/>„Widmung“ (s. Bd. II, S. 636) fort, welche jedem Ofen sein Produk-<lb/>
tionsquantum vorschrieb und jeden selbständigen Fortschritt hin-<lb/>
derte. Die Unzufriedenheit der Gewerke mit der ihnen aufge-<lb/>
zwungenen staatlichen Verwaltung, welche nur im fiskalischen<lb/>
Interesse geführt wurde, war eine andauernde, fand aber erst unter<lb/>
Joseph II., der seine freisinnigen Reformbestrebungen auf alle Zweige<lb/>
der Staatsverwaltung ausdehnte, Beachtung. 1781 hob Joseph II. die<lb/>
Widmung, nachdem sie 211 Jahre bestanden hatte, auf und im fol-<lb/>
genden Jahr, auf eine Vorstellung der Gewerke hin, auch die kost-<lb/>
spielige Administration des Obergrafenamtes, und gab 1783 der Haupt-<lb/>
gewerkschaft das Recht der eigenen Verwaltung <noteplace="foot"n="1)">S. v. <hirendition="#g">Pantz</hi> und <hirendition="#g">Atzl</hi>, Versuch einer Beschreibung der vorz. Berg- und<lb/>
Hüttenwerke des Herzogtums Steiermark. Wied 1814. S. 9. — Tunners Jahr-<lb/>
buch, III. bis VI. Jahrgang, S. 217.</note>. Um dieser weisen<lb/>
Entschlieſsung in der Ausführung noch mehr Nachdruck zu verleihen,<lb/></p></div></div></div></div></body></text></TEI>
[789/0803]
Österreich.
Österreich.
Die Eisenindustrie der österreichischen Alpenländer behauptete
im 18. Jahrhundert ihren alten Ruhm. Steiermark und Kärnten
galten unbedingt für die klassische Heimat der Eisenbereitung in
Mitteleuropa. Ihr Stahl wurde überall hin verführt und war aner-
kannt als der beste Schmelzstahl.
Auf technischem Gebiete vollzog sich in diesen Ländern im
18. Jahrhundert eine durchgreifende Reform, indem man den Stück-
ofenbetrieb aufgab und zum Hochofen- oder Floſsofenbetrieb über-
ging. In Kärnten hatte man schon im 16. Jahrhundert damit einen
Anfang gemacht.
In Steiermark wurde um 1650 der erste Floſsofen zu Turrach
erbaut, mit dem man aber anfangs nicht viel Glück hatte. Er stand
um 1719 im Betrieb, wie aus Reaumurs Mitteilungen hervorgeht.
Am Erzberg selbst dagegen hatte man mit Zähigkeit an dem alten
Stückofenbetriebe festgehalten und jede Neuerung im fortschritt-
lichen Sinne abgewiesen. Radmeister und Plahmeister waren sich darin
einig, indem sie der festen Überzeugung waren, die Güte des stei-
rischen Eisens müſste unter verändertem Betriebe notleiden. Zu diesem
Festhalten an dem Alten und Widerstreben gegen Neuerungen trug die
schwerfällige Leitung der Innerberger Hauptgewerkschaft durch
das Oberkammergrafenamt in Wien viel bei. Auch bestand die
„Widmung“ (s. Bd. II, S. 636) fort, welche jedem Ofen sein Produk-
tionsquantum vorschrieb und jeden selbständigen Fortschritt hin-
derte. Die Unzufriedenheit der Gewerke mit der ihnen aufge-
zwungenen staatlichen Verwaltung, welche nur im fiskalischen
Interesse geführt wurde, war eine andauernde, fand aber erst unter
Joseph II., der seine freisinnigen Reformbestrebungen auf alle Zweige
der Staatsverwaltung ausdehnte, Beachtung. 1781 hob Joseph II. die
Widmung, nachdem sie 211 Jahre bestanden hatte, auf und im fol-
genden Jahr, auf eine Vorstellung der Gewerke hin, auch die kost-
spielige Administration des Obergrafenamtes, und gab 1783 der Haupt-
gewerkschaft das Recht der eigenen Verwaltung 1). Um dieser weisen
Entschlieſsung in der Ausführung noch mehr Nachdruck zu verleihen,
1) S. v. Pantz und Atzl, Versuch einer Beschreibung der vorz. Berg- und
Hüttenwerke des Herzogtums Steiermark. Wied 1814. S. 9. — Tunners Jahr-
buch, III. bis VI. Jahrgang, S. 217.
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Beck, Ludwig: Die Geschichte des Eisens. Bd. 3: Das XVIII. Jahrhundert. Braunschweig, 1897, S. 789. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/beck_eisen03_1897/803>, abgerufen am 21.12.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.