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Beck, Ludwig: Die Geschichte des Eisens. Bd. 3: Das XVIII. Jahrhundert. Braunschweig, 1897.

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DIE EISEN-INDUSTRIE
UM DIE
MITTE DES ACHTZEHNTEN JAHRHUNDERTS

(1740--1770).



Die Erfindung des Gussstahls.

Vor der Mitte des 18. Jahrhunderts wurde in England eine Er-
findung gemacht, welche von der allergrössten Wichtigkeit nicht nur
für England, sondern für die gesamte Eisenindustrie werden sollte.
Es war dies die Erfindung des Tiegelgussstahls durch Benjamin
Huntsman
.

Wenn Goethes Wort, dass eine Erfindung der Abschluss von
etwas Gesuchtem sei, in den meisten Fällen, wie wir im Verlauf
unserer Geschichte nachweisen konnten, seine Berechtigung hat, so
giebt es doch auch Fälle, in denen eine Erfindung unvorbereitet in
die Erscheinung tritt, und das war gerade bei der Stahlfabrikation
der Fall: die beiden wichtigsten Erfindungen, welche die Grundlage
der Flussstahlfabrikation geworden sind, die Erfindung des Tiegel-
stahls durch Huntsman und die des Bessemerstahls sind wie plötz-
liche Erleuchtungen in die Welt gekommen.

Die Erfindung des Gussstahls erscheint nachträglich als eine sehr
einfache Sache, ein wahres Ei des Kolumbus. Aber die Idee, Stahl
durch Schmelzung zu reinigen, musste erst einmal in irgend einem
Kopf auftauchen, und dann musste sie mit der Vorsicht und Umsicht
ausgeführt und praktisch verwertbar gemacht werden, wie es durch
Huntsman geschehen ist. Es ist charakteristisch, dass dieses ein-
fache metallurgische Verfahren nicht von einem Mann vom Fach,
sondern von einem Uhrmacher gemacht wurde. Ein Fachmann jener
Zeit, in seiner zünftigen Beschränktheit, würde die Idee Huntsmans
wahrscheinlich von vornherein verworfen haben, da für ihn Stahl ein
unschmelzbarer Stoff und jedes geschmolzene Eisen Gusseisen war.


DIE EISEN-INDUSTRIE
UM DIE
MITTE DES ACHTZEHNTEN JAHRHUNDERTS

(1740—1770).



Die Erfindung des Guſsstahls.

Vor der Mitte des 18. Jahrhunderts wurde in England eine Er-
findung gemacht, welche von der allergröſsten Wichtigkeit nicht nur
für England, sondern für die gesamte Eisenindustrie werden sollte.
Es war dies die Erfindung des Tiegelguſsstahls durch Benjamin
Huntsman
.

Wenn Goethes Wort, daſs eine Erfindung der Abschluſs von
etwas Gesuchtem sei, in den meisten Fällen, wie wir im Verlauf
unserer Geschichte nachweisen konnten, seine Berechtigung hat, so
giebt es doch auch Fälle, in denen eine Erfindung unvorbereitet in
die Erscheinung tritt, und das war gerade bei der Stahlfabrikation
der Fall: die beiden wichtigsten Erfindungen, welche die Grundlage
der Fluſsstahlfabrikation geworden sind, die Erfindung des Tiegel-
stahls durch Huntsman und die des Bessemerstahls sind wie plötz-
liche Erleuchtungen in die Welt gekommen.

Die Erfindung des Guſsstahls erscheint nachträglich als eine sehr
einfache Sache, ein wahres Ei des Kolumbus. Aber die Idee, Stahl
durch Schmelzung zu reinigen, muſste erst einmal in irgend einem
Kopf auftauchen, und dann muſste sie mit der Vorsicht und Umsicht
ausgeführt und praktisch verwertbar gemacht werden, wie es durch
Huntsman geschehen ist. Es ist charakteristisch, daſs dieses ein-
fache metallurgische Verfahren nicht von einem Mann vom Fach,
sondern von einem Uhrmacher gemacht wurde. Ein Fachmann jener
Zeit, in seiner zünftigen Beschränktheit, würde die Idee Huntsmans
wahrscheinlich von vornherein verworfen haben, da für ihn Stahl ein
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[[271]/0285] DIE EISEN-INDUSTRIE UM DIE MITTE DES ACHTZEHNTEN JAHRHUNDERTS (1740—1770). Die Erfindung des Guſsstahls. Vor der Mitte des 18. Jahrhunderts wurde in England eine Er- findung gemacht, welche von der allergröſsten Wichtigkeit nicht nur für England, sondern für die gesamte Eisenindustrie werden sollte. Es war dies die Erfindung des Tiegelguſsstahls durch Benjamin Huntsman. Wenn Goethes Wort, daſs eine Erfindung der Abschluſs von etwas Gesuchtem sei, in den meisten Fällen, wie wir im Verlauf unserer Geschichte nachweisen konnten, seine Berechtigung hat, so giebt es doch auch Fälle, in denen eine Erfindung unvorbereitet in die Erscheinung tritt, und das war gerade bei der Stahlfabrikation der Fall: die beiden wichtigsten Erfindungen, welche die Grundlage der Fluſsstahlfabrikation geworden sind, die Erfindung des Tiegel- stahls durch Huntsman und die des Bessemerstahls sind wie plötz- liche Erleuchtungen in die Welt gekommen. Die Erfindung des Guſsstahls erscheint nachträglich als eine sehr einfache Sache, ein wahres Ei des Kolumbus. Aber die Idee, Stahl durch Schmelzung zu reinigen, muſste erst einmal in irgend einem Kopf auftauchen, und dann muſste sie mit der Vorsicht und Umsicht ausgeführt und praktisch verwertbar gemacht werden, wie es durch Huntsman geschehen ist. Es ist charakteristisch, daſs dieses ein- fache metallurgische Verfahren nicht von einem Mann vom Fach, sondern von einem Uhrmacher gemacht wurde. Ein Fachmann jener Zeit, in seiner zünftigen Beschränktheit, würde die Idee Huntsmans wahrscheinlich von vornherein verworfen haben, da für ihn Stahl ein unschmelzbarer Stoff und jedes geschmolzene Eisen Guſseisen war.

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Zitationshilfe: Beck, Ludwig: Die Geschichte des Eisens. Bd. 3: Das XVIII. Jahrhundert. Braunschweig, 1897, S. [271]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/beck_eisen03_1897/285>, abgerufen am 21.12.2024.