Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Baumstark, Eduard: Kameralistische Encyclopädie. Heidelberg u. a., 1835.

Bild:
<< vorherige Seite
mirte Parlament. Nach der 9ten Ausg. übersetzt aus dem Engl. Carlsruhe 1834.
S. 27-33 (über die Erneuerung des Bankprivilegiums v. a. 1833). Mac-Cul-
loch
Dictionary of Commerce,
deutsche Bearb. I. 103.
3) Ueber den Zusammenhang des Staatskredits mit dem Notenwesen und
Papiergelde s. m. Meine Versuche. S. 249.
Zweiter Absatz.
Gesetzliche Bestimmungen der Preise oder
Polizeitaxen
.
§. 445.

Die noch jetzt allenthalben eingeführte Maaßregel, daß man
von Seiten der Polizei gewissen Gewerben die Preise ihrer Pro-
ducte festsetzt, verträgt sich mit den Grundsätzen der Gewerbsfreiheit
nicht. Am gewöhnlichsten ist dies bei den Bäckern, Fleischern,
Bierwirthen u. dgl., überhaupt bei solchen Gewerben, welche die
gewöhnlichen Lebensbedürfnisse liefern1). Daß die Polizei wegen
der Sicherheit vor schlechten Nahrungsmitteln eine Aufsicht hält,
ist nothwendig. Aber die Aufstellung solcher Polizeitaxen oder
Zwangspreise rühren aus der Zeit her, in welcher die städtischen
und ländlichen Gewerbe streng geschieden und in den Städten be-
sonders eine strenge Zunftverfassung bestand, welche, die freie
Gewerbsconcurrenz hindernd, und nur eine bestimmte Meisterzahl
zulassend, ein Monopol mit den nöthigsten Lebensbedürfnissen ver-
anlaßte, das die Consumenten, namentlich die niedere Klasse, sehr
beeinträchtigte und ungleichförmige Preise verursachte, so lange
die Polizei nicht zu einem gegenwirkenden Zwangsmittel dieser Art
ihre Zuflucht nahm. Es konnte aber nicht fehlen, daß diese Taxen
selten recht, einmal zu hoch, ein andermal zu niedrig waren, da
man wenige zuverlässige Mittel2) zu ihrer Festsetzung hat und die
Verhältnisse sich häufig verändern. Wäre die Concurrenz zwischen
Stadt und Land frei und das Zunftwesen aufgehoben, so müßten
diese Polizeischranken fallen und könnten es auch ohne Schaden.
Da dies nicht der Fall ist und auch Erstere deßhalb nicht völlig
eintreten kann, weil die städtische Lebensweise einen höheren Ar-
beitslohn und Gewerbsgewinn als die ländliche nöthig macht, also
schon der Kostensatz der Producte dort höher als auf dem Lande
ist, und folglich wenigstens von ländlichen Producten beim Ein-
gange in die Städte eine verhältnißmäßige Ausgleichungssteuer
entrichtet werden müßte, um die städtischen Gewerbe zu sichern:
so werden auch solche Polizeitaxen nicht leicht abgeschafft werden
können3).


mirte Parlament. Nach der 9ten Ausg. überſetzt aus dem Engl. Carlsruhe 1834.
S. 27–33 (über die Erneuerung des Bankprivilegiums v. a. 1833). Mac-Cul-
loch
Dictionary of Commerce,
deutſche Bearb. I. 103.
3) Ueber den Zuſammenhang des Staatskredits mit dem Notenweſen und
Papiergelde ſ. m. Meine Verſuche. S. 249.
Zweiter Abſatz.
Geſetzliche Beſtimmungen der Preiſe oder
Polizeitaxen
.
§. 445.

Die noch jetzt allenthalben eingeführte Maaßregel, daß man
von Seiten der Polizei gewiſſen Gewerben die Preiſe ihrer Pro-
ducte feſtſetzt, verträgt ſich mit den Grundſätzen der Gewerbsfreiheit
nicht. Am gewöhnlichſten iſt dies bei den Bäckern, Fleiſchern,
Bierwirthen u. dgl., überhaupt bei ſolchen Gewerben, welche die
gewöhnlichen Lebensbedürfniſſe liefern1). Daß die Polizei wegen
der Sicherheit vor ſchlechten Nahrungsmitteln eine Aufſicht hält,
iſt nothwendig. Aber die Aufſtellung ſolcher Polizeitaxen oder
Zwangspreiſe rühren aus der Zeit her, in welcher die ſtädtiſchen
und ländlichen Gewerbe ſtreng geſchieden und in den Städten be-
ſonders eine ſtrenge Zunftverfaſſung beſtand, welche, die freie
Gewerbsconcurrenz hindernd, und nur eine beſtimmte Meiſterzahl
zulaſſend, ein Monopol mit den nöthigſten Lebensbedürfniſſen ver-
anlaßte, das die Conſumenten, namentlich die niedere Klaſſe, ſehr
beeinträchtigte und ungleichförmige Preiſe verurſachte, ſo lange
die Polizei nicht zu einem gegenwirkenden Zwangsmittel dieſer Art
ihre Zuflucht nahm. Es konnte aber nicht fehlen, daß dieſe Taxen
ſelten recht, einmal zu hoch, ein andermal zu niedrig waren, da
man wenige zuverläſſige Mittel2) zu ihrer Feſtſetzung hat und die
Verhältniſſe ſich häufig verändern. Wäre die Concurrenz zwiſchen
Stadt und Land frei und das Zunftweſen aufgehoben, ſo müßten
dieſe Polizeiſchranken fallen und könnten es auch ohne Schaden.
Da dies nicht der Fall iſt und auch Erſtere deßhalb nicht völlig
eintreten kann, weil die ſtädtiſche Lebensweiſe einen höheren Ar-
beitslohn und Gewerbsgewinn als die ländliche nöthig macht, alſo
ſchon der Koſtenſatz der Producte dort höher als auf dem Lande
iſt, und folglich wenigſtens von ländlichen Producten beim Ein-
gange in die Städte eine verhältnißmäßige Ausgleichungsſteuer
entrichtet werden müßte, um die ſtädtiſchen Gewerbe zu ſichern:
ſo werden auch ſolche Polizeitaxen nicht leicht abgeſchafft werden
können3).


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <div n="4">
              <div n="5">
                <div n="6">
                  <div n="7">
                    <div n="8">
                      <div n="9">
                        <note place="end" n="2)"><pb facs="#f0654" n="632"/>
mirte Parlament. Nach der 9ten Ausg. über&#x017F;etzt aus dem Engl. Carlsruhe 1834.<lb/>
S. 27&#x2013;33 (über die Erneuerung des Bankprivilegiums v. <hi rendition="#aq">a.</hi> 1833). <hi rendition="#aq"><hi rendition="#i">Mac-Cul-<lb/>
loch</hi> Dictionary of Commerce,</hi> deut&#x017F;che Bearb. I. 103.</note><lb/>
                        <note place="end" n="3)">Ueber den Zu&#x017F;ammenhang des Staatskredits mit dem Notenwe&#x017F;en und<lb/>
Papiergelde &#x017F;. m. <hi rendition="#g">Meine</hi> Ver&#x017F;uche. S. 249.</note>
                      </div>
                    </div><lb/>
                    <div n="8">
                      <head> <hi rendition="#c"><hi rendition="#g">Zweiter Ab&#x017F;atz</hi>.<lb/><hi rendition="#g">Ge&#x017F;etzliche Be&#x017F;timmungen der Prei&#x017F;e oder<lb/>
Polizeitaxen</hi>.</hi> </head><lb/>
                      <div n="9">
                        <head> <hi rendition="#c">§. 445.</hi> </head><lb/>
                        <p>Die noch jetzt allenthalben eingeführte Maaßregel, daß man<lb/>
von Seiten der Polizei gewi&#x017F;&#x017F;en Gewerben die Prei&#x017F;e ihrer Pro-<lb/>
ducte fe&#x017F;t&#x017F;etzt, verträgt &#x017F;ich mit den Grund&#x017F;ätzen der Gewerbsfreiheit<lb/>
nicht. Am gewöhnlich&#x017F;ten i&#x017F;t dies bei den Bäckern, Flei&#x017F;chern,<lb/>
Bierwirthen u. dgl., überhaupt bei &#x017F;olchen Gewerben, welche die<lb/>
gewöhnlichen Lebensbedürfni&#x017F;&#x017F;e liefern<hi rendition="#sup">1</hi>). Daß die Polizei wegen<lb/>
der Sicherheit vor &#x017F;chlechten Nahrungsmitteln eine Auf&#x017F;icht hält,<lb/>
i&#x017F;t nothwendig. Aber die Auf&#x017F;tellung &#x017F;olcher Polizeitaxen oder<lb/>
Zwangsprei&#x017F;e rühren aus der Zeit her, in welcher die &#x017F;tädti&#x017F;chen<lb/>
und ländlichen Gewerbe &#x017F;treng ge&#x017F;chieden und in den Städten be-<lb/>
&#x017F;onders eine &#x017F;trenge Zunftverfa&#x017F;&#x017F;ung be&#x017F;tand, welche, die freie<lb/>
Gewerbsconcurrenz hindernd, und nur eine be&#x017F;timmte Mei&#x017F;terzahl<lb/>
zula&#x017F;&#x017F;end, ein Monopol mit den nöthig&#x017F;ten Lebensbedürfni&#x017F;&#x017F;en ver-<lb/>
anlaßte, das die Con&#x017F;umenten, namentlich die niedere Kla&#x017F;&#x017F;e, &#x017F;ehr<lb/>
beeinträchtigte und ungleichförmige Prei&#x017F;e verur&#x017F;achte, &#x017F;o lange<lb/>
die Polizei nicht zu einem gegenwirkenden Zwangsmittel die&#x017F;er Art<lb/>
ihre Zuflucht nahm. Es konnte aber nicht fehlen, daß die&#x017F;e Taxen<lb/>
&#x017F;elten recht, einmal zu hoch, ein andermal zu niedrig waren, da<lb/>
man wenige zuverlä&#x017F;&#x017F;ige Mittel<hi rendition="#sup">2</hi>) zu ihrer Fe&#x017F;t&#x017F;etzung hat und die<lb/>
Verhältni&#x017F;&#x017F;e &#x017F;ich häufig verändern. Wäre die Concurrenz zwi&#x017F;chen<lb/>
Stadt und Land frei und das Zunftwe&#x017F;en aufgehoben, &#x017F;o müßten<lb/>
die&#x017F;e Polizei&#x017F;chranken fallen und könnten es auch ohne Schaden.<lb/>
Da dies nicht der Fall i&#x017F;t und auch Er&#x017F;tere deßhalb nicht völlig<lb/>
eintreten kann, weil die &#x017F;tädti&#x017F;che Lebenswei&#x017F;e einen höheren Ar-<lb/>
beitslohn und Gewerbsgewinn als die ländliche nöthig macht, al&#x017F;o<lb/>
&#x017F;chon der Ko&#x017F;ten&#x017F;atz der Producte dort höher als auf dem Lande<lb/>
i&#x017F;t, und folglich wenig&#x017F;tens von ländlichen Producten beim Ein-<lb/>
gange in die Städte eine verhältnißmäßige Ausgleichungs&#x017F;teuer<lb/>
entrichtet werden müßte, um die &#x017F;tädti&#x017F;chen Gewerbe zu &#x017F;ichern:<lb/>
&#x017F;o werden auch &#x017F;olche Polizeitaxen nicht leicht abge&#x017F;chafft werden<lb/>
können<hi rendition="#sup">3</hi>).</p><lb/>
                      </div>
                    </div>
                  </div>
                </div>
              </div>
            </div>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[632/0654] ²⁾ mirte Parlament. Nach der 9ten Ausg. überſetzt aus dem Engl. Carlsruhe 1834. S. 27–33 (über die Erneuerung des Bankprivilegiums v. a. 1833). Mac-Cul- loch Dictionary of Commerce, deutſche Bearb. I. 103. ³⁾ Ueber den Zuſammenhang des Staatskredits mit dem Notenweſen und Papiergelde ſ. m. Meine Verſuche. S. 249. Zweiter Abſatz. Geſetzliche Beſtimmungen der Preiſe oder Polizeitaxen. §. 445. Die noch jetzt allenthalben eingeführte Maaßregel, daß man von Seiten der Polizei gewiſſen Gewerben die Preiſe ihrer Pro- ducte feſtſetzt, verträgt ſich mit den Grundſätzen der Gewerbsfreiheit nicht. Am gewöhnlichſten iſt dies bei den Bäckern, Fleiſchern, Bierwirthen u. dgl., überhaupt bei ſolchen Gewerben, welche die gewöhnlichen Lebensbedürfniſſe liefern1). Daß die Polizei wegen der Sicherheit vor ſchlechten Nahrungsmitteln eine Aufſicht hält, iſt nothwendig. Aber die Aufſtellung ſolcher Polizeitaxen oder Zwangspreiſe rühren aus der Zeit her, in welcher die ſtädtiſchen und ländlichen Gewerbe ſtreng geſchieden und in den Städten be- ſonders eine ſtrenge Zunftverfaſſung beſtand, welche, die freie Gewerbsconcurrenz hindernd, und nur eine beſtimmte Meiſterzahl zulaſſend, ein Monopol mit den nöthigſten Lebensbedürfniſſen ver- anlaßte, das die Conſumenten, namentlich die niedere Klaſſe, ſehr beeinträchtigte und ungleichförmige Preiſe verurſachte, ſo lange die Polizei nicht zu einem gegenwirkenden Zwangsmittel dieſer Art ihre Zuflucht nahm. Es konnte aber nicht fehlen, daß dieſe Taxen ſelten recht, einmal zu hoch, ein andermal zu niedrig waren, da man wenige zuverläſſige Mittel2) zu ihrer Feſtſetzung hat und die Verhältniſſe ſich häufig verändern. Wäre die Concurrenz zwiſchen Stadt und Land frei und das Zunftweſen aufgehoben, ſo müßten dieſe Polizeiſchranken fallen und könnten es auch ohne Schaden. Da dies nicht der Fall iſt und auch Erſtere deßhalb nicht völlig eintreten kann, weil die ſtädtiſche Lebensweiſe einen höheren Ar- beitslohn und Gewerbsgewinn als die ländliche nöthig macht, alſo ſchon der Koſtenſatz der Producte dort höher als auf dem Lande iſt, und folglich wenigſtens von ländlichen Producten beim Ein- gange in die Städte eine verhältnißmäßige Ausgleichungsſteuer entrichtet werden müßte, um die ſtädtiſchen Gewerbe zu ſichern: ſo werden auch ſolche Polizeitaxen nicht leicht abgeſchafft werden können3).

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/baumstark_encyclopaedie_1835
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/baumstark_encyclopaedie_1835/654
Zitationshilfe: Baumstark, Eduard: Kameralistische Encyclopädie. Heidelberg u. a., 1835, S. 632. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/baumstark_encyclopaedie_1835/654>, abgerufen am 21.11.2024.