Bauller, Johann Jacob: Hell-Polirter Laster-Spiegel. Ulm, 1681.Die CIIX. Laster-Predigt/ de ihm aber übel gefallen/ dann der HErr wil/ daß wir auch unsere Feinde lie-ben/ denen/ die uns hassen/ wol thun/ und für die/ die uns beleidigen und ver- Rach.folgen/ betten sollen/ Matth. 5. Und könte demnach wol geschehen/ daß der HErr seinen Zorn von dem Nächsten wendete/ die obligende Straffe von ihm nehme/ und (wie R. Levi hinzusetzet/) auß gerechter Rach/ dir an den Halß werffe/ und dich also straffte/ daß du in solchem Unfall und Unglück gar erligen und verderben müsstest. Das ist nun was Salomo sagt: Freue dich etc. Lehr. Lehr.Uber deß Nächsten Unfall soll sich ein Christ nicht freuen/ weil es ist ein I. Ungöttlich/ ALlhier haben wir nun wieder von einem andern Laster zu reden/ welches I. Soll ein Christ über deß Nächsten Schaden sich nicht freuen/ die- Unnatür- lich/ II. Dieweil das ein unnatürlich Laster ist. Die Natur selbsten sie
Die CIIX. Laſter-Predigt/ de ihm aber uͤbel gefallen/ dann der HErꝛ wil/ daß wir auch unſere Feinde lie-ben/ denen/ die uns haſſen/ wol thun/ und fuͤr die/ die uns beleidigen und ver- Rach.folgen/ betten ſollen/ Matth. 5. Und koͤnte demnach wol geſchehen/ daß der HErꝛ ſeinen Zorn von dem Naͤchſten wendete/ die obligende Straffe von ihm nehme/ und (wie R. Levi hinzuſetzet/) auß gerechter Rach/ dir an den Halß werffe/ und dich alſo ſtraffte/ daß du in ſolchem Unfall und Ungluͤck gar erligen und verderben muͤſſteſt. Das iſt nun was Salomo ſagt: Freue dich ꝛc. Lehr. Lehr.Uber deß Naͤchſten Unfall ſoll ſich ein Chriſt nicht freuen/ weil es iſt ein I. Ungoͤttlich/ ALlhier haben wir nun wieder von einem andern Laſter zu reden/ welches I. Soll ein Chriſt uͤber deß Naͤchſten Schaden ſich nicht freuen/ die- Unnatuͤr- lich/ II. Dieweil das ein unnatuͤrlich Laſter iſt. Die Natur ſelbſten ſie
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Die CIIX. Laſter-Predigt/
de ihm aber uͤbel gefallen/ dann der HErꝛ wil/ daß wir auch unſere Feinde lie-
ben/ denen/ die uns haſſen/ wol thun/ und fuͤr die/ die uns beleidigen und ver-
folgen/ betten ſollen/ Matth. 5. Und koͤnte demnach wol geſchehen/ daß
der HErꝛ ſeinen Zorn von dem Naͤchſten wendete/ die obligende Straffe von
ihm nehme/ und (wie R. Levi hinzuſetzet/) auß gerechter Rach/ dir an den
Halß werffe/ und dich alſo ſtraffte/ daß du in ſolchem Unfall und Ungluͤck gar
erligen und verderben muͤſſteſt. Das iſt nun was Salomo ſagt: Freue
dich ꝛc.
Rach.
Lehr.
ALlhier haben wir nun wieder von einem andern Laſter zu reden/ welches
auch eigentlich auf den Naͤchſten ſiehet und gehet/ und heiſſet Ἐπιχαι-
ρεκακία, oder die Schaden-Freude/ daß ein Chriſt uͤber ſeines
Naͤchſten Schaden und Ungluͤck ſich nicht freuen oder frolocken ſolle/
und das ſoll geſchehen vornemlich um nachfolgender ſechs Urſachen willen.
I. Soll ein Chriſt uͤber deß Naͤchſten Schaden ſich nicht freuen/ die-
weil das ein ungoͤttlich Laſter iſt: Als welches GOtt dem HErꝛn gantz
zuwider/ und ihm nicht gefallen kan/ wie Salomo allhier ſagt: Es moͤcht es
der HErꝛ ſehen/ und ihm uͤbel gefallen. Darum verbietet er ſolches auch mit
allem Ernſt in ſeinem H. Wort/ beſonders in unſerm Text/ da er ſagt: Freue
dich deß Falls deines Feindes nicht/ und dein Hertz ſey nicht fro uͤber ſeinem
Ungluͤck. Und Syrach c. 8. ſpricht: Freue dich nicht/ daß dein Feind ſtirbt/
gedencke/ daß wir alle ſterben muͤſſen.
II. Dieweil das ein unnatuͤrlich Laſter iſt. Die Natur ſelbſten
lehret uns/ daß eines deß andern Schaden beobachte/ und lieber wende/ als
durch Frolocken vermehre. Man ſiehet es an den Schweinen/ wann eines
von ihnen geſtochen oder nidergeſchlagen wird/ und daruͤber gruntzet und
ſchreiet/ ſo greinen und ſchreien die andern alle/ die ſolchen Schlag und Ge-
ſchrey gehoͤret haben: Huͤner und Gaͤnſe warnen einander/ wann ſie einen
Stoß- und Raub-Vogel ſehen/ und wann der ihnen wil zu nahe kommen/ ſo
verſammlen ſie ihre Jungen unter ihre Fluͤgel/ Matth. 23. Ein Hund laufft
dem andern zu/ ihm in der Noth zu helffen. Ein Eſel ſpringet dem andern
durch ein Feuer zu/ wie ſolte dann ein Menſch (deſſen Natur allezeit zur Guͤ-
tigkeit und Mitleiden geneiget iſt/) ſeiner Natur ſo gar vergeſſen. Sonſten
was wir nicht wollen/ daß andere uns thun ſollen/ das ſollen wir ihnen auch
nicht thun/ Matth. 7. Nun ſeyn wir von Natur alſo geartet/ wann wir in
Noth und Gefahr ſtecken/ leiden Schaden/ werden da und dorten geaͤngſtiget
und geplaget/ ſo ſehen wir nichts liebers/ als daß ſich andere Leute mit Erbar-
men unſer annehmen/ wir klagen ihnen unſere Noth mit vielen Worten/ daß
ſie
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