Der in unserer Gegenwart unter accumulirenden Pro- gressionen gesteigerte Fortschritt der Ethnologie, diese rasche Popularisirung einer vorher kaum beachteten, ja kaum existi- renden Wissenschaft beweist dieselbe, als natürliche Conse- quenz des Zeitgeistes, als eine in geschichtlicher Entwicklung naturgemäss herangereifte Frucht. Und diese in Fülle der Entfaltung plötzlich aufbrechend, breitet Licht nach allen Seiten, neue Ausblicke eröffnend, -- so Verheissungen kündend, auf die in dunkeln Vorahnungen bereits gewartet war. Die Vorzeichen, bis in das vergangene Jahrhundert zurückzu- verfolgen, zuckten schon länger durch die Luft, allmählig beginnen sie in schärferen Zügen hervorzutreten, ihre Um- risse deutlicher zu umschreiben, eine neue Bildung ringt sich zu fester Gestaltung empor, und man erkennt in ihr, was alte Orakel bereits gefordert, die Wissenschaft vom Menschen.
Indem sich diese, in der inductiven Behandlung einer auf die allseitigen Wandlungen des Völkergedanken, auf den Menschen als Gesellschaftswesen begründeten, Psychologie all- mählig vorbereitet, ergiebt sich die Ethnologie als die natur- gemässe Completirung jener gegenwärtig massgebenden Zeit- richtung, die sich von der philosophischen der Septem Artes Liberales, mehr und mehr einer realistischen zuwendet, um die Forschungsergebnisse der Theilarbeit, in esoterisch abge- schlossenen Kasten, fortan dem Grossen und Ganzen zu Gute kommen zu lassen.
Bastian, Völkergedanke. 1
Der in unserer Gegenwart unter accumulirenden Pro- gressionen gesteigerte Fortschritt der Ethnologie, diese rasche Popularisirung einer vorher kaum beachteten, ja kaum existi- renden Wissenschaft beweist dieselbe, als natürliche Conse- quenz des Zeitgeistes, als eine in geschichtlicher Entwicklung naturgemäss herangereifte Frucht. Und diese in Fülle der Entfaltung plötzlich aufbrechend, breitet Licht nach allen Seiten, neue Ausblicke eröffnend, — so Verheissungen kündend, auf die in dunkeln Vorahnungen bereits gewartet war. Die Vorzeichen, bis in das vergangene Jahrhundert zurückzu- verfolgen, zuckten schon länger durch die Luft, allmählig beginnen sie in schärferen Zügen hervorzutreten, ihre Um- risse deutlicher zu umschreiben, eine neue Bildung ringt sich zu fester Gestaltung empor, und man erkennt in ihr, was alte Orakel bereits gefordert, die Wissenschaft vom Menschen.
Indem sich diese, in der inductiven Behandlung einer auf die allseitigen Wandlungen des Völkergedanken, auf den Menschen als Gesellschaftswesen begründeten, Psychologie all- mählig vorbereitet, ergiebt sich die Ethnologie als die natur- gemässe Completirung jener gegenwärtig massgebenden Zeit- richtung, die sich von der philosophischen der Septem Artes Liberales, mehr und mehr einer realistischen zuwendet, um die Forschungsergebnisse der Theilarbeit, in esoterisch abge- schlossenen Kasten, fortan dem Grossen und Ganzen zu Gute kommen zu lassen.
Bastian, Völkergedanke. 1
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Der in unserer Gegenwart unter accumulirenden Pro-
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Popularisirung einer vorher kaum beachteten, ja kaum existi-
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quenz des Zeitgeistes, als eine in geschichtlicher Entwicklung
naturgemäss herangereifte Frucht. Und diese in Fülle der
Entfaltung plötzlich aufbrechend, breitet Licht nach allen
Seiten, neue Ausblicke eröffnend, — so Verheissungen kündend,
auf die in dunkeln Vorahnungen bereits gewartet war. Die
Vorzeichen, bis in das vergangene Jahrhundert zurückzu-
verfolgen, zuckten schon länger durch die Luft, allmählig
beginnen sie in schärferen Zügen hervorzutreten, ihre Um-
risse deutlicher zu umschreiben, eine neue Bildung ringt sich
zu fester Gestaltung empor, und man erkennt in ihr, was
alte Orakel bereits gefordert, die Wissenschaft vom Menschen.
Indem sich diese, in der inductiven Behandlung einer
auf die allseitigen Wandlungen des Völkergedanken, auf den
Menschen als Gesellschaftswesen begründeten, Psychologie all-
mählig vorbereitet, ergiebt sich die Ethnologie als die natur-
gemässe Completirung jener gegenwärtig massgebenden Zeit-
richtung, die sich von der philosophischen der Septem Artes
Liberales, mehr und mehr einer realistischen zuwendet, um die
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Bastian, Adolf: Der Völkergedanke im Aufbau einer Wissenschaft vom Menschen. Berlin, 1881, S. [1]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bastian_voelkergedanke_1881/35>, abgerufen am 26.07.2024.
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