Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Basedow, Johann Bernhard: Die ganze Natürliche Weisheit im Privatstande der gesitteten Bürger. Halle (Saale) u. a., [1768].

Bild:
<< vorherige Seite

Die Sittenlehre
seyn, bis er den Vorsatz ausführt, jeden mögli-
chen Theil des Schadens zu ersetzen, oder den
Betrag seines unerlaubten Gewinnstes unbekann-
ter Weise an Wohlthaten zu verwenden, die er
sich schlechterdings als kein Verdienst anrechnen
will. Denn wenn diese Entledigung, von allem
unerlaubter Weise gewonnenen Gute, keine
Pflicht wäre: so würde der Reiz, durch Dieb-
stahl und Betrug zu gewinnen, stärker werden.
Also ist sie eine Pflicht des Schuldigen, welcher
sein Gewissen befriedigen will.

§. 29.

Einiges Vermögen an Geld, oder an solchen
Sachen, die dem Gelde gleich sind, ist mehren-
theils nützlich. Sey also erwerbsam, und sparsam,
aber ohne Affect der Gewinnsucht und des Geizes.
Denn der Geiz ist wieder den ersten Zweck der
Geldliebe, stöhrt das Vergnügen unsrer Selbst
und Andrer, macht mißfällig, lieblos und ungerecht.

Grosser Reichthum ist der Tugend und wahren
Glückseligkeit gefährlich. Wenn er dir zufiele, so
setze dich durch überlegte Wohlthaten bloß in den
Stand einer, vor den gewöhnlichen Ursachen des
Mangels gesicherten, Mittelmäßigkeit.

Mit Klugheit und Tugend mußt du dein Ver-
mögen zum wahren Besten deiner selbst und Andrer

an-

Die Sittenlehre
ſeyn, bis er den Vorſatz ausfuͤhrt, jeden moͤgli-
chen Theil des Schadens zu erſetzen, oder den
Betrag ſeines unerlaubten Gewinnſtes unbekann-
ter Weiſe an Wohlthaten zu verwenden, die er
ſich ſchlechterdings als kein Verdienſt anrechnen
will. Denn wenn dieſe Entledigung, von allem
unerlaubter Weiſe gewonnenen Gute, keine
Pflicht waͤre: ſo wuͤrde der Reiz, durch Dieb-
ſtahl und Betrug zu gewinnen, ſtaͤrker werden.
Alſo iſt ſie eine Pflicht des Schuldigen, welcher
ſein Gewiſſen befriedigen will.

§. 29.

Einiges Vermoͤgen an Geld, oder an ſolchen
Sachen, die dem Gelde gleich ſind, iſt mehren-
theils nuͤtzlich. Sey alſo erwerbſam, und ſparſam,
aber ohne Affect der Gewinnſucht und des Geizes.
Denn der Geiz iſt wieder den erſten Zweck der
Geldliebe, ſtoͤhrt das Vergnuͤgen unſrer Selbſt
und Andrer, macht mißfaͤllig, lieblos und ungerecht.

Groſſer Reichthum iſt der Tugend und wahren
Gluͤckſeligkeit gefaͤhrlich. Wenn er dir zufiele, ſo
ſetze dich durch uͤberlegte Wohlthaten bloß in den
Stand einer, vor den gewoͤhnlichen Urſachen des
Mangels geſicherten, Mittelmaͤßigkeit.

Mit Klugheit und Tugend mußt du dein Ver-
moͤgen zum wahren Beſten deiner ſelbſt und Andrer

an-
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0080" n="56"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">Die Sittenlehre</hi></fw><lb/>
&#x017F;eyn, bis er den Vor&#x017F;atz ausfu&#x0364;hrt, jeden mo&#x0364;gli-<lb/>
chen Theil des <hi rendition="#fr">Schadens zu er&#x017F;etzen,</hi> oder den<lb/>
Betrag &#x017F;eines unerlaubten Gewinn&#x017F;tes unbekann-<lb/>
ter Wei&#x017F;e an Wohlthaten zu verwenden, die er<lb/>
&#x017F;ich &#x017F;chlechterdings als kein Verdien&#x017F;t anrechnen<lb/>
will. Denn wenn die&#x017F;e Entledigung, von allem<lb/>
unerlaubter Wei&#x017F;e gewonnenen Gute, keine<lb/>
Pflicht wa&#x0364;re: &#x017F;o wu&#x0364;rde der Reiz, durch Dieb-<lb/>
&#x017F;tahl und Betrug zu gewinnen, &#x017F;ta&#x0364;rker werden.<lb/>
Al&#x017F;o i&#x017F;t &#x017F;ie eine Pflicht des Schuldigen, welcher<lb/>
&#x017F;ein Gewi&#x017F;&#x017F;en befriedigen will.</p>
        </div><lb/>
        <div n="2">
          <head>§. 29.</head><lb/>
          <p>Einiges Vermo&#x0364;gen an Geld, oder an &#x017F;olchen<lb/>
Sachen, die dem Gelde gleich &#x017F;ind, i&#x017F;t mehren-<lb/>
theils nu&#x0364;tzlich. Sey al&#x017F;o erwerb&#x017F;am, und &#x017F;par&#x017F;am,<lb/>
aber ohne Affect der <hi rendition="#fr">Gewinn&#x017F;ucht</hi> und des <hi rendition="#fr">Geizes.</hi><lb/>
Denn der Geiz i&#x017F;t wieder den er&#x017F;ten Zweck der<lb/>
Geldliebe, &#x017F;to&#x0364;hrt das Vergnu&#x0364;gen un&#x017F;rer Selb&#x017F;t<lb/>
und Andrer, macht mißfa&#x0364;llig, lieblos und ungerecht.</p><lb/>
          <p>Gro&#x017F;&#x017F;er <hi rendition="#fr">Reichthum</hi> i&#x017F;t der Tugend und wahren<lb/>
Glu&#x0364;ck&#x017F;eligkeit gefa&#x0364;hrlich. Wenn er dir zufiele, &#x017F;o<lb/>
&#x017F;etze dich durch u&#x0364;berlegte Wohlthaten bloß in den<lb/>
Stand einer, vor den gewo&#x0364;hnlichen Ur&#x017F;achen des<lb/>
Mangels ge&#x017F;icherten, Mittelma&#x0364;ßigkeit.</p><lb/>
          <p>Mit Klugheit und Tugend mußt du dein Ver-<lb/>
mo&#x0364;gen zum wahren Be&#x017F;ten deiner &#x017F;elb&#x017F;t und Andrer<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">an-</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[56/0080] Die Sittenlehre ſeyn, bis er den Vorſatz ausfuͤhrt, jeden moͤgli- chen Theil des Schadens zu erſetzen, oder den Betrag ſeines unerlaubten Gewinnſtes unbekann- ter Weiſe an Wohlthaten zu verwenden, die er ſich ſchlechterdings als kein Verdienſt anrechnen will. Denn wenn dieſe Entledigung, von allem unerlaubter Weiſe gewonnenen Gute, keine Pflicht waͤre: ſo wuͤrde der Reiz, durch Dieb- ſtahl und Betrug zu gewinnen, ſtaͤrker werden. Alſo iſt ſie eine Pflicht des Schuldigen, welcher ſein Gewiſſen befriedigen will. §. 29. Einiges Vermoͤgen an Geld, oder an ſolchen Sachen, die dem Gelde gleich ſind, iſt mehren- theils nuͤtzlich. Sey alſo erwerbſam, und ſparſam, aber ohne Affect der Gewinnſucht und des Geizes. Denn der Geiz iſt wieder den erſten Zweck der Geldliebe, ſtoͤhrt das Vergnuͤgen unſrer Selbſt und Andrer, macht mißfaͤllig, lieblos und ungerecht. Groſſer Reichthum iſt der Tugend und wahren Gluͤckſeligkeit gefaͤhrlich. Wenn er dir zufiele, ſo ſetze dich durch uͤberlegte Wohlthaten bloß in den Stand einer, vor den gewoͤhnlichen Urſachen des Mangels geſicherten, Mittelmaͤßigkeit. Mit Klugheit und Tugend mußt du dein Ver- moͤgen zum wahren Beſten deiner ſelbſt und Andrer an-

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/basedow_weisheit_1768
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/basedow_weisheit_1768/80
Zitationshilfe: Basedow, Johann Bernhard: Die ganze Natürliche Weisheit im Privatstande der gesitteten Bürger. Halle (Saale) u. a., [1768], S. 56. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/basedow_weisheit_1768/80>, abgerufen am 20.11.2024.