Aber die Aufsicht auf die Geschäfte Andrer, die weise und liebreiche Verwaltung eines grossen Vermögens und die häusliche Regierung über eine zahlreiche Familie, ist vielen, die in solchen Um- ständen sind, Arbeit gnug, wenn sie gleich ihre Hände nicht, wie die Künstler, Handwerker und Tagelöhner, brauchen. Dieser Zustand ist gewöhn- lich bey bejahrten Personen, welche in der Jugend ordentlich und glücklich auf eine andre Art gearbei- tet haben.
§. 28.
Alles, es sey klein oder groß, was jemand ohne Wissen und Willen dessen, dem es gehört, sich zueignet, braucht oder geniesset, macht ihn zum Diebe oder Betrüger.
Alle Diebe, welche zuletzt in die Zuchthäuser, an den Pranger, oder an den Galgen kommen, haben den Anfang ihrer Laster damit gemacht, daß sie naschten, in Hoffnung des Ersatzes fremdes Geld brauchten; für ihre Eltern und Herrn mehr einnahmen oder weniger ausgaben, als sie sagten, oder daß sie Unterschleif machten; daß sie Kleinig- keiten stahlen, oder gefundne Sachen dem bekann- ten Herrn nicht zurück gaben. Solche Laster reizen zum grössern Diebstahle, entweder weil sie gelun- gen sind, oder weil die Entdeckung eine solche
Schande
Die Sittenlehre
Aber die Aufſicht auf die Geſchaͤfte Andrer, die weiſe und liebreiche Verwaltung eines groſſen Vermoͤgens und die haͤusliche Regierung uͤber eine zahlreiche Familie, iſt vielen, die in ſolchen Um- ſtaͤnden ſind, Arbeit gnug, wenn ſie gleich ihre Haͤnde nicht, wie die Kuͤnſtler, Handwerker und Tageloͤhner, brauchen. Dieſer Zuſtand iſt gewoͤhn- lich bey bejahrten Perſonen, welche in der Jugend ordentlich und gluͤcklich auf eine andre Art gearbei- tet haben.
§. 28.
Alles, es ſey klein oder groß, was jemand ohne Wiſſen und Willen deſſen, dem es gehoͤrt, ſich zueignet, braucht oder genieſſet, macht ihn zum Diebe oder Betrüger.
Alle Diebe, welche zuletzt in die Zuchthaͤuſer, an den Pranger, oder an den Galgen kommen, haben den Anfang ihrer Laſter damit gemacht, daß ſie naſchten, in Hoffnung des Erſatzes fremdes Geld brauchten; fuͤr ihre Eltern und Herrn mehr einnahmen oder weniger ausgaben, als ſie ſagten, oder daß ſie Unterſchleif machten; daß ſie Kleinig- keiten ſtahlen, oder gefundne Sachen dem bekann- ten Herrn nicht zuruͤck gaben. Solche Laſter reizen zum groͤſſern Diebſtahle, entweder weil ſie gelun- gen ſind, oder weil die Entdeckung eine ſolche
Schande
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Die Sittenlehre
Aber die Aufſicht auf die Geſchaͤfte Andrer,
die weiſe und liebreiche Verwaltung eines groſſen
Vermoͤgens und die haͤusliche Regierung uͤber eine
zahlreiche Familie, iſt vielen, die in ſolchen Um-
ſtaͤnden ſind, Arbeit gnug, wenn ſie gleich ihre
Haͤnde nicht, wie die Kuͤnſtler, Handwerker und
Tageloͤhner, brauchen. Dieſer Zuſtand iſt gewoͤhn-
lich bey bejahrten Perſonen, welche in der Jugend
ordentlich und gluͤcklich auf eine andre Art gearbei-
tet haben.
§. 28.
Alles, es ſey klein oder groß, was jemand
ohne Wiſſen und Willen deſſen, dem es gehoͤrt,
ſich zueignet, braucht oder genieſſet, macht ihn
zum Diebe oder Betrüger.
Alle Diebe, welche zuletzt in die Zuchthaͤuſer,
an den Pranger, oder an den Galgen kommen,
haben den Anfang ihrer Laſter damit gemacht, daß
ſie naſchten, in Hoffnung des Erſatzes fremdes
Geld brauchten; fuͤr ihre Eltern und Herrn mehr
einnahmen oder weniger ausgaben, als ſie ſagten,
oder daß ſie Unterſchleif machten; daß ſie Kleinig-
keiten ſtahlen, oder gefundne Sachen dem bekann-
ten Herrn nicht zuruͤck gaben. Solche Laſter reizen
zum groͤſſern Diebſtahle, entweder weil ſie gelun-
gen ſind, oder weil die Entdeckung eine ſolche
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Basedow, Johann Bernhard: Die ganze Natürliche Weisheit im Privatstande der gesitteten Bürger. Halle (Saale) u. a., [1768], S. 50. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/basedow_weisheit_1768/74>, abgerufen am 23.02.2025.
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