Es ist auch ein schweres und langsames Werk, von der natürlichen Religion gewiß zu werden. Das Böse in der Welt machet uns gegen die Einheit und Vollkommenheit Gottes; die Dunkelheit des künftigen Zustandes macht uns gegen die Unsterblichkeit der Seelen, und folglich auch gegen das künftige Gericht solche Zweifel, die nach langer Ueberlegung zwar nicht gültig bleiben, aber doch mit Mühe bezwungen werden und oft neue Kräfte erhalten.
Es ist also für das Beste des menschlichen Ge- schlechts zu wünschen, daß die natürliche Religion, das ist, der Jnhalt derselben, auf eine andre Art, welche den Glauben erleichterte, mögte bestätigt, und durch solche Zusätze vermehret werden, deren Erkenntniß zur grössern Besserung und Beruhi- gung der Menschen diente. Dieser Wunsch führet uns zu dem Begriffe von einer göttlichen Offen- barung.
§. 65.
Es ist nicht für unmöglich zu halten, daß Dinge übernatürlich oder wider den Lauf der Natur geschehen, z. E. das erste Erdbeben, die erste Ge- buhrt, der erste Tod eines Menschen war damals wider den Lauf der Natur. Aber ein Mensch kann nicht vorher wissen, daß und wann solche überna- türliche Dinge geschehen werden.
Es
L
beſonders in moraliſchen ꝛc.
Es iſt auch ein ſchweres und langſames Werk, von der natuͤrlichen Religion gewiß zu werden. Das Boͤſe in der Welt machet uns gegen die Einheit und Vollkommenheit Gottes; die Dunkelheit des kuͤnftigen Zuſtandes macht uns gegen die Unſterblichkeit der Seelen, und folglich auch gegen das kuͤnftige Gericht ſolche Zweifel, die nach langer Ueberlegung zwar nicht guͤltig bleiben, aber doch mit Muͤhe bezwungen werden und oft neue Kraͤfte erhalten.
Es iſt alſo fuͤr das Beſte des menſchlichen Ge- ſchlechts zu wuͤnſchen, daß die natuͤrliche Religion, das iſt, der Jnhalt derſelben, auf eine andre Art, welche den Glauben erleichterte, moͤgte beſtaͤtigt, und durch ſolche Zuſaͤtze vermehret werden, deren Erkenntniß zur groͤſſern Beſſerung und Beruhi- gung der Menſchen diente. Dieſer Wunſch fuͤhret uns zu dem Begriffe von einer goͤttlichen Offen- barung.
§. 65.
Es iſt nicht fuͤr unmoͤglich zu halten, daß Dinge übernatürlich oder wider den Lauf der Natur geſchehen, z. E. das erſte Erdbeben, die erſte Ge- buhrt, der erſte Tod eines Menſchen war damals wider den Lauf der Natur. Aber ein Menſch kann nicht vorher wiſſen, daß und wann ſolche uͤberna- tuͤrliche Dinge geſchehen werden.
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beſonders in moraliſchen ꝛc.
Es iſt auch ein ſchweres und langſames
Werk, von der natuͤrlichen Religion gewiß zu
werden. Das Boͤſe in der Welt machet uns gegen
die Einheit und Vollkommenheit Gottes; die
Dunkelheit des kuͤnftigen Zuſtandes macht uns
gegen die Unſterblichkeit der Seelen, und folglich
auch gegen das kuͤnftige Gericht ſolche Zweifel, die
nach langer Ueberlegung zwar nicht guͤltig bleiben,
aber doch mit Muͤhe bezwungen werden und oft
neue Kraͤfte erhalten.
Es iſt alſo fuͤr das Beſte des menſchlichen Ge-
ſchlechts zu wuͤnſchen, daß die natuͤrliche Religion,
das iſt, der Jnhalt derſelben, auf eine andre Art,
welche den Glauben erleichterte, moͤgte beſtaͤtigt,
und durch ſolche Zuſaͤtze vermehret werden, deren
Erkenntniß zur groͤſſern Beſſerung und Beruhi-
gung der Menſchen diente. Dieſer Wunſch fuͤhret
uns zu dem Begriffe von einer goͤttlichen Offen-
barung.
§. 65.
Es iſt nicht fuͤr unmoͤglich zu halten, daß Dinge
übernatürlich oder wider den Lauf der Natur
geſchehen, z. E. das erſte Erdbeben, die erſte Ge-
buhrt, der erſte Tod eines Menſchen war damals
wider den Lauf der Natur. Aber ein Menſch kann
nicht vorher wiſſen, daß und wann ſolche uͤberna-
tuͤrliche Dinge geſchehen werden.
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Basedow, Johann Bernhard: Die ganze Natürliche Weisheit im Privatstande der gesitteten Bürger. Halle (Saale) u. a., [1768], S. 161. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/basedow_weisheit_1768/185>, abgerufen am 23.02.2025.
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