Das Accompagnement eines Baßthema kann zweyer- ley seyn, und giebet allezeit einem geschickten Accompagnisten eine gute Gelegenheit, seine Wissenschaft zu zeigen. Wer hinläng- liche Einsichten in die Setzkunst hat, und bey einem glücklich erfinderischen Geiste eine gute Beurtheilungskraft besitzet, der kann bey den Pausen der Hauptstimme, auch allenfalls bey gewissen fimplen Noten oder Aushaltungen derselben, einen besondern Gesang erfinden, und ihn mit der rechten Hand, statt der gewöhn- lichen Harmonie, vortragen. Dieser Gesang muß nach dem Inhalt und Affect des Stückes abgepasset seyn, und darf die Hauptstimme niemals einschränken.
§. 5.
Wer aber die hierzu gehörigen Fähigkeiten nicht be- sitzet, bleibet bey seiner vorgeschriebenen Harmonie, und träget sie nach den Regeln des guten Vortrages vor, wobey allezeit, so viel es nur möglich ist, die besten Fortschreitungen und Lagen gewählet werden, und auf eine sangbare Oberstimme gesehen wird.
Ein und vierzigstes Capitel. Von der freyen Fantasie.
§. 1.
Eine Fantasie nennet man frey, wenn sie keine abgemessene Tacteintheilung enthält, und in mehrere Tonarten auswei- chet, als bey andern Stücken zu geschehen pfleget, welche nach einer Tacteintheilung gesetzet sind, oder aus dem Stegreif erfun- den werden.
§. 2.
Zu diesen letztern Stücken wird eine Wissenschaft des gan- zen Umfanges der Composition erfordert: bey jener hingegen sind
blos
S s 3
Vom Baßthema.
§. 4.
Das Accompagnement eines Baßthema kann zweyer- ley ſeyn, und giebet allezeit einem geſchickten Accompagniſten eine gute Gelegenheit, ſeine Wiſſenſchaft zu zeigen. Wer hinläng- liche Einſichten in die Setzkunſt hat, und bey einem glücklich erfinderiſchen Geiſte eine gute Beurtheilungskraft beſitzet, der kann bey den Pauſen der Hauptſtimme, auch allenfalls bey gewiſſen fimplen Noten oder Aushaltungen derſelben, einen beſondern Geſang erfinden, und ihn mit der rechten Hand, ſtatt der gewöhn- lichen Harmonie, vortragen. Dieſer Geſang muß nach dem Inhalt und Affect des Stückes abgepaſſet ſeyn, und darf die Hauptſtimme niemals einſchränken.
§. 5.
Wer aber die hierzu gehörigen Fähigkeiten nicht be- ſitzet, bleibet bey ſeiner vorgeſchriebenen Harmonie, und träget ſie nach den Regeln des guten Vortrages vor, wobey allezeit, ſo viel es nur möglich iſt, die beſten Fortſchreitungen und Lagen gewählet werden, und auf eine ſangbare Oberſtimme geſehen wird.
Ein und vierzigſtes Capitel. Von der freyen Fantaſie.
§. 1.
Eine Fantaſie nennet man frey, wenn ſie keine abgemeſſene Tacteintheilung enthält, und in mehrere Tonarten auswei- chet, als bey andern Stücken zu geſchehen pfleget, welche nach einer Tacteintheilung geſetzet ſind, oder aus dem Stegreif erfun- den werden.
§. 2.
Zu dieſen letztern Stücken wird eine Wiſſenſchaft des gan- zen Umfanges der Compoſition erfordert: bey jener hingegen ſind
blos
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Vom Baßthema.
§. 4. Das Accompagnement eines Baßthema kann zweyer-
ley ſeyn, und giebet allezeit einem geſchickten Accompagniſten eine
gute Gelegenheit, ſeine Wiſſenſchaft zu zeigen. Wer hinläng-
liche Einſichten in die Setzkunſt hat, und bey einem glücklich
erfinderiſchen Geiſte eine gute Beurtheilungskraft beſitzet, der kann
bey den Pauſen der Hauptſtimme, auch allenfalls bey gewiſſen
fimplen Noten oder Aushaltungen derſelben, einen beſondern
Geſang erfinden, und ihn mit der rechten Hand, ſtatt der gewöhn-
lichen Harmonie, vortragen. Dieſer Geſang muß nach dem
Inhalt und Affect des Stückes abgepaſſet ſeyn, und darf die
Hauptſtimme niemals einſchränken.
§. 5. Wer aber die hierzu gehörigen Fähigkeiten nicht be-
ſitzet, bleibet bey ſeiner vorgeſchriebenen Harmonie, und träget
ſie nach den Regeln des guten Vortrages vor, wobey allezeit,
ſo viel es nur möglich iſt, die beſten Fortſchreitungen und Lagen
gewählet werden, und auf eine ſangbare Oberſtimme geſehen wird.
Ein und vierzigſtes Capitel.
Von der freyen Fantaſie.
§. 1.
Eine Fantaſie nennet man frey, wenn ſie keine abgemeſſene
Tacteintheilung enthält, und in mehrere Tonarten auswei-
chet, als bey andern Stücken zu geſchehen pfleget, welche nach
einer Tacteintheilung geſetzet ſind, oder aus dem Stegreif erfun-
den werden.
§. 2. Zu dieſen letztern Stücken wird eine Wiſſenſchaft des gan-
zen Umfanges der Compoſition erfordert: bey jener hingegen ſind
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Bach, Carl Philipp Emanuel: Versuch über die wahre Art das Clavier zu spielen. Bd. 2. Berlin, 1762, S. 325. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bach_versuch02_1762/335>, abgerufen am 22.02.2025.
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