Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Bach, Carl Philipp Emanuel: Versuch über die wahre Art das Clavier zu spielen. Bd. 2. Berlin, 1762.

Bild:
<< vorherige Seite

Fünf und dreyßigstes Capitel.
dessen allen ohngeacht würde der Nutzen sehr geringe seyn, weil
der geschickteste Musiker fehlen kann, wo nur zwo Möglichkeiten
da seyn, geschweige bey mehrern.

§. 3.

Es bleibet also unumstößlich wahr, daß zur guten
Ausführung eines Stückes eine richtig bezifferte Grundstimme
unentbehrlich sey. Jeder Componist, welcher wünschet, daß seine
Arbeit so gut als möglich ausgeführet werde, muß auch alle
Mittel ergreifen, diesen Endzweck zu erlangen. Er muß sich also
überhaupt in der Schreibart so deutlich erklären, daß er an einem
jeden Orte verstanden werden könne. Hierzu gehöret vornemlich
mit eine richtige Bezifferung der Grundstimme. Dieses ist das we-
nigste, was man mit Recht fodern kann, weil wir schon öfter
angeführet haben, daß zur genauen Andeutung des Accompagne-
ments noch etwas mehreres, als Ziffern, gehöre. Wir haben sogar
erwiesen, daß es noch hier und da an Zeichen fehle. Ein sicherer
Beweis, daß eine Begleitung mit gar keiner Bezeichnung
nicht anders als schlecht ausfallen kann. Die Signaturen sind
einmal da; man bediene sich also dieser nützlichen Erfindung, und
martre weder sich mit dem Ausdenken unzulänglicher Regeln, noch
seine Schüler mit der Erlernung dieser letzteren. Wer zu bequem
oder zu unwissend ist, seine Bässe so, wie es die gute Aus-
nahme erfordert,
selbst zu bezeichnen, der lasse solches durch
einen geschickten Accompagnisten verrichten.

§. 4.

Bey der Bezifferung muß man zwar nicht alle Klei-
nigkeiten berühren, und aus einem Generalbaß ein Handstück
machen: indessen muß dennoch das Nothwendige und Wesent-
liche nicht vergessen werden. Viele gehen mit ihren Bezeichnun-
gen zu sparsam um, weil sie das Auge des Accompagnisten nicht
zu stark bemühen wollen: allein ein geübter Clavierspieler übersiehet
gar leicht eine Grundstimme, wenn sie auch etwas mehr Andeutun-

gen,

Fünf und dreyßigſtes Capitel.
deſſen allen ohngeacht würde der Nutzen ſehr geringe ſeyn, weil
der geſchickteſte Muſiker fehlen kann, wo nur zwo Möglichkeiten
da ſeyn, geſchweige bey mehrern.

§. 3.

Es bleibet alſo unumſtößlich wahr, daß zur guten
Ausführung eines Stückes eine richtig bezifferte Grundſtimme
unentbehrlich ſey. Jeder Componiſt, welcher wünſchet, daß ſeine
Arbeit ſo gut als möglich ausgeführet werde, muß auch alle
Mittel ergreifen, dieſen Endzweck zu erlangen. Er muß ſich alſo
überhaupt in der Schreibart ſo deutlich erklären, daß er an einem
jeden Orte verſtanden werden könne. Hierzu gehöret vornemlich
mit eine richtige Bezifferung der Grundſtimme. Dieſes iſt das we-
nigſte, was man mit Recht fodern kann, weil wir ſchon öfter
angeführet haben, daß zur genauen Andeutung des Accompagne-
ments noch etwas mehreres, als Ziffern, gehöre. Wir haben ſogar
erwieſen, daß es noch hier und da an Zeichen fehle. Ein ſicherer
Beweis, daß eine Begleitung mit gar keiner Bezeichnung
nicht anders als ſchlecht ausfallen kann. Die Signaturen ſind
einmal da; man bediene ſich alſo dieſer nützlichen Erfindung, und
martre weder ſich mit dem Ausdenken unzulänglicher Regeln, noch
ſeine Schüler mit der Erlernung dieſer letzteren. Wer zu bequem
oder zu unwiſſend iſt, ſeine Bäſſe ſo, wie es die gute Aus-
nahme erfordert,
ſelbſt zu bezeichnen, der laſſe ſolches durch
einen geſchickten Accompagniſten verrichten.

§. 4.

Bey der Bezifferung muß man zwar nicht alle Klei-
nigkeiten berühren, und aus einem Generalbaß ein Handſtück
machen: indeſſen muß dennoch das Nothwendige und Weſent-
liche nicht vergeſſen werden. Viele gehen mit ihren Bezeichnun-
gen zu ſparſam um, weil ſie das Auge des Accompagniſten nicht
zu ſtark bemühen wollen: allein ein geübter Clavierſpieler überſiehet
gar leicht eine Grundſtimme, wenn ſie auch etwas mehr Andeutun-

gen,
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0310" n="300"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">Fünf und dreyßig&#x017F;tes Capitel.</hi></fw><lb/>
de&#x017F;&#x017F;en allen ohngeacht würde der Nutzen &#x017F;ehr geringe &#x017F;eyn, weil<lb/>
der ge&#x017F;chickte&#x017F;te Mu&#x017F;iker fehlen kann, wo nur zwo Möglichkeiten<lb/>
da &#x017F;eyn, ge&#x017F;chweige bey mehrern.</p>
        </div><lb/>
        <div n="2">
          <head>§. 3.</head>
          <p>Es bleibet al&#x017F;o unum&#x017F;tößlich wahr, daß zur guten<lb/>
Ausführung eines Stückes eine richtig bezifferte Grund&#x017F;timme<lb/>
unentbehrlich &#x017F;ey. Jeder Componi&#x017F;t, welcher wün&#x017F;chet, daß &#x017F;eine<lb/>
Arbeit &#x017F;o gut als möglich ausgeführet werde, muß auch alle<lb/>
Mittel ergreifen, die&#x017F;en Endzweck zu erlangen. Er muß &#x017F;ich al&#x017F;o<lb/>
überhaupt in der Schreibart &#x017F;o deutlich erklären, daß er an einem<lb/>
jeden Orte ver&#x017F;tanden werden könne. Hierzu gehöret vornemlich<lb/>
mit eine richtige Bezifferung der Grund&#x017F;timme. Die&#x017F;es i&#x017F;t das we-<lb/>
nig&#x017F;te, was man mit Recht fodern kann, weil wir &#x017F;chon öfter<lb/>
angeführet haben, daß zur genauen Andeutung des Accompagne-<lb/>
ments noch etwas mehreres, als Ziffern, gehöre. Wir haben &#x017F;ogar<lb/>
erwie&#x017F;en, daß es noch hier und da an Zeichen fehle. Ein &#x017F;icherer<lb/>
Beweis, daß eine Begleitung <hi rendition="#fr">mit gar keiner Bezeichnung</hi><lb/>
nicht anders als &#x017F;chlecht ausfallen kann. Die Signaturen &#x017F;ind<lb/>
einmal da; man bediene &#x017F;ich al&#x017F;o die&#x017F;er nützlichen Erfindung, und<lb/>
martre weder &#x017F;ich mit dem Ausdenken unzulänglicher Regeln, noch<lb/>
&#x017F;eine Schüler mit der Erlernung die&#x017F;er letzteren. Wer zu bequem<lb/>
oder zu unwi&#x017F;&#x017F;end i&#x017F;t, &#x017F;eine Bä&#x017F;&#x017F;e &#x017F;o, <hi rendition="#fr">wie es die gute Aus-<lb/>
nahme erfordert,</hi> &#x017F;elb&#x017F;t zu bezeichnen, der la&#x017F;&#x017F;e &#x017F;olches durch<lb/>
einen ge&#x017F;chickten Accompagni&#x017F;ten verrichten.</p>
        </div><lb/>
        <div n="2">
          <head>§. 4.</head>
          <p>Bey der Bezifferung muß man zwar nicht alle Klei-<lb/>
nigkeiten berühren, und aus einem Generalbaß ein Hand&#x017F;tück<lb/>
machen: inde&#x017F;&#x017F;en muß dennoch das Nothwendige und We&#x017F;ent-<lb/>
liche nicht verge&#x017F;&#x017F;en werden. Viele gehen mit ihren Bezeichnun-<lb/>
gen zu &#x017F;par&#x017F;am um, weil &#x017F;ie das Auge des Accompagni&#x017F;ten nicht<lb/>
zu &#x017F;tark bemühen wollen: allein ein geübter Clavier&#x017F;pieler über&#x017F;iehet<lb/>
gar leicht eine Grund&#x017F;timme, wenn &#x017F;ie auch etwas mehr Andeutun-<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">gen,</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[300/0310] Fünf und dreyßigſtes Capitel. deſſen allen ohngeacht würde der Nutzen ſehr geringe ſeyn, weil der geſchickteſte Muſiker fehlen kann, wo nur zwo Möglichkeiten da ſeyn, geſchweige bey mehrern. §. 3. Es bleibet alſo unumſtößlich wahr, daß zur guten Ausführung eines Stückes eine richtig bezifferte Grundſtimme unentbehrlich ſey. Jeder Componiſt, welcher wünſchet, daß ſeine Arbeit ſo gut als möglich ausgeführet werde, muß auch alle Mittel ergreifen, dieſen Endzweck zu erlangen. Er muß ſich alſo überhaupt in der Schreibart ſo deutlich erklären, daß er an einem jeden Orte verſtanden werden könne. Hierzu gehöret vornemlich mit eine richtige Bezifferung der Grundſtimme. Dieſes iſt das we- nigſte, was man mit Recht fodern kann, weil wir ſchon öfter angeführet haben, daß zur genauen Andeutung des Accompagne- ments noch etwas mehreres, als Ziffern, gehöre. Wir haben ſogar erwieſen, daß es noch hier und da an Zeichen fehle. Ein ſicherer Beweis, daß eine Begleitung mit gar keiner Bezeichnung nicht anders als ſchlecht ausfallen kann. Die Signaturen ſind einmal da; man bediene ſich alſo dieſer nützlichen Erfindung, und martre weder ſich mit dem Ausdenken unzulänglicher Regeln, noch ſeine Schüler mit der Erlernung dieſer letzteren. Wer zu bequem oder zu unwiſſend iſt, ſeine Bäſſe ſo, wie es die gute Aus- nahme erfordert, ſelbſt zu bezeichnen, der laſſe ſolches durch einen geſchickten Accompagniſten verrichten. §. 4. Bey der Bezifferung muß man zwar nicht alle Klei- nigkeiten berühren, und aus einem Generalbaß ein Handſtück machen: indeſſen muß dennoch das Nothwendige und Weſent- liche nicht vergeſſen werden. Viele gehen mit ihren Bezeichnun- gen zu ſparſam um, weil ſie das Auge des Accompagniſten nicht zu ſtark bemühen wollen: allein ein geübter Clavierſpieler überſiehet gar leicht eine Grundſtimme, wenn ſie auch etwas mehr Andeutun- gen,

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/bach_versuch02_1762
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/bach_versuch02_1762/310
Zitationshilfe: Bach, Carl Philipp Emanuel: Versuch über die wahre Art das Clavier zu spielen. Bd. 2. Berlin, 1762, S. 300. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bach_versuch02_1762/310>, abgerufen am 21.11.2024.