Einsichten so weit sind, daß er pünctlich weiß, wenn, und wo Zierlichkeiten angebracht werden können. Ausserdem ist es besser, daß er sich nicht weiter versteiget, als ihm die Flügel gewach- sen sind.
§. 3.
Der gewöhnlichste Ausdruck, wodurch man einen guten Accompagnisten kennbar machet, pfleget dieser zu seyn: er accompagniret mit Discretion. Dieses Lob ist von weit- läuftiger Bedeutung, und man will damit so viel sagen: Der Begleiter weiß gut zu unterscheiden, und hiernach seine Einrichtun- gen zu machen, nachdem der Inhalt eines Stückes, dessen Voll- stimmigkeit, die Mitgehülfen in der Ausführung, besonders der Ausführer der Hauptstimme, die Instrumente oder Singstimmen, der Ort, die Zuhörer u. s. w. beschaffen sind. Er suchet mit der grössesten Bescheidenheit denenjenigen, die er begleitet, ohngeacht er sie zuweilen mit seinen Kräften übersiehet, die erwünschte Ehre mit zu erwerben. Diese Bescheidenheit zeiget er besonders gegen Personen, die nicht vom Metier sind. Er lässet diese letztern lieber hervorragen, als daß er sie verdunkeln solte. Ueberdem schläget er in die Absichten des Verfassers und der Ausführer eines Stückes jederzeit ein; er suchet diese Absichten zu befördern und zu unter- stützen; er ergreifet alle mögliche Schönheiten des Vortrages und der Begleitung überhaupt, so bald es der Inhalt eines Stückes fordert; er wendet aber auch bey dem Gebrauche dieser Schön- heiten zugleich die nöthige Behutsamkeit an, damit er niemanden einschränke; zu dem Ende bringet er seine Künste nicht alle Augen- blicke, sondern sparsam und nur alsdenn an, wenn sie die gute Ausnahme befördern. Keine allzu grosse Weisheit darf ihn drü- cken, und er vergißt niemals, daß er nur begleitet und nicht füh- ret; er weiß, daß ein gutes Accompagnement die Ausführung eines Stückes belebet, und daß im Gegentheil der beste Ausführer durch
eine
L l 3
Von gewiſſen Zierlichkeiten des Accompagnements.
Einſichten ſo weit ſind, daß er pünctlich weiß, wenn, und wo Zierlichkeiten angebracht werden können. Auſſerdem iſt es beſſer, daß er ſich nicht weiter verſteiget, als ihm die Flügel gewach- ſen ſind.
§. 3.
Der gewöhnlichſte Ausdruck, wodurch man einen guten Accompagniſten kennbar machet, pfleget dieſer zu ſeyn: er accompagniret mit Discretion. Dieſes Lob iſt von weit- läuftiger Bedeutung, und man will damit ſo viel ſagen: Der Begleiter weiß gut zu unterſcheiden, und hiernach ſeine Einrichtun- gen zu machen, nachdem der Inhalt eines Stückes, deſſen Voll- ſtimmigkeit, die Mitgehülfen in der Ausführung, beſonders der Ausführer der Hauptſtimme, die Inſtrumente oder Singſtimmen, der Ort, die Zuhörer u. ſ. w. beſchaffen ſind. Er ſuchet mit der gröſſeſten Beſcheidenheit denenjenigen, die er begleitet, ohngeacht er ſie zuweilen mit ſeinen Kräften überſiehet, die erwünſchte Ehre mit zu erwerben. Dieſe Beſcheidenheit zeiget er beſonders gegen Perſonen, die nicht vom Metier ſind. Er läſſet dieſe letztern lieber hervorragen, als daß er ſie verdunkeln ſolte. Ueberdem ſchläget er in die Abſichten des Verfaſſers und der Ausführer eines Stückes jederzeit ein; er ſuchet dieſe Abſichten zu befördern und zu unter- ſtützen; er ergreifet alle mögliche Schönheiten des Vortrages und der Begleitung überhaupt, ſo bald es der Inhalt eines Stückes fordert; er wendet aber auch bey dem Gebrauche dieſer Schön- heiten zugleich die nöthige Behutſamkeit an, damit er niemanden einſchränke; zu dem Ende bringet er ſeine Künſte nicht alle Augen- blicke, ſondern ſparſam und nur alsdenn an, wenn ſie die gute Ausnahme befördern. Keine allzu groſſe Weisheit darf ihn drü- cken, und er vergißt niemals, daß er nur begleitet und nicht füh- ret; er weiß, daß ein gutes Accompagnement die Ausführung eines Stückes belebet, und daß im Gegentheil der beſte Ausführer durch
eine
L l 3
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0279"n="269"/><fwplace="top"type="header"><hirendition="#b">Von gewiſſen Zierlichkeiten des Accompagnements.</hi></fw><lb/>
Einſichten ſo weit ſind, daß er <hirendition="#fr">pünctlich</hi> weiß, wenn, und wo<lb/>
Zierlichkeiten angebracht werden können. Auſſerdem iſt es beſſer,<lb/>
daß er ſich nicht weiter verſteiget, als ihm die Flügel gewach-<lb/>ſen ſind.</p></div><lb/><divn="2"><head>§. 3.</head><p>Der gewöhnlichſte Ausdruck, wodurch man einen<lb/>
guten Accompagniſten kennbar machet, pfleget dieſer zu ſeyn: <hirendition="#fr">er<lb/>
accompagniret mit Discretion.</hi> Dieſes Lob iſt von weit-<lb/>
läuftiger Bedeutung, und man will damit ſo viel ſagen: Der<lb/>
Begleiter weiß gut zu unterſcheiden, und hiernach ſeine Einrichtun-<lb/>
gen zu machen, nachdem der Inhalt eines Stückes, deſſen Voll-<lb/>ſtimmigkeit, die Mitgehülfen in der Ausführung, beſonders der<lb/>
Ausführer der Hauptſtimme, die Inſtrumente oder Singſtimmen,<lb/>
der Ort, die Zuhörer u. ſ. w. beſchaffen ſind. Er ſuchet mit der<lb/>
gröſſeſten Beſcheidenheit denenjenigen, die er begleitet, ohngeacht<lb/>
er ſie zuweilen mit ſeinen Kräften überſiehet, die erwünſchte Ehre<lb/>
mit zu erwerben. Dieſe Beſcheidenheit zeiget er beſonders gegen<lb/>
Perſonen, die nicht vom Metier ſind. Er läſſet dieſe letztern lieber<lb/>
hervorragen, als daß er ſie verdunkeln ſolte. Ueberdem ſchläget<lb/>
er in die Abſichten des Verfaſſers und der Ausführer eines Stückes<lb/>
jederzeit ein; er ſuchet dieſe Abſichten zu befördern und zu unter-<lb/>ſtützen; er ergreifet alle mögliche Schönheiten des Vortrages und<lb/>
der Begleitung überhaupt, ſo bald es der Inhalt eines Stückes<lb/>
fordert; er wendet aber auch bey dem Gebrauche dieſer Schön-<lb/>
heiten zugleich die nöthige Behutſamkeit an, damit er niemanden<lb/>
einſchränke; zu dem Ende bringet er ſeine Künſte nicht alle Augen-<lb/>
blicke, ſondern ſparſam und nur alsdenn an, wenn ſie die gute<lb/>
Ausnahme befördern. Keine allzu groſſe Weisheit darf ihn drü-<lb/>
cken, und er vergißt niemals, daß er nur begleitet und nicht füh-<lb/>
ret; er weiß, daß ein gutes Accompagnement die Ausführung eines<lb/>
Stückes belebet, und daß im Gegentheil der beſte Ausführer durch<lb/><fwplace="bottom"type="sig">L l 3</fw><fwplace="bottom"type="catch">eine</fw><lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[269/0279]
Von gewiſſen Zierlichkeiten des Accompagnements.
Einſichten ſo weit ſind, daß er pünctlich weiß, wenn, und wo
Zierlichkeiten angebracht werden können. Auſſerdem iſt es beſſer,
daß er ſich nicht weiter verſteiget, als ihm die Flügel gewach-
ſen ſind.
§. 3. Der gewöhnlichſte Ausdruck, wodurch man einen
guten Accompagniſten kennbar machet, pfleget dieſer zu ſeyn: er
accompagniret mit Discretion. Dieſes Lob iſt von weit-
läuftiger Bedeutung, und man will damit ſo viel ſagen: Der
Begleiter weiß gut zu unterſcheiden, und hiernach ſeine Einrichtun-
gen zu machen, nachdem der Inhalt eines Stückes, deſſen Voll-
ſtimmigkeit, die Mitgehülfen in der Ausführung, beſonders der
Ausführer der Hauptſtimme, die Inſtrumente oder Singſtimmen,
der Ort, die Zuhörer u. ſ. w. beſchaffen ſind. Er ſuchet mit der
gröſſeſten Beſcheidenheit denenjenigen, die er begleitet, ohngeacht
er ſie zuweilen mit ſeinen Kräften überſiehet, die erwünſchte Ehre
mit zu erwerben. Dieſe Beſcheidenheit zeiget er beſonders gegen
Perſonen, die nicht vom Metier ſind. Er läſſet dieſe letztern lieber
hervorragen, als daß er ſie verdunkeln ſolte. Ueberdem ſchläget
er in die Abſichten des Verfaſſers und der Ausführer eines Stückes
jederzeit ein; er ſuchet dieſe Abſichten zu befördern und zu unter-
ſtützen; er ergreifet alle mögliche Schönheiten des Vortrages und
der Begleitung überhaupt, ſo bald es der Inhalt eines Stückes
fordert; er wendet aber auch bey dem Gebrauche dieſer Schön-
heiten zugleich die nöthige Behutſamkeit an, damit er niemanden
einſchränke; zu dem Ende bringet er ſeine Künſte nicht alle Augen-
blicke, ſondern ſparſam und nur alsdenn an, wenn ſie die gute
Ausnahme befördern. Keine allzu groſſe Weisheit darf ihn drü-
cken, und er vergißt niemals, daß er nur begleitet und nicht füh-
ret; er weiß, daß ein gutes Accompagnement die Ausführung eines
Stückes belebet, und daß im Gegentheil der beſte Ausführer durch
eine
L l 3
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Bach, Carl Philipp Emanuel: Versuch über die wahre Art das Clavier zu spielen. Bd. 2. Berlin, 1762, S. 269. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bach_versuch02_1762/279>, abgerufen am 22.02.2025.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2025 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften
(Kontakt).
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2025. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.