Bach, Carl Philipp Emanuel: Versuch über die wahre Art das Clavier zu spielen. Bd. 1. 2. Aufl. Berlin, 1753.Einleitung. Probirung der Quarten hat man den Vortheil, daß man dienöthige Schwebung der Quinten deutlicher hören kan, weil die Quarten ihrem Grund-Tone näher liegen als die Quinten. Sind die Claviere so gestimmt, so kan man sie wegen der Ausübung mit Recht für die reinste Jnstrumente unter allen ausgeben, indem zwar einige reiner gestimmt aber nicht gespielet werden. Auf dem Claviere spielet man aus allen vier und zwantzig Ton- Arten gleich rein und welches wohl zu mercken vollstimmig, ohn- geachtet die Harmonie wegen der Verhältnisse die geringste Un- reinigkeit sogleich entdecket. Durch diese neue Art zu temperiren sind wir weiter gekommen als vor dem, obschon die alte Tempe- ratur so beschaffen war, daß einige Ton-Arten reiner waren als man noch jetzo bey vielen Jnstrumenten antrift. Bey man- chem andern Musico würde man vielleicht die Unreinigkeit eher vermercken, ohne einen Klang-Messer dabey nöthig zu haben, wenn man die hervorgebrachten melodischen Töne harmonisch hö- ren solte. Diese Melodie betrügt uns oft und läßt uns nicht eher ihre unreinen Töne verspüren, bis diese Unreinigkeit so groß ist, als kaum bey manchem schlechtgestimmten Claviere. §. 15. Jeder Clavierist soll von Rechtswegen einen guten Mühe B
Einleitung. Probirung der Quarten hat man den Vortheil, daß man dienoͤthige Schwebung der Quinten deutlicher hoͤren kan, weil die Quarten ihrem Grund-Tone naͤher liegen als die Quinten. Sind die Claviere ſo geſtimmt, ſo kan man ſie wegen der Ausuͤbung mit Recht fuͤr die reinſte Jnſtrumente unter allen ausgeben, indem zwar einige reiner geſtimmt aber nicht geſpielet werden. Auf dem Claviere ſpielet man aus allen vier und zwantzig Ton- Arten gleich rein und welches wohl zu mercken vollſtimmig, ohn- geachtet die Harmonie wegen der Verhaͤltniſſe die geringſte Un- reinigkeit ſogleich entdecket. Durch dieſe neue Art zu temperiren ſind wir weiter gekommen als vor dem, obſchon die alte Tempe- ratur ſo beſchaffen war, daß einige Ton-Arten reiner waren als man noch jetzo bey vielen Jnſtrumenten antrift. Bey man- chem andern Muſico wuͤrde man vielleicht die Unreinigkeit eher vermercken, ohne einen Klang-Meſſer dabey noͤthig zu haben, wenn man die hervorgebrachten melodiſchen Toͤne harmoniſch hoͤ- ren ſolte. Dieſe Melodie betruͤgt uns oft und laͤßt uns nicht eher ihre unreinen Toͤne verſpuͤren, bis dieſe Unreinigkeit ſo groß iſt, als kaum bey manchem ſchlechtgeſtimmten Claviere. §. 15. Jeder Clavieriſt ſoll von Rechtswegen einen guten Muͤhe B
<TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0017" n="9"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b"><hi rendition="#g">Einleitung.</hi></hi></fw><lb/> Probirung der Quarten hat man den Vortheil, daß man die<lb/> noͤthige Schwebung der Quinten deutlicher hoͤren kan, weil die<lb/> Quarten ihrem Grund-Tone naͤher liegen als die Quinten. Sind<lb/> die Claviere ſo geſtimmt, ſo kan man ſie wegen der Ausuͤbung<lb/> mit Recht fuͤr die reinſte Jnſtrumente unter allen ausgeben,<lb/> indem zwar einige reiner geſtimmt aber nicht geſpielet werden.<lb/> Auf dem Claviere ſpielet man aus allen vier und zwantzig Ton-<lb/> Arten gleich rein und welches wohl zu mercken vollſtimmig, ohn-<lb/> geachtet die Harmonie wegen der Verhaͤltniſſe die geringſte Un-<lb/> reinigkeit ſogleich entdecket. Durch dieſe neue Art zu temperiren<lb/> ſind wir weiter gekommen als vor dem, obſchon die alte Tempe-<lb/> ratur ſo beſchaffen war, daß einige Ton-Arten reiner waren<lb/> als man noch jetzo bey vielen Jnſtrumenten antrift. Bey man-<lb/> chem andern Muſico wuͤrde man vielleicht die Unreinigkeit eher<lb/> vermercken, ohne einen Klang-Meſſer dabey noͤthig zu haben,<lb/> wenn man die hervorgebrachten melodiſchen Toͤne harmoniſch hoͤ-<lb/> ren ſolte. Dieſe Melodie betruͤgt uns oft und laͤßt uns nicht<lb/> eher ihre unreinen Toͤne verſpuͤren, bis dieſe Unreinigkeit ſo groß<lb/> iſt, als kaum bey manchem ſchlechtgeſtimmten Claviere.</p> </div><lb/> <div n="2"> <head>§. 15.</head> <p>Jeder Clavieriſt ſoll von Rechtswegen einen guten<lb/> Fluͤgel und auch ein gutes Clavicord haben, damit er auf bey-<lb/> den allerley Sachen abwechſelnd ſpielen koͤnne. Wer mit einer<lb/> guten Art auf dem Clavicorde ſpielen kan, wird ſolches auch auf<lb/> dem Fluͤgel zuwege bringen koͤnnen, aber nicht umgekehrt. Man<lb/> muß alſo das Clavicord zur Erlernung des guten Vortrags und<lb/> den Fluͤgel, um die gehoͤrige Kraft in die Finger zu kriegen,<lb/> brauchen. Spielt man beſtaͤndig auf dem Clavicorde, ſo wird<lb/> man viel Schwierigkeiten antreffen, auf dem Fluͤgel fortzukommen;<lb/> man wird alſo die Clavier-Sachen, wobey eine Begleitung von<lb/> andern Jnſtrumenten iſt, und wel<supplied>c</supplied>he alſo wegen der Schwaͤche<lb/> des Clavicords auf dem Fluͤgel gehoͤret werden muͤſſen, mit<lb/> <fw place="bottom" type="sig">B</fw><fw place="bottom" type="catch">Muͤhe</fw><lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [9/0017]
Einleitung.
Probirung der Quarten hat man den Vortheil, daß man die
noͤthige Schwebung der Quinten deutlicher hoͤren kan, weil die
Quarten ihrem Grund-Tone naͤher liegen als die Quinten. Sind
die Claviere ſo geſtimmt, ſo kan man ſie wegen der Ausuͤbung
mit Recht fuͤr die reinſte Jnſtrumente unter allen ausgeben,
indem zwar einige reiner geſtimmt aber nicht geſpielet werden.
Auf dem Claviere ſpielet man aus allen vier und zwantzig Ton-
Arten gleich rein und welches wohl zu mercken vollſtimmig, ohn-
geachtet die Harmonie wegen der Verhaͤltniſſe die geringſte Un-
reinigkeit ſogleich entdecket. Durch dieſe neue Art zu temperiren
ſind wir weiter gekommen als vor dem, obſchon die alte Tempe-
ratur ſo beſchaffen war, daß einige Ton-Arten reiner waren
als man noch jetzo bey vielen Jnſtrumenten antrift. Bey man-
chem andern Muſico wuͤrde man vielleicht die Unreinigkeit eher
vermercken, ohne einen Klang-Meſſer dabey noͤthig zu haben,
wenn man die hervorgebrachten melodiſchen Toͤne harmoniſch hoͤ-
ren ſolte. Dieſe Melodie betruͤgt uns oft und laͤßt uns nicht
eher ihre unreinen Toͤne verſpuͤren, bis dieſe Unreinigkeit ſo groß
iſt, als kaum bey manchem ſchlechtgeſtimmten Claviere.
§. 15. Jeder Clavieriſt ſoll von Rechtswegen einen guten
Fluͤgel und auch ein gutes Clavicord haben, damit er auf bey-
den allerley Sachen abwechſelnd ſpielen koͤnne. Wer mit einer
guten Art auf dem Clavicorde ſpielen kan, wird ſolches auch auf
dem Fluͤgel zuwege bringen koͤnnen, aber nicht umgekehrt. Man
muß alſo das Clavicord zur Erlernung des guten Vortrags und
den Fluͤgel, um die gehoͤrige Kraft in die Finger zu kriegen,
brauchen. Spielt man beſtaͤndig auf dem Clavicorde, ſo wird
man viel Schwierigkeiten antreffen, auf dem Fluͤgel fortzukommen;
man wird alſo die Clavier-Sachen, wobey eine Begleitung von
andern Jnſtrumenten iſt, und welche alſo wegen der Schwaͤche
des Clavicords auf dem Fluͤgel gehoͤret werden muͤſſen, mit
Muͤhe
B
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDie Erstauflage dieses Teils erschien als selbstä… [mehr] Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |