Bach, Carl Philipp Emanuel: Versuch über die wahre Art das Clavier zu spielen. Bd. 1. 2. Aufl. Berlin, 1753.Das dritte Hauptstück. natürlich, schmackhaft, singend und melodisch sind, da siedoch gleichwohl alle diese Gaben und Vorzüge nach ihrer Will- kühr bald diesem bald jenem, jedoch meistens mit einer unglück- lichen Wahl, austheilen. §. 13. Jndem ein Musickus nicht anders rühren kan, er cher
Das dritte Hauptſtuͤck. natuͤrlich, ſchmackhaft, ſingend und melodiſch ſind, da ſiedoch gleichwohl alle dieſe Gaben und Vorzuͤge nach ihrer Will- kuͤhr bald dieſem bald jenem, jedoch meiſtens mit einer ungluͤck- lichen Wahl, austheilen. §. 13. Jndem ein Muſickus nicht anders ruͤhren kan, er cher
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Das dritte Hauptſtuͤck.
natuͤrlich, ſchmackhaft, ſingend und melodiſch ſind, da ſie
doch gleichwohl alle dieſe Gaben und Vorzuͤge nach ihrer Will-
kuͤhr bald dieſem bald jenem, jedoch meiſtens mit einer ungluͤck-
lichen Wahl, austheilen.
§. 13. Jndem ein Muſickus nicht anders ruͤhren kan, er
ſey dann ſelbſt geruͤhrt; ſo muß er nothwendig ſich ſelbſt in alle
Affecten ſetzen koͤnnen, welche er bey ſeinen Zuhoͤrern erregen will;
er giebt ihnen ſeine Empfindungen zu verſtehen und bewegt ſie
ſolchergeſtalt am beſten zur Mit-Empfindung. Bey matten und
traurigen Stellen wird er matt und traurig. Man ſieht und
hoͤrt es ihm an. Dieſes geſchicht ebenfalls bey heftigen, luſti-
gen, und andern Arten von Gedancken, wo er ſich alsdenn in
dieſe Affecten ſetzet. Kaum, daß er einen ſtillt, ſo erregt er
einen andern, folglich wechſelt er beſtaͤndig mit Leidenſchaften ab.
Dieſe Schuldigkeit beobachtet er uͤberhaupt bey Stuͤcken, welche
ausdruͤckend geſetzt ſind, ſie moͤgen von ihm ſelbſt oder von je-
manden anders herruͤhren; im letztern Falle muß er dieſelbe Lei-
denſchaften bey ſich empfinden, welche der Urheber des fremden
Stuͤcks bey deſſen Verfertigung hatte. Beſonders aber kan
ein Clavieriſte vorzuͤglich auf allerley Art ſich der Gemuͤther ſei-
ner Zuhoͤrer durch Fantaſien aus dem Kopfe bemeiſtern. Daß
alles dieſes ohne die geringſten Gebehrden abgehen koͤnne, wird
derjenige blos laͤugnen, welcher durch ſeine Unempfindlichkeit ge-
noͤthigt iſt, wie ein geſchnitztes Bild vor dem Jnſtrumente zu ſitzen.
So unanſtaͤndig und ſchaͤdlich heßliche Gebaͤhrden ſind: ſo nuͤtzlich
ſind die guten, indem ſie unſern Abſichten bey den Zuhoͤrern zu
Huͤlfe kommen. Dieſe letztern Ausuͤber machen ungeachtet ihrer
Fertigkeit ihren ſonſt nicht uͤbeln Stuͤcken oft ſelbſten ſchlechte Ehre.
Sie wiſſen nicht, was darinnen ſteckt, weil ſie es nicht heraus-
bringen koͤnnen. Spielt ſolche Stuͤcke aber ein anderer, wel-
cher
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