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Allgemeine Zeitung. Nr. 169. Augsburg, 17. Juni 1840.

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einseitig abgeschlossen in dem System des Faches bleiben kann, welches das seinige ist. Daher es ihm möglich wurde, die Satzungen, worauf die römische Hierarchie des Mittelalters gegründet ward, in ihrem tiefen Einwirken aufzufassen und jenen Wunderbau - den die herrlichen Dome so würdig repräsentiren, welche aus den damaligen Zeiten in die unsrige hineinragen, wie die Geisterwelt in das Alltagsleben - so anschaulich und lebendig in Innocenz's III Leben darzustellen, daß ihm dafür die verdientesten Huldigungen von den Gläubigen katholischer Confession zu Theil wurden. Sein Herz, dessen edeln Sinn er als Vater, Freund, Bürger und ganz vorzüglich als Amtsgenosse in den mannichfaltigsten Lebensverhältnissen zu bewähren hinlängliche Veranlassung fand, wurde dadurch gerade erweitert, und erschloß sich auch dem Theile der nachbarlichen Bevölkerung, welcher in neuern Zeiten vorzugsweise kirchlich und bürgerlich zu leiden hatte, durch die immer noch fortdauernden Angriffe derer, welche sich durch Lostrennung von der Kirche der Gemüther versichern wollen, um so ungestörter die Spoliation der Kirchen und geistlichen Corporationen durchsetzen zu können. Wenn Dr. Hurter allen denen, die zu seinen Nächsten gehören, mit That und Rath, Hülfe und Trost treu in allen Angelegenheiten beigestanden hatte - wie denn seine immer gleiche, bewundernswürdige Bereitwilligkeit und Kraft, jedem beizustehen, der sich an ihn wandte, von Jedermann, vorzüglich aber von seinen Collegen, anerkannt wird - so entzog er sich auch den andern Brüdern nicht. Er handelte hierin gerade so, wie in seinen wissenschaftlichen Bestrebungen, das heißt, nachdem er die reformirte Liturgie seiner vaterländischen Kirche vertheidigt und vor der Abolition gesichert - nachdem er den Heidelbergischen Katechismus durch seine Kraft zu erhalten namhaft beigetragen - nachdem er hiedurch für seine Kirche das Seine gethan, ließ er sein Meisterwerk gründlicher Forschung, Innocenz III, ausgehen. Während dieses geschah, verhielt er sich aber mit nichten unthätig für seine Kirche; er führte die Ordination der jungen Geistlichen nach einer wahrhaft evangelischen, von ihm entworfenen Liturgie ein, und arbeitete mit der größten Aufopferung an der Redaction des neuen Gesangbuchs, dessen Vollendung er 1839 in einer wahrhaft christlich-evangelischen Rede im Convent feierte. Dieß führt mich auf jenes unglückliche Incidens zurück.

Ehe die Sache jenes Gerüchts geprüft und das Resultat bekannt war, war aus Veranlassung laufender Geschäfte der Stadtconvent versammelt; in diesem nun fand sich die Mehrzahl der anwesenden - meist jüngern - Geistlichen bewogen, an ihren Dekan die Forderung zu richten: "er möchte sie über jenes Gerücht beruhigen." Dr. Hurter erklärte jenes Gerücht für eine Lüge. Das im Verhältniß des jüngern Alters crescendo immer heftiger und anmaßlicher ausgedrückte Mißtrauen hatte ihn aber tief beleidigt, und er soll den Stadtconvent mit den hingeworfenen Worten aufgehoben haben: "Nun, so kann man ja einen Generalconvent abhalten." Dieß war an einem Montag; in den nächstfolgenden Tagen wurde der Ungrund jenes Gerüchts gerichtlich beurkundet und das Resultat bekannt; allein in Hurters Brust stak der Pfeil, der giftige, den Mißtrauen voreilig von der Sehne geschnellt hatte. In seinem Namen wurde der Convent berufen; allein statt persönlich zu erscheinen und als Dekan zu präsidiren, schickte er seine motivirte Resignation von der Dekanatswürde schriftlich ein. Diejenigen, welche den Hergang jenes Stadtconvents nicht gekannt, waren betroffen, und ließen sich nun um so leichter von denen bereden, welche damals schon nur die Gelegenheit hastig ergriffen hatten, um einem lang verhaltenen Groll Luft zu machen. Sie drangen mit Majorität durch: man solle von Dr. Friedrich Hurter, dem Decan des Convents, dem Antistes der Kantonskirche, das schriftliche Zeugniß verlangen: "er sey der protestantischen Kirche von Herzen zugethan." Somit stellte man ihn in die Reihe der Hochverräther, die fortamten, um desto eher den Ruin ihres Staats, ihrer Kirche herbeizuführen. Hurter verwies auf seine dreißigjährige Lehre, auf sein Leben, auf seine Amtsführung; er lud die Zweifelnden ein, in seine Kirche zum St. Johann zu kommen, ihn zu hören. Der aufs neue versammelte Convent nahm diese einzig mögliche Antwort nicht an; er wiederholte die Forderung. Er erklärte sich mündlich, wie das erstemal schriftlich. Der Convent ließ nicht ab; Hurter beantwortete das letzte Schreiben gar nicht mehr, das ihm einen Termin festgesetzt hatte, bei dessen Uebertretung die Sache dann der Regierung als Grund angegeben werden sollte, warum die jetzige Synode noch nicht (gewöhnlich am 1 Mai des Jahres) gehalten worden sey. Am 11 dieses Monats wurde ein Generalconvent gehalten und nach zehnstündigen Debatten, "ob der Grund des Verzugs bloß im Allgemeinen angegeben oder die an Dr. Hurter gestellte Frage wörtlich aufgenommen und der Hergang und gegenwärtige Stand der Sache der Regierung mitgetheilt werden solle" - das letztere beschlossen, und zwar mit dreizehn Stimmen, während eilf für das erstere stimmten. Die Hurtern widerwärtige Partei ergriff diese Gelegenheit, von der Regierung, welche die Errichtung einer katholischen Kirche in Schaffhausen genehmigt hat, durch Sammlung von Unterschriften Garantien dafür zu verlangen, daß nie und nimmermehr Schaffhausen oder eine Gemeinde derselben - die es noch nicht ist - paritätisch werden könne, was nach der gegenwärtigen Constitution und einem auf tausend Jahre ausgedehnten Probabilitätscalcul wohl möglich wäre! Ein Mitglied des Ministeriums hat zwei irenische Schreiben an den Convent ergehen lassen, worin es seine tiefe Mißbilligung der vom Convent gegen seinen Dekan gethanen Schritte ausspricht. Das Motto, welches es in dem Vorworte dieser nunmehr gedruckten Schreiben anführt, bezeichnet so trefflich die Art jener Partei, daß wir es hier schließlich wiederholen:

Quae illaec res est? quid illi homines quaerunt apud aedes meas?

Quid volunt? quid introspectant?

Was gibt's? was schnuppert ihr um mein Haus herum?

Was wollt ihr denn? was sucht ihr zu erspähen?

Diese Schreiben des zweiten Geistlichen der Stadt, eines siebenzigjährigen Greises, sind unbeachtet geblieben von jenen dreizehn - das charakterisirt sie und ihre Sache.

Südamerika.

Neu angekommene und im Examiner und der Post bekannt gemachte englische Briefe aus Buenos-Ayres und Montevideo enthalten aufklärende Berichte über den verwickelten Zustand der Parteien in jenem Theil Süd-Amerika's so wie Muthmaßungen über den Ausgang des Kampfs zwischen Lavalle und Rosas. "Der Kampf zwischen Lavalle und Rosas dauert nun zwölf Jahre. Als nämlich zu Ende des Kriegs zwischen Brasilien und der Banda Oriental, im Jahre 1828, Lavalle, Anführer der Truppen von Buenos-Ayres in jenem Kriege, mit 300 Mann nach Buenos-Ayres zurückkehrte, verrieth er gleich nach der Landung durch mehrere wirkliche eigengenmächtige Schritte seine Absicht, sich auf gewaltsame Weise an die Spitze des Staats zu setzen. Der bisherige Gouverneur, Don Manuel Dorrego, ergriff demnach die Flucht, und begab sich in das Innere des Landes unter den Schutz des Miliz- oder Gauchosgenerals Rosas, Comandante de Campana. Dieser sammelte alsobald seine wilde Reiterei, und zog dem Lavalle entgegen, wurde aber bei Navarro, ungefähr 10 Stunden

einseitig abgeschlossen in dem System des Faches bleiben kann, welches das seinige ist. Daher es ihm möglich wurde, die Satzungen, worauf die römische Hierarchie des Mittelalters gegründet ward, in ihrem tiefen Einwirken aufzufassen und jenen Wunderbau – den die herrlichen Dome so würdig repräsentiren, welche aus den damaligen Zeiten in die unsrige hineinragen, wie die Geisterwelt in das Alltagsleben – so anschaulich und lebendig in Innocenz's III Leben darzustellen, daß ihm dafür die verdientesten Huldigungen von den Gläubigen katholischer Confession zu Theil wurden. Sein Herz, dessen edeln Sinn er als Vater, Freund, Bürger und ganz vorzüglich als Amtsgenosse in den mannichfaltigsten Lebensverhältnissen zu bewähren hinlängliche Veranlassung fand, wurde dadurch gerade erweitert, und erschloß sich auch dem Theile der nachbarlichen Bevölkerung, welcher in neuern Zeiten vorzugsweise kirchlich und bürgerlich zu leiden hatte, durch die immer noch fortdauernden Angriffe derer, welche sich durch Lostrennung von der Kirche der Gemüther versichern wollen, um so ungestörter die Spoliation der Kirchen und geistlichen Corporationen durchsetzen zu können. Wenn Dr. Hurter allen denen, die zu seinen Nächsten gehören, mit That und Rath, Hülfe und Trost treu in allen Angelegenheiten beigestanden hatte – wie denn seine immer gleiche, bewundernswürdige Bereitwilligkeit und Kraft, jedem beizustehen, der sich an ihn wandte, von Jedermann, vorzüglich aber von seinen Collegen, anerkannt wird – so entzog er sich auch den andern Brüdern nicht. Er handelte hierin gerade so, wie in seinen wissenschaftlichen Bestrebungen, das heißt, nachdem er die reformirte Liturgie seiner vaterländischen Kirche vertheidigt und vor der Abolition gesichert – nachdem er den Heidelbergischen Katechismus durch seine Kraft zu erhalten namhaft beigetragen – nachdem er hiedurch für seine Kirche das Seine gethan, ließ er sein Meisterwerk gründlicher Forschung, Innocenz III, ausgehen. Während dieses geschah, verhielt er sich aber mit nichten unthätig für seine Kirche; er führte die Ordination der jungen Geistlichen nach einer wahrhaft evangelischen, von ihm entworfenen Liturgie ein, und arbeitete mit der größten Aufopferung an der Redaction des neuen Gesangbuchs, dessen Vollendung er 1839 in einer wahrhaft christlich-evangelischen Rede im Convent feierte. Dieß führt mich auf jenes unglückliche Incidens zurück.

Ehe die Sache jenes Gerüchts geprüft und das Resultat bekannt war, war aus Veranlassung laufender Geschäfte der Stadtconvent versammelt; in diesem nun fand sich die Mehrzahl der anwesenden – meist jüngern – Geistlichen bewogen, an ihren Dekan die Forderung zu richten: „er möchte sie über jenes Gerücht beruhigen.“ Dr. Hurter erklärte jenes Gerücht für eine Lüge. Das im Verhältniß des jüngern Alters crescendo immer heftiger und anmaßlicher ausgedrückte Mißtrauen hatte ihn aber tief beleidigt, und er soll den Stadtconvent mit den hingeworfenen Worten aufgehoben haben: „Nun, so kann man ja einen Generalconvent abhalten.“ Dieß war an einem Montag; in den nächstfolgenden Tagen wurde der Ungrund jenes Gerüchts gerichtlich beurkundet und das Resultat bekannt; allein in Hurters Brust stak der Pfeil, der giftige, den Mißtrauen voreilig von der Sehne geschnellt hatte. In seinem Namen wurde der Convent berufen; allein statt persönlich zu erscheinen und als Dekan zu präsidiren, schickte er seine motivirte Resignation von der Dekanatswürde schriftlich ein. Diejenigen, welche den Hergang jenes Stadtconvents nicht gekannt, waren betroffen, und ließen sich nun um so leichter von denen bereden, welche damals schon nur die Gelegenheit hastig ergriffen hatten, um einem lang verhaltenen Groll Luft zu machen. Sie drangen mit Majorität durch: man solle von Dr. Friedrich Hurter, dem Decan des Convents, dem Antistes der Kantonskirche, das schriftliche Zeugniß verlangen: „er sey der protestantischen Kirche von Herzen zugethan.“ Somit stellte man ihn in die Reihe der Hochverräther, die fortamten, um desto eher den Ruin ihres Staats, ihrer Kirche herbeizuführen. Hurter verwies auf seine dreißigjährige Lehre, auf sein Leben, auf seine Amtsführung; er lud die Zweifelnden ein, in seine Kirche zum St. Johann zu kommen, ihn zu hören. Der aufs neue versammelte Convent nahm diese einzig mögliche Antwort nicht an; er wiederholte die Forderung. Er erklärte sich mündlich, wie das erstemal schriftlich. Der Convent ließ nicht ab; Hurter beantwortete das letzte Schreiben gar nicht mehr, das ihm einen Termin festgesetzt hatte, bei dessen Uebertretung die Sache dann der Regierung als Grund angegeben werden sollte, warum die jetzige Synode noch nicht (gewöhnlich am 1 Mai des Jahres) gehalten worden sey. Am 11 dieses Monats wurde ein Generalconvent gehalten und nach zehnstündigen Debatten, „ob der Grund des Verzugs bloß im Allgemeinen angegeben oder die an Dr. Hurter gestellte Frage wörtlich aufgenommen und der Hergang und gegenwärtige Stand der Sache der Regierung mitgetheilt werden solle“ – das letztere beschlossen, und zwar mit dreizehn Stimmen, während eilf für das erstere stimmten. Die Hurtern widerwärtige Partei ergriff diese Gelegenheit, von der Regierung, welche die Errichtung einer katholischen Kirche in Schaffhausen genehmigt hat, durch Sammlung von Unterschriften Garantien dafür zu verlangen, daß nie und nimmermehr Schaffhausen oder eine Gemeinde derselben – die es noch nicht ist – paritätisch werden könne, was nach der gegenwärtigen Constitution und einem auf tausend Jahre ausgedehnten Probabilitätscalcul wohl möglich wäre! Ein Mitglied des Ministeriums hat zwei irenische Schreiben an den Convent ergehen lassen, worin es seine tiefe Mißbilligung der vom Convent gegen seinen Dekan gethanen Schritte ausspricht. Das Motto, welches es in dem Vorworte dieser nunmehr gedruckten Schreiben anführt, bezeichnet so trefflich die Art jener Partei, daß wir es hier schließlich wiederholen:

Quae illaec res est? quid illi homines quaerunt apud aedes meas?

Quid volunt? quid introspectant?

Was gibt's? was schnuppert ihr um mein Haus herum?

Was wollt ihr denn? was sucht ihr zu erspähen?

Diese Schreiben des zweiten Geistlichen der Stadt, eines siebenzigjährigen Greises, sind unbeachtet geblieben von jenen dreizehn – das charakterisirt sie und ihre Sache.

Südamerika.

Neu angekommene und im Examiner und der Post bekannt gemachte englische Briefe aus Buenos-Ayres und Montevideo enthalten aufklärende Berichte über den verwickelten Zustand der Parteien in jenem Theil Süd-Amerika's so wie Muthmaßungen über den Ausgang des Kampfs zwischen Lavalle und Rosas. „Der Kampf zwischen Lavalle und Rosas dauert nun zwölf Jahre. Als nämlich zu Ende des Kriegs zwischen Brasilien und der Banda Oriental, im Jahre 1828, Lavalle, Anführer der Truppen von Buenos-Ayres in jenem Kriege, mit 300 Mann nach Buenos-Ayres zurückkehrte, verrieth er gleich nach der Landung durch mehrere wirkliche eigengenmächtige Schritte seine Absicht, sich auf gewaltsame Weise an die Spitze des Staats zu setzen. Der bisherige Gouverneur, Don Manuel Dorrego, ergriff demnach die Flucht, und begab sich in das Innere des Landes unter den Schutz des Miliz- oder Gauchosgenerals Rosas, Comandante de Campana. Dieser sammelte alsobald seine wilde Reiterei, und zog dem Lavalle entgegen, wurde aber bei Navarro, ungefähr 10 Stunden

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einseitig abgeschlossen in dem System des Faches bleiben kann, welches das seinige ist. Daher es ihm möglich wurde, die Satzungen, worauf die römische Hierarchie des Mittelalters gegründet ward, in ihrem tiefen Einwirken aufzufassen und jenen Wunderbau &#x2013; den die herrlichen Dome so würdig repräsentiren, welche aus den damaligen Zeiten in die unsrige hineinragen, wie die Geisterwelt in das Alltagsleben &#x2013; so anschaulich und lebendig in Innocenz's III Leben darzustellen, daß ihm dafür die verdientesten Huldigungen von den Gläubigen katholischer Confession zu Theil wurden. Sein Herz, dessen edeln Sinn er als Vater, Freund, Bürger und ganz vorzüglich als Amtsgenosse in den mannichfaltigsten Lebensverhältnissen zu bewähren hinlängliche Veranlassung fand, wurde dadurch gerade erweitert, und erschloß sich auch dem Theile der nachbarlichen Bevölkerung, welcher in neuern Zeiten vorzugsweise kirchlich und bürgerlich zu leiden hatte, durch die immer noch fortdauernden Angriffe derer, welche sich durch Lostrennung von der Kirche der Gemüther versichern wollen, um so ungestörter die Spoliation der Kirchen und geistlichen Corporationen durchsetzen zu können. Wenn Dr. Hurter allen denen, die zu seinen Nächsten gehören, mit That und Rath, Hülfe und Trost treu in allen Angelegenheiten beigestanden hatte &#x2013; wie denn seine immer gleiche, bewundernswürdige Bereitwilligkeit und Kraft, jedem beizustehen, der sich an ihn wandte, von Jedermann, vorzüglich aber von seinen Collegen, anerkannt wird &#x2013; so entzog er sich auch den andern Brüdern nicht. Er handelte hierin gerade so, wie in seinen wissenschaftlichen Bestrebungen, das heißt, nachdem er die reformirte Liturgie seiner vaterländischen Kirche vertheidigt und vor der Abolition gesichert &#x2013; nachdem er den Heidelbergischen Katechismus durch seine Kraft zu erhalten namhaft beigetragen &#x2013; nachdem er hiedurch für <hi rendition="#g">seine</hi> Kirche das <hi rendition="#g">Seine</hi> gethan, ließ er sein Meisterwerk gründlicher Forschung, Innocenz III, ausgehen. Während dieses geschah, verhielt er sich aber mit nichten unthätig für seine Kirche; er führte die Ordination der jungen Geistlichen nach einer wahrhaft evangelischen, von ihm entworfenen Liturgie ein, und arbeitete mit der größten Aufopferung an der Redaction des neuen Gesangbuchs, dessen Vollendung er 1839 in einer wahrhaft christlich-evangelischen Rede im Convent feierte. Dieß führt mich auf jenes unglückliche Incidens zurück.</p><lb/>
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[1348/0012] einseitig abgeschlossen in dem System des Faches bleiben kann, welches das seinige ist. Daher es ihm möglich wurde, die Satzungen, worauf die römische Hierarchie des Mittelalters gegründet ward, in ihrem tiefen Einwirken aufzufassen und jenen Wunderbau – den die herrlichen Dome so würdig repräsentiren, welche aus den damaligen Zeiten in die unsrige hineinragen, wie die Geisterwelt in das Alltagsleben – so anschaulich und lebendig in Innocenz's III Leben darzustellen, daß ihm dafür die verdientesten Huldigungen von den Gläubigen katholischer Confession zu Theil wurden. Sein Herz, dessen edeln Sinn er als Vater, Freund, Bürger und ganz vorzüglich als Amtsgenosse in den mannichfaltigsten Lebensverhältnissen zu bewähren hinlängliche Veranlassung fand, wurde dadurch gerade erweitert, und erschloß sich auch dem Theile der nachbarlichen Bevölkerung, welcher in neuern Zeiten vorzugsweise kirchlich und bürgerlich zu leiden hatte, durch die immer noch fortdauernden Angriffe derer, welche sich durch Lostrennung von der Kirche der Gemüther versichern wollen, um so ungestörter die Spoliation der Kirchen und geistlichen Corporationen durchsetzen zu können. Wenn Dr. Hurter allen denen, die zu seinen Nächsten gehören, mit That und Rath, Hülfe und Trost treu in allen Angelegenheiten beigestanden hatte – wie denn seine immer gleiche, bewundernswürdige Bereitwilligkeit und Kraft, jedem beizustehen, der sich an ihn wandte, von Jedermann, vorzüglich aber von seinen Collegen, anerkannt wird – so entzog er sich auch den andern Brüdern nicht. Er handelte hierin gerade so, wie in seinen wissenschaftlichen Bestrebungen, das heißt, nachdem er die reformirte Liturgie seiner vaterländischen Kirche vertheidigt und vor der Abolition gesichert – nachdem er den Heidelbergischen Katechismus durch seine Kraft zu erhalten namhaft beigetragen – nachdem er hiedurch für seine Kirche das Seine gethan, ließ er sein Meisterwerk gründlicher Forschung, Innocenz III, ausgehen. Während dieses geschah, verhielt er sich aber mit nichten unthätig für seine Kirche; er führte die Ordination der jungen Geistlichen nach einer wahrhaft evangelischen, von ihm entworfenen Liturgie ein, und arbeitete mit der größten Aufopferung an der Redaction des neuen Gesangbuchs, dessen Vollendung er 1839 in einer wahrhaft christlich-evangelischen Rede im Convent feierte. Dieß führt mich auf jenes unglückliche Incidens zurück. Ehe die Sache jenes Gerüchts geprüft und das Resultat bekannt war, war aus Veranlassung laufender Geschäfte der Stadtconvent versammelt; in diesem nun fand sich die Mehrzahl der anwesenden – meist jüngern – Geistlichen bewogen, an ihren Dekan die Forderung zu richten: „er möchte sie über jenes Gerücht beruhigen.“ Dr. Hurter erklärte jenes Gerücht für eine Lüge. Das im Verhältniß des jüngern Alters crescendo immer heftiger und anmaßlicher ausgedrückte Mißtrauen hatte ihn aber tief beleidigt, und er soll den Stadtconvent mit den hingeworfenen Worten aufgehoben haben: „Nun, so kann man ja einen Generalconvent abhalten.“ Dieß war an einem Montag; in den nächstfolgenden Tagen wurde der Ungrund jenes Gerüchts gerichtlich beurkundet und das Resultat bekannt; allein in Hurters Brust stak der Pfeil, der giftige, den Mißtrauen voreilig von der Sehne geschnellt hatte. In seinem Namen wurde der Convent berufen; allein statt persönlich zu erscheinen und als Dekan zu präsidiren, schickte er seine motivirte Resignation von der Dekanatswürde schriftlich ein. Diejenigen, welche den Hergang jenes Stadtconvents nicht gekannt, waren betroffen, und ließen sich nun um so leichter von denen bereden, welche damals schon nur die Gelegenheit hastig ergriffen hatten, um einem lang verhaltenen Groll Luft zu machen. Sie drangen mit Majorität durch: man solle von Dr. Friedrich Hurter, dem Decan des Convents, dem Antistes der Kantonskirche, das schriftliche Zeugniß verlangen: „er sey der protestantischen Kirche von Herzen zugethan.“ Somit stellte man ihn in die Reihe der Hochverräther, die fortamten, um desto eher den Ruin ihres Staats, ihrer Kirche herbeizuführen. Hurter verwies auf seine dreißigjährige Lehre, auf sein Leben, auf seine Amtsführung; er lud die Zweifelnden ein, in seine Kirche zum St. Johann zu kommen, ihn zu hören. Der aufs neue versammelte Convent nahm diese einzig mögliche Antwort nicht an; er wiederholte die Forderung. Er erklärte sich mündlich, wie das erstemal schriftlich. Der Convent ließ nicht ab; Hurter beantwortete das letzte Schreiben gar nicht mehr, das ihm einen Termin festgesetzt hatte, bei dessen Uebertretung die Sache dann der Regierung als Grund angegeben werden sollte, warum die jetzige Synode noch nicht (gewöhnlich am 1 Mai des Jahres) gehalten worden sey. Am 11 dieses Monats wurde ein Generalconvent gehalten und nach zehnstündigen Debatten, „ob der Grund des Verzugs bloß im Allgemeinen angegeben oder die an Dr. Hurter gestellte Frage wörtlich aufgenommen und der Hergang und gegenwärtige Stand der Sache der Regierung mitgetheilt werden solle“ – das letztere beschlossen, und zwar mit dreizehn Stimmen, während eilf für das erstere stimmten. Die Hurtern widerwärtige Partei ergriff diese Gelegenheit, von der Regierung, welche die Errichtung einer katholischen Kirche in Schaffhausen genehmigt hat, durch Sammlung von Unterschriften Garantien dafür zu verlangen, daß nie und nimmermehr Schaffhausen oder eine Gemeinde derselben – die es noch nicht ist – paritätisch werden könne, was nach der gegenwärtigen Constitution und einem auf tausend Jahre ausgedehnten Probabilitätscalcul wohl möglich wäre! Ein Mitglied des Ministeriums hat zwei irenische Schreiben an den Convent ergehen lassen, worin es seine tiefe Mißbilligung der vom Convent gegen seinen Dekan gethanen Schritte ausspricht. Das Motto, welches es in dem Vorworte dieser nunmehr gedruckten Schreiben anführt, bezeichnet so trefflich die Art jener Partei, daß wir es hier schließlich wiederholen: Quae illaec res est? quid illi homines quaerunt apud aedes meas? Quid volunt? quid introspectant? Was gibt's? was schnuppert ihr um mein Haus herum? Was wollt ihr denn? was sucht ihr zu erspähen? Diese Schreiben des zweiten Geistlichen der Stadt, eines siebenzigjährigen Greises, sind unbeachtet geblieben von jenen dreizehn – das charakterisirt sie und ihre Sache. Südamerika. Neu angekommene und im Examiner und der Post bekannt gemachte englische Briefe aus Buenos-Ayres und Montevideo enthalten aufklärende Berichte über den verwickelten Zustand der Parteien in jenem Theil Süd-Amerika's so wie Muthmaßungen über den Ausgang des Kampfs zwischen Lavalle und Rosas. „Der Kampf zwischen Lavalle und Rosas dauert nun zwölf Jahre. Als nämlich zu Ende des Kriegs zwischen Brasilien und der Banda Oriental, im Jahre 1828, Lavalle, Anführer der Truppen von Buenos-Ayres in jenem Kriege, mit 300 Mann nach Buenos-Ayres zurückkehrte, verrieth er gleich nach der Landung durch mehrere wirkliche eigengenmächtige Schritte seine Absicht, sich auf gewaltsame Weise an die Spitze des Staats zu setzen. Der bisherige Gouverneur, Don Manuel Dorrego, ergriff demnach die Flucht, und begab sich in das Innere des Landes unter den Schutz des Miliz- oder Gauchosgenerals Rosas, Comandante de Campana. Dieser sammelte alsobald seine wilde Reiterei, und zog dem Lavalle entgegen, wurde aber bei Navarro, ungefähr 10 Stunden

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Zitationshilfe: Allgemeine Zeitung. Nr. 169. Augsburg, 17. Juni 1840, S. 1348. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/augsburgerallgemeine_169_18400617/12>, abgerufen am 26.04.2024.