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Allgemeine Zeitung. Nr. 101. Augsburg, 10. April 1840.

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werde. Von den in den Abtheilungen über die Vorschläge in Betreff des Grundgesetzes stattgehabten Prüfungen vernimmt man, daß man neuerdings auf eine genügende Revision gedrungen hat. Man hat nochmals verlangt, die Regierung möge ihre Aufmerksamkeit vielen von den Abtheilungen früher entwickelten Punkten zuwenden, namentlich bleibt der Wunsch allgemein, daß die ministerielle Verantwortlichkeit in dem von der Kammer gemeinten Sinne als Grundlage der neuen Staatsverfassung in dasselbe aufgenommen und darin festgestellt würde. Mit einigen der jüngst vorgeschlagenen Modificationen ist man zufrieden. So war es der Mehrzahl der Mitglieder angenehm, daß die Eintheilung der Staatsbudgets in ein- und zehnjährige aufhören soll. Man begreift jedoch nicht, weßhalb die Ausgaben für zwei Jahre, und die Einnahmen auf unbestimmte Zeit festgestellt werden sollen; es findet dieß durchaus keinen Beifall.

Nach einer o ficiellen Uebersicht betrug die Bevölkerung von Niederland, ohne das Herzogthum Limburg, am 1 Jan. 1839 2,615,029 Seelen. Im Jahr 1838 wurden 21,019 Ehen geschlossen, während 60 Ehescheidungen statt hatten.

Am 29 v. M. starb zu Leeuwarden der Gouverneur der Provinz Friesland, Baron J. Adrian van Zuylen van Nyevelt, 63 Jahre alt.

Deutschland.

Die (eben in den Protokollen gedruckt erschienenen) Reichsrathssitzungen vom 6 und 13 März, denen der königliche Minister des Innern nicht beiwohnte, waren vorzugsweise der von der Regierung beantragten Abänderung des verfassungsmäßigen Budget-Vorlage-Termins und den zwei früher modificirten Heer-Ergänzungs-Novellen gewidmet. Letzterer Gegenstand ging beinahe ohne Debatte im Sinne der Regierung durch. Wir heben daher bloß eine Stelle des Referats aus, welche übrigens sowohl im Ausschuß als in der Kammer ohne weitere Erörterung blieb. "Wird, so heißt es dort, unter repräsentativer Verfassung jene verstanden, in welcher die einzelnen Ständeglieder nicht ihre speciellen Wähler und deren Localinteressen, sondern die Gesammtheit repräsentiren, so ist das bayerische Ständewesen offenbar ein repräsentatives, da hier laut Tit. VII §. 25 des Grundgesetzes sogar eidlich gelobet werden muß, des Landes allgemeines Wohl und Beste ohne Rücksicht auf besondere Stände und Classen nach innerer Ueberzeugung zu berathen. Soll aber der Ausdruck "repräsentative Verfassung" jenes Repräsentativsystem bezeichnen, das in Mitte steht zwischen der bloß beschränkten und der eigentlich constitutionellen Monarchie, so ermangeln dem bayerischen Staatsrecht allerdings mehrere sehr wesentliche Kriterien dieses Systems, namentlich die Wahl nach Districten ohne Classenausscheidung, die ausschließend ministerielle Verantwortlichkeit, mit dem sie bedingenden Contrasignirtseynmüssen jedes Befehls durch einen verantwortlichen Minister, die Willigung sämmtlicher Einnahmen, unbeschränktes Petitions- und Beschwerderecht und ähnliche Dinge mehr. Was auch am 19 April 1818 von den mit Vorbereitung des Grundgesetzes beauftragten Staatsmännern beabsichtet und von dem erhabenen Herrscher gut geheißen werden mochte, stets bleibt eine Thatsache unbestreitbar: am 26 Mai jenes Jahres wurde eine gemischte, d. h. eine Verfassung kundgegeben, welche weder an der alten landständischen Institution, noch an dem modernen Repräsentativsystem festhielt, deren Bestimmungen sonach in jedem speciellen Fall nur nach dem positiven Texte der treffenden Gesetzesstelle beurtheilt werden können. Theoretische Wortkämpfe führen hier so wenig zum Ziel, als sie, gegenüber den ältern Verfassungen, gefrommt haben würden, deren mannichfaltige, zum Theil höchst eigenthümliche Bestimmungen und Rechtsabgränzungen nur aus sich stammten und schöpften, in wie außer dem Bereiche germanischer Staatenbildung den Ständen häufig äußerst ausgedehnte Befugnisse einräumend, ohne deßhalb mit der in jener Zeit so hochgestellten Majestät des Thrones und mit dem damals allgemein geltenden göttlichen Recht in doctrinelle Zwiste über ihre Natur und Definition verflochten zu werden. Authentisch interpretirend können die dem Grundgesetz vorangegangenen Berathungen nie werden, indem sie nicht mit jenem publicirt, letzteres vielmehr als isolirte Erscheinung vom Lande acceptirt und beschworen, und Zusätze jeder Art also auch authentische Auslegungen durch eine eigene Bestimmung desselben (§. 5 des X. Titels) ausdrücklich dem legislativen Felde zugewiesen wurden. Historischer Werth höchster Ordnung hinwieder muß ihnen allerdings auch ständischerseits von dem Tage an zuerkannt werden, wo alle sie bildenden Documente, d. h. (nach der sehr richtigen Bemerkung eines Hrn. Reichsraths) sämmtliche Protokolle der damals niedergesetzten Ministerialconferenz, sammt dem sie basirenden Constitutionsentwurf von 1814 und dessen Motiven, und sammt jenen Plenarberathungen des k. Staatsraths, in welchem sie nochmalig Prüfung und letzte Bereifung erfuhren, entweder durch den Druck allgemein kundgegeben, oder in unzweifelhaft vollständigen Abschriften dem ständischen Archiv einverleibt werden. Einzelne Enthüllungen aber können nie Einfluß auf die ständische Beurtheilung erlangen, sowohl weil den Kammern darüber die Gewißheit mangelt, ob nicht (was bei fortschreitenden Arbeiten so leicht der Fall seyn kann) die Gesichtspunkte in dem Schooß der Conferenz selbst mehrfach modificirt, und ob nicht ein von dort entworfener Paragraph von dem Staatsrath, und auf dessen Gutachten von dem erhabenen Geber der Verfassung später aus abweichenden, vielleicht diametral entgegengesetzten Motiven gut geheißen worden, sondern auch, weil jede Auslegung zugleich ob- und subjectiver Natur ist, und die Regierung bei redlichster Absicht nie wissen kann, ob den Ständen aus dem Zusammenhang und Zusammenhalt aller Quellen eine mit dem regiminalen Dafürhalten in jeder Beziehung übereinstimmende Ansicht hervorgehen werde. Referent ist weit entfernt, eine Veröffentlichung dessen provociren zu wollen, was bisher allseitig als ausschließendes Eigenthum der Regierung gegolten, und dessen Kundwerden ihm überdieß, namentlich wenn mehrere der noch geheimen Berathungsprotokolle dem nun bekannt gegebenen über die Ausschließbarkeit der Advocaten gleichen sollten, aus dem gouvernementalen Standpunkt mehr denn bedenklich scheint. Aber den Wunsch kann er nicht unterdrücken, lieber nichts, als Auszüge dargereicht zu sehen, welche ohne Erzielung des gewünschten Effects nur dazu dienen, die ohnehin mehr und mehr sich verwickelnde Grundlage unseres öffentlichen Lebens in noch höherem Grade zu compliciren und künftigen Erörterungen, wohl auch Anmuthungen der unangenehmsten Art, Thor und Thür zu öffnen."

Umfassendere Behandlung erfuhr die angeregte Revision des VII Verfassungstitels. Der Berichterstatter hatte vor Allem hingewiesen auf jene grundgesetzliche Bestimmung, wonach Aenderungen des Grundgesetzes nur wegen absoluter Nothwendigkeit oder behufs unbestreitbaren Fortschritts stattfinden dürfen. Er hatte dann dargethan, warum ihm der jetzt geltende Budget-Vorlagetermin eben so zweckmäßig als ausführbar erschiene. Er hatte entwickelt, wie in Bayern wegen der nur von drei zu drei Jahren stattfindenden Landtage und wegen der sechsjährigen Willigungsperioden jeder Budgetlandtag eine Rechnungsziffer von nahe an 330 Millionen, und eine

werde. Von den in den Abtheilungen über die Vorschläge in Betreff des Grundgesetzes stattgehabten Prüfungen vernimmt man, daß man neuerdings auf eine genügende Revision gedrungen hat. Man hat nochmals verlangt, die Regierung möge ihre Aufmerksamkeit vielen von den Abtheilungen früher entwickelten Punkten zuwenden, namentlich bleibt der Wunsch allgemein, daß die ministerielle Verantwortlichkeit in dem von der Kammer gemeinten Sinne als Grundlage der neuen Staatsverfassung in dasselbe aufgenommen und darin festgestellt würde. Mit einigen der jüngst vorgeschlagenen Modificationen ist man zufrieden. So war es der Mehrzahl der Mitglieder angenehm, daß die Eintheilung der Staatsbudgets in ein- und zehnjährige aufhören soll. Man begreift jedoch nicht, weßhalb die Ausgaben für zwei Jahre, und die Einnahmen auf unbestimmte Zeit festgestellt werden sollen; es findet dieß durchaus keinen Beifall.

Nach einer o ficiellen Uebersicht betrug die Bevölkerung von Niederland, ohne das Herzogthum Limburg, am 1 Jan. 1839 2,615,029 Seelen. Im Jahr 1838 wurden 21,019 Ehen geschlossen, während 60 Ehescheidungen statt hatten.

Am 29 v. M. starb zu Leeuwarden der Gouverneur der Provinz Friesland, Baron J. Adrian van Zuylen van Nyevelt, 63 Jahre alt.

Deutschland.

Die (eben in den Protokollen gedruckt erschienenen) Reichsrathssitzungen vom 6 und 13 März, denen der königliche Minister des Innern nicht beiwohnte, waren vorzugsweise der von der Regierung beantragten Abänderung des verfassungsmäßigen Budget-Vorlage-Termins und den zwei früher modificirten Heer-Ergänzungs-Novellen gewidmet. Letzterer Gegenstand ging beinahe ohne Debatte im Sinne der Regierung durch. Wir heben daher bloß eine Stelle des Referats aus, welche übrigens sowohl im Ausschuß als in der Kammer ohne weitere Erörterung blieb. „Wird, so heißt es dort, unter repräsentativer Verfassung jene verstanden, in welcher die einzelnen Ständeglieder nicht ihre speciellen Wähler und deren Localinteressen, sondern die Gesammtheit repräsentiren, so ist das bayerische Ständewesen offenbar ein repräsentatives, da hier laut Tit. VII §. 25 des Grundgesetzes sogar eidlich gelobet werden muß, des Landes allgemeines Wohl und Beste ohne Rücksicht auf besondere Stände und Classen nach innerer Ueberzeugung zu berathen. Soll aber der Ausdruck „repräsentative Verfassung“ jenes Repräsentativsystem bezeichnen, das in Mitte steht zwischen der bloß beschränkten und der eigentlich constitutionellen Monarchie, so ermangeln dem bayerischen Staatsrecht allerdings mehrere sehr wesentliche Kriterien dieses Systems, namentlich die Wahl nach Districten ohne Classenausscheidung, die ausschließend ministerielle Verantwortlichkeit, mit dem sie bedingenden Contrasignirtseynmüssen jedes Befehls durch einen verantwortlichen Minister, die Willigung sämmtlicher Einnahmen, unbeschränktes Petitions- und Beschwerderecht und ähnliche Dinge mehr. Was auch am 19 April 1818 von den mit Vorbereitung des Grundgesetzes beauftragten Staatsmännern beabsichtet und von dem erhabenen Herrscher gut geheißen werden mochte, stets bleibt eine Thatsache unbestreitbar: am 26 Mai jenes Jahres wurde eine gemischte, d. h. eine Verfassung kundgegeben, welche weder an der alten landständischen Institution, noch an dem modernen Repräsentativsystem festhielt, deren Bestimmungen sonach in jedem speciellen Fall nur nach dem positiven Texte der treffenden Gesetzesstelle beurtheilt werden können. Theoretische Wortkämpfe führen hier so wenig zum Ziel, als sie, gegenüber den ältern Verfassungen, gefrommt haben würden, deren mannichfaltige, zum Theil höchst eigenthümliche Bestimmungen und Rechtsabgränzungen nur aus sich stammten und schöpften, in wie außer dem Bereiche germanischer Staatenbildung den Ständen häufig äußerst ausgedehnte Befugnisse einräumend, ohne deßhalb mit der in jener Zeit so hochgestellten Majestät des Thrones und mit dem damals allgemein geltenden göttlichen Recht in doctrinelle Zwiste über ihre Natur und Definition verflochten zu werden. Authentisch interpretirend können die dem Grundgesetz vorangegangenen Berathungen nie werden, indem sie nicht mit jenem publicirt, letzteres vielmehr als isolirte Erscheinung vom Lande acceptirt und beschworen, und Zusätze jeder Art also auch authentische Auslegungen durch eine eigene Bestimmung desselben (§. 5 des X. Titels) ausdrücklich dem legislativen Felde zugewiesen wurden. Historischer Werth höchster Ordnung hinwieder muß ihnen allerdings auch ständischerseits von dem Tage an zuerkannt werden, wo alle sie bildenden Documente, d. h. (nach der sehr richtigen Bemerkung eines Hrn. Reichsraths) sämmtliche Protokolle der damals niedergesetzten Ministerialconferenz, sammt dem sie basirenden Constitutionsentwurf von 1814 und dessen Motiven, und sammt jenen Plenarberathungen des k. Staatsraths, in welchem sie nochmalig Prüfung und letzte Bereifung erfuhren, entweder durch den Druck allgemein kundgegeben, oder in unzweifelhaft vollständigen Abschriften dem ständischen Archiv einverleibt werden. Einzelne Enthüllungen aber können nie Einfluß auf die ständische Beurtheilung erlangen, sowohl weil den Kammern darüber die Gewißheit mangelt, ob nicht (was bei fortschreitenden Arbeiten so leicht der Fall seyn kann) die Gesichtspunkte in dem Schooß der Conferenz selbst mehrfach modificirt, und ob nicht ein von dort entworfener Paragraph von dem Staatsrath, und auf dessen Gutachten von dem erhabenen Geber der Verfassung später aus abweichenden, vielleicht diametral entgegengesetzten Motiven gut geheißen worden, sondern auch, weil jede Auslegung zugleich ob- und subjectiver Natur ist, und die Regierung bei redlichster Absicht nie wissen kann, ob den Ständen aus dem Zusammenhang und Zusammenhalt aller Quellen eine mit dem regiminalen Dafürhalten in jeder Beziehung übereinstimmende Ansicht hervorgehen werde. Referent ist weit entfernt, eine Veröffentlichung dessen provociren zu wollen, was bisher allseitig als ausschließendes Eigenthum der Regierung gegolten, und dessen Kundwerden ihm überdieß, namentlich wenn mehrere der noch geheimen Berathungsprotokolle dem nun bekannt gegebenen über die Ausschließbarkeit der Advocaten gleichen sollten, aus dem gouvernementalen Standpunkt mehr denn bedenklich scheint. Aber den Wunsch kann er nicht unterdrücken, lieber nichts, als Auszüge dargereicht zu sehen, welche ohne Erzielung des gewünschten Effects nur dazu dienen, die ohnehin mehr und mehr sich verwickelnde Grundlage unseres öffentlichen Lebens in noch höherem Grade zu compliciren und künftigen Erörterungen, wohl auch Anmuthungen der unangenehmsten Art, Thor und Thür zu öffnen.“

Umfassendere Behandlung erfuhr die angeregte Revision des VII Verfassungstitels. Der Berichterstatter hatte vor Allem hingewiesen auf jene grundgesetzliche Bestimmung, wonach Aenderungen des Grundgesetzes nur wegen absoluter Nothwendigkeit oder behufs unbestreitbaren Fortschritts stattfinden dürfen. Er hatte dann dargethan, warum ihm der jetzt geltende Budget-Vorlagetermin eben so zweckmäßig als ausführbar erschiene. Er hatte entwickelt, wie in Bayern wegen der nur von drei zu drei Jahren stattfindenden Landtage und wegen der sechsjährigen Willigungsperioden jeder Budgetlandtag eine Rechnungsziffer von nahe an 330 Millionen, und eine

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Was auch am 19 April 1818 von den mit Vorbereitung des Grundgesetzes beauftragten Staatsmännern beabsichtet und von dem erhabenen Herrscher gut geheißen werden mochte, stets bleibt eine Thatsache unbestreitbar: am 26 Mai jenes Jahres wurde eine gemischte, d. h. eine Verfassung kundgegeben, welche weder an der alten landständischen Institution, noch an dem modernen Repräsentativsystem festhielt, deren Bestimmungen sonach in jedem speciellen Fall nur nach dem positiven Texte der treffenden Gesetzesstelle beurtheilt werden können. Theoretische Wortkämpfe führen hier so wenig zum Ziel, als sie, gegenüber den ältern Verfassungen, gefrommt haben würden, deren mannichfaltige, zum Theil höchst eigenthümliche Bestimmungen und Rechtsabgränzungen nur aus sich stammten und schöpften, in wie außer dem Bereiche germanischer Staatenbildung den Ständen häufig äußerst ausgedehnte Befugnisse einräumend, ohne deßhalb mit der in jener Zeit so hochgestellten Majestät des Thrones und mit dem damals allgemein geltenden göttlichen Recht in doctrinelle Zwiste über ihre Natur und Definition verflochten zu werden. Authentisch interpretirend können die dem Grundgesetz vorangegangenen Berathungen nie werden, indem sie nicht mit jenem publicirt, letzteres vielmehr als isolirte Erscheinung vom Lande acceptirt und beschworen, und Zusätze jeder Art also auch authentische Auslegungen durch eine eigene Bestimmung desselben (§. 5 des X. Titels) <hi rendition="#g">ausdrücklich dem legislativen Felde zugewiesen wurden</hi>. Historischer Werth höchster Ordnung hinwieder muß ihnen allerdings auch ständischerseits von dem Tage an zuerkannt werden, wo alle sie bildenden Documente, d. h. (nach der sehr richtigen Bemerkung eines Hrn. Reichsraths) sämmtliche Protokolle der damals niedergesetzten Ministerialconferenz, sammt dem sie basirenden Constitutionsentwurf von 1814 und dessen Motiven, und sammt jenen Plenarberathungen des k. Staatsraths, in welchem sie nochmalig Prüfung und letzte Bereifung erfuhren, entweder durch den Druck allgemein kundgegeben, oder in unzweifelhaft vollständigen Abschriften dem ständischen Archiv einverleibt werden. Einzelne Enthüllungen aber können nie Einfluß auf die ständische Beurtheilung erlangen, sowohl weil den Kammern darüber die Gewißheit mangelt, ob nicht (was bei fortschreitenden Arbeiten so leicht der Fall seyn kann) die Gesichtspunkte in dem Schooß der Conferenz selbst mehrfach modificirt, und ob nicht ein von dort entworfener Paragraph von dem Staatsrath, und auf dessen Gutachten von dem erhabenen Geber der Verfassung später aus abweichenden, vielleicht diametral entgegengesetzten Motiven gut geheißen worden, sondern auch, weil jede Auslegung zugleich ob- und subjectiver Natur ist, und die Regierung bei redlichster Absicht nie wissen kann, ob den Ständen aus dem Zusammenhang und Zusammenhalt aller Quellen eine mit dem regiminalen Dafürhalten in jeder Beziehung übereinstimmende Ansicht hervorgehen werde. Referent ist weit entfernt, eine Veröffentlichung dessen provociren zu wollen, was bisher allseitig als ausschließendes Eigenthum der Regierung gegolten, und dessen Kundwerden ihm überdieß, namentlich wenn mehrere der noch geheimen Berathungsprotokolle dem nun bekannt gegebenen über die Ausschließbarkeit der Advocaten gleichen sollten, aus dem gouvernementalen Standpunkt mehr denn bedenklich scheint. Aber den Wunsch kann er nicht unterdrücken, lieber nichts, als Auszüge dargereicht zu sehen, welche ohne Erzielung des gewünschten Effects nur dazu dienen, die ohnehin mehr und mehr sich verwickelnde Grundlage unseres öffentlichen Lebens in noch höherem Grade zu compliciren und künftigen Erörterungen, wohl auch Anmuthungen der unangenehmsten Art, Thor und Thür zu öffnen.&#x201C;</p><lb/>
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[0804/0012] werde. Von den in den Abtheilungen über die Vorschläge in Betreff des Grundgesetzes stattgehabten Prüfungen vernimmt man, daß man neuerdings auf eine genügende Revision gedrungen hat. Man hat nochmals verlangt, die Regierung möge ihre Aufmerksamkeit vielen von den Abtheilungen früher entwickelten Punkten zuwenden, namentlich bleibt der Wunsch allgemein, daß die ministerielle Verantwortlichkeit in dem von der Kammer gemeinten Sinne als Grundlage der neuen Staatsverfassung in dasselbe aufgenommen und darin festgestellt würde. Mit einigen der jüngst vorgeschlagenen Modificationen ist man zufrieden. So war es der Mehrzahl der Mitglieder angenehm, daß die Eintheilung der Staatsbudgets in ein- und zehnjährige aufhören soll. Man begreift jedoch nicht, weßhalb die Ausgaben für zwei Jahre, und die Einnahmen auf unbestimmte Zeit festgestellt werden sollen; es findet dieß durchaus keinen Beifall. Nach einer o ficiellen Uebersicht betrug die Bevölkerung von Niederland, ohne das Herzogthum Limburg, am 1 Jan. 1839 2,615,029 Seelen. Im Jahr 1838 wurden 21,019 Ehen geschlossen, während 60 Ehescheidungen statt hatten. Am 29 v. M. starb zu Leeuwarden der Gouverneur der Provinz Friesland, Baron J. Adrian van Zuylen van Nyevelt, 63 Jahre alt. Deutschland. _ München, 31 März. Die (eben in den Protokollen gedruckt erschienenen) Reichsrathssitzungen vom 6 und 13 März, denen der königliche Minister des Innern nicht beiwohnte, waren vorzugsweise der von der Regierung beantragten Abänderung des verfassungsmäßigen Budget-Vorlage-Termins und den zwei früher modificirten Heer-Ergänzungs-Novellen gewidmet. Letzterer Gegenstand ging beinahe ohne Debatte im Sinne der Regierung durch. Wir heben daher bloß eine Stelle des Referats aus, welche übrigens sowohl im Ausschuß als in der Kammer ohne weitere Erörterung blieb. „Wird, so heißt es dort, unter repräsentativer Verfassung jene verstanden, in welcher die einzelnen Ständeglieder nicht ihre speciellen Wähler und deren Localinteressen, sondern die Gesammtheit repräsentiren, so ist das bayerische Ständewesen offenbar ein repräsentatives, da hier laut Tit. VII §. 25 des Grundgesetzes sogar eidlich gelobet werden muß, des Landes allgemeines Wohl und Beste ohne Rücksicht auf besondere Stände und Classen nach innerer Ueberzeugung zu berathen. Soll aber der Ausdruck „repräsentative Verfassung“ jenes Repräsentativsystem bezeichnen, das in Mitte steht zwischen der bloß beschränkten und der eigentlich constitutionellen Monarchie, so ermangeln dem bayerischen Staatsrecht allerdings mehrere sehr wesentliche Kriterien dieses Systems, namentlich die Wahl nach Districten ohne Classenausscheidung, die ausschließend ministerielle Verantwortlichkeit, mit dem sie bedingenden Contrasignirtseynmüssen jedes Befehls durch einen verantwortlichen Minister, die Willigung sämmtlicher Einnahmen, unbeschränktes Petitions- und Beschwerderecht und ähnliche Dinge mehr. Was auch am 19 April 1818 von den mit Vorbereitung des Grundgesetzes beauftragten Staatsmännern beabsichtet und von dem erhabenen Herrscher gut geheißen werden mochte, stets bleibt eine Thatsache unbestreitbar: am 26 Mai jenes Jahres wurde eine gemischte, d. h. eine Verfassung kundgegeben, welche weder an der alten landständischen Institution, noch an dem modernen Repräsentativsystem festhielt, deren Bestimmungen sonach in jedem speciellen Fall nur nach dem positiven Texte der treffenden Gesetzesstelle beurtheilt werden können. Theoretische Wortkämpfe führen hier so wenig zum Ziel, als sie, gegenüber den ältern Verfassungen, gefrommt haben würden, deren mannichfaltige, zum Theil höchst eigenthümliche Bestimmungen und Rechtsabgränzungen nur aus sich stammten und schöpften, in wie außer dem Bereiche germanischer Staatenbildung den Ständen häufig äußerst ausgedehnte Befugnisse einräumend, ohne deßhalb mit der in jener Zeit so hochgestellten Majestät des Thrones und mit dem damals allgemein geltenden göttlichen Recht in doctrinelle Zwiste über ihre Natur und Definition verflochten zu werden. Authentisch interpretirend können die dem Grundgesetz vorangegangenen Berathungen nie werden, indem sie nicht mit jenem publicirt, letzteres vielmehr als isolirte Erscheinung vom Lande acceptirt und beschworen, und Zusätze jeder Art also auch authentische Auslegungen durch eine eigene Bestimmung desselben (§. 5 des X. Titels) ausdrücklich dem legislativen Felde zugewiesen wurden. Historischer Werth höchster Ordnung hinwieder muß ihnen allerdings auch ständischerseits von dem Tage an zuerkannt werden, wo alle sie bildenden Documente, d. h. (nach der sehr richtigen Bemerkung eines Hrn. Reichsraths) sämmtliche Protokolle der damals niedergesetzten Ministerialconferenz, sammt dem sie basirenden Constitutionsentwurf von 1814 und dessen Motiven, und sammt jenen Plenarberathungen des k. Staatsraths, in welchem sie nochmalig Prüfung und letzte Bereifung erfuhren, entweder durch den Druck allgemein kundgegeben, oder in unzweifelhaft vollständigen Abschriften dem ständischen Archiv einverleibt werden. Einzelne Enthüllungen aber können nie Einfluß auf die ständische Beurtheilung erlangen, sowohl weil den Kammern darüber die Gewißheit mangelt, ob nicht (was bei fortschreitenden Arbeiten so leicht der Fall seyn kann) die Gesichtspunkte in dem Schooß der Conferenz selbst mehrfach modificirt, und ob nicht ein von dort entworfener Paragraph von dem Staatsrath, und auf dessen Gutachten von dem erhabenen Geber der Verfassung später aus abweichenden, vielleicht diametral entgegengesetzten Motiven gut geheißen worden, sondern auch, weil jede Auslegung zugleich ob- und subjectiver Natur ist, und die Regierung bei redlichster Absicht nie wissen kann, ob den Ständen aus dem Zusammenhang und Zusammenhalt aller Quellen eine mit dem regiminalen Dafürhalten in jeder Beziehung übereinstimmende Ansicht hervorgehen werde. Referent ist weit entfernt, eine Veröffentlichung dessen provociren zu wollen, was bisher allseitig als ausschließendes Eigenthum der Regierung gegolten, und dessen Kundwerden ihm überdieß, namentlich wenn mehrere der noch geheimen Berathungsprotokolle dem nun bekannt gegebenen über die Ausschließbarkeit der Advocaten gleichen sollten, aus dem gouvernementalen Standpunkt mehr denn bedenklich scheint. Aber den Wunsch kann er nicht unterdrücken, lieber nichts, als Auszüge dargereicht zu sehen, welche ohne Erzielung des gewünschten Effects nur dazu dienen, die ohnehin mehr und mehr sich verwickelnde Grundlage unseres öffentlichen Lebens in noch höherem Grade zu compliciren und künftigen Erörterungen, wohl auch Anmuthungen der unangenehmsten Art, Thor und Thür zu öffnen.“ Umfassendere Behandlung erfuhr die angeregte Revision des VII Verfassungstitels. Der Berichterstatter hatte vor Allem hingewiesen auf jene grundgesetzliche Bestimmung, wonach Aenderungen des Grundgesetzes nur wegen absoluter Nothwendigkeit oder behufs unbestreitbaren Fortschritts stattfinden dürfen. Er hatte dann dargethan, warum ihm der jetzt geltende Budget-Vorlagetermin eben so zweckmäßig als ausführbar erschiene. Er hatte entwickelt, wie in Bayern wegen der nur von drei zu drei Jahren stattfindenden Landtage und wegen der sechsjährigen Willigungsperioden jeder Budgetlandtag eine Rechnungsziffer von nahe an 330 Millionen, und eine

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Matthias Boenig: Bearbeitung der digitalen Edition. (2016-06-28T11:37:15Z)

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Zitationshilfe: Allgemeine Zeitung. Nr. 101. Augsburg, 10. April 1840, S. 0804. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/augsburgerallgemeine_101_18400410/12>, abgerufen am 26.04.2024.