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Allgemeine Zeitung. Nr. 77. Augsburg, 17. März 1840.

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Centrum kann, wenn es fest und einig ist, diese Entwürfe und Drohungen vernichten. Die verschiedenen Anhänger des 15 Mai und des 12 April müssen erkennen, daß man sich einer Chimäre hingab, indem man durch eine Annäherung an die Linke Kraft zu gewinnen suchte. Davon sind sie jetzt durchdrungen. Hr. Thiers will, nach den bereits gemachten Versuchen noch einen gefährlichern machen; denn dießmal handelt es sich davon, die Regierung ganz auf die Linke hinüberzuschieben."

Der National sagt über denselben Gegenstand: "Das Ministerium will mit einer Million zur Bestreitung der geheimen Ausgaben sich begnügen, und verpflichtet sich, eben so wie die Minister vom 12 Mai, keinen Theil dieser Fonds zur Besoldung der Presse zu verwenden. Diese Ersparung von 200,000 Fr. und dieses Versprechen, die Freiheit der Discussion zu respectiren, haben das linke Centrum und die dynastische Linke im höchsten Grad gerührt. Das rechte Centrum hingegen affectirte während der ziemlich matten Rede des Hrn. v. Remusat die größte Kälte und Zurückhaltung. Nichtsdestoweniger wird das rechte Centrum die geheimen Fonds des Hrn. Thiers votiren, da, wie das Journal des Debats sagt, "keine besonnene Regierung der geheimen Fonds entbehren kann." Die Organe der Linken unterstützen Hrn. Thiers mit einem so uneigennützigen Eifer, daß man glauben möchte, sie selbst besoldeten den Hrn. Thiers; um so mehr wird man ihm die bescheidene Million bewilligen, womit er sich für heute zufrieden erklärt."

Der Courrier francais lobt das Cabinet, daß es die geheimen Fonds vermindert und weitere Ersparnisse in diesem Ausgabencapitel für die Zukunft angekündigt habe. Am besten wäre es freilich, wenn man die geheimen Fonds ganz unterdrückt hätte, aber dann würde die conservative Partei geschrien haben, man setze das Leben des Königs in Gefahr. Solche Verleumdungen würde die Linke wohl an der Stelle des Ministeriums verachten; als Repräsentant einer Zwischenpartei aber sey das Ministerium nicht stark genug, einer Verleumdung dieser Art sich auszusetzen.

Belgien.

Die Liquidationscommission von Utrecht wird entschieden wieder ihre Arbeiten vornehmen. Die erste Sitzung ist auf den 11 März festgesetzt. Die belgischen Commissarien reisen morgen ab. Es sind die HH. Dony, Mitglied der Repräsentantenkammer, welcher Hrn. Fallon ersetzt, der, zum Präsidenten der Repräsentantenkammer ernannt, sich nicht mehr entfernen kann, Liedts, ebenfalls Repräsentant, denen nöthigenfalls Hr. van Caille, Director des Enregistrements, und Dujardin, Generalsecretär des Finanzministeriums, beigegeben werden können. Die beide Regierungen stehen nun aufs beste, und so läßt sich hoffen, daß die Unterhandlung schnell und glücklich zu Ende gehen werde. - In einigen Tagen wird die Erörterung des Kriegsbudgets in der Repräsentantenkammer beginnen. Die Commission, die es untersucht hat, schlägt eine Reduction von 4 Mill. Fr. auf 3 vor wegen der Feststellung der provisorischen Gehalte der in Reformstand versetzten Officiere. Das Budget würde sonach 30 Mill. Fr. betragen. Die Opposition rechnet sehr auf das Resultat des Votums dieses Budgets, um das Ministerium zu stürzen, und insbesondere auf den wegen Zulassung des Generals Vandersmissen, ohne gerichtliches Urtheil in den Dienst, der durch eine Verschwörung zu Gunsten des Prinzen von Oranien 1831 compromittirt war, zu erwartenden Tadel; ich kann Sie aber schon jetzt versichern, daß diese Hoffnungen eitel sind und das Ministerium sich halten wird. Es hat eine starke Majorität. Erst nach dem Votum des Budgets wird man einen Minister des Auswärtigen ernennen. - Der regierende Herzog von Sachsen-Coburg und der Feldmarschalllieutenant Herzog Ferdinand von Sachsen-Coburg halten sich fortwährend hier auf. Der erstere wird in dieser Woche in sein Land abreisen, der zweite seine Tochter, die Prinzessin Victoria, nach Paris begleiten, wo deren Vermählung mit dem Herzog von Nemours am 25 März statt finden soll.

Italien.

Der Carneval schließt nun mit dem heutigen Tage, den der Regen vereitelte. Eine genaue Beschreibung desselben senden zu wollen, wäre nur ein Versuch, die trefflichen Aufsätze, die ein seitdem Verstorbener voriges Jahr der Allg. Ztg. lieferte, matter wiederzugeben. *) Es sey also nur von demjenigen die Rede, was den dießjährigen Carneval von den frühern unterschied, und da ist nichts Erfreuliches zu berichten. Bei dem Rennen der sogenannten Barberi oder ledigen Pferde am 27 Febr. hatten sich einige früher losgerissen; die Menschenmasse, die eine schmale Renngasse gebildet hatte, schloß sich alsbald hinter diesen, so daß durch die nachkommenden etwas später losgelassenen Pferde mehrere Personen bedeutend verwundet wurden. Eine soll bereits den Geist aufgegeben haben. Die Truppen sind nicht so zahlreich, um an jeder Seite des gegen zweitausend Schritte langen Corso's gehörig Spalier bilden zu können, und ohne dieses ist Ordnung nicht möglich. Daher geschah es, daß am 29 zwei der Barberi, in eine Seitengasse brechend wieder mehrere Personen verwundeten. An demselben Tage wurde auch durch einen Wagen eine Frau getödtet. Daß diese Fälle während der neun Tage des Carnevals sich nicht zu hunderten ereignen, ist erstaunenswerth, da es den Kutschern gestattet wird in scharfem Trabe auf und ab zu fahren, so daß die Fußgänger sich nicht schnell genug retten können. Das Trottoir wäre, selbst ganz leer gelassen, nicht breit genug um die Tausende zu fassen, um so viel weniger aber, da es mit Tribunen, Bänken und Stühlen ganz besetzt ist, die von Hausbesitzern vermiethet werden. So sind die Fußgänger gezwungen die Fahrstraße zu betreten, wo ihnen mit jedem Schritte Gefahr droht, sowohl von den vorwärts Fahrenden als von denen die zurückschieben, was alle Augenblicke ohne errathbaren Grund geschieht. Und doch sind diese Fußgänger, meist Römer und Römerinnen, von dem heitersten, gutmüthigsten Humor beseelt, der sich vorzüglich dieß Jahr erprobte, da ein Prinz sich auf eine Weise benahm, welche der Geduld der Bevölkerung jeder andern großen Stadt bald ein Ende gemacht haben würde. Körbevoll schlechte Confetti, mit Mehl gefüllte Eier, ja wirkliche Hühnereier sind bisher noch niemals auf Fahrende oder Gehende von einem Balcon geworfen worden, noch wurden je andere Balcons zum Bewerfen auf zwei Schritte feindlich überfallen. Ueber solches Beginnen verstummte sogar die Ungebundenheit einiger Insulaner des Nordens, welche überhaupt dieses Jahr zum Erstaunen gesittet waren. Daß dem Erwähnten von einer Schaar junger Fremden einmal vergolten wurde, ist zwar nicht zu loben,

*) Die Allg. Ztg. hatte damals zwei gleich treflliche Beschreibungen: die eine von Freiherrn v. Gaudy, den heuer in Berlin fast in denselben Tagen der Tod überraschte, welche er im vorigen Jahre, im heitern Gewimmel des römischen Carnevals zu den schönsten seines Lebens zählte; der Verfasser der andern Schilderung aber ist noch unter den Lebenden, und hat, daß er dieß ist, seitdem in noch manchen Blättern der Allg. Ztg. beurkundet - selbst in Griechenland und Aegypten hat er uns nicht vergessen.

Centrum kann, wenn es fest und einig ist, diese Entwürfe und Drohungen vernichten. Die verschiedenen Anhänger des 15 Mai und des 12 April müssen erkennen, daß man sich einer Chimäre hingab, indem man durch eine Annäherung an die Linke Kraft zu gewinnen suchte. Davon sind sie jetzt durchdrungen. Hr. Thiers will, nach den bereits gemachten Versuchen noch einen gefährlichern machen; denn dießmal handelt es sich davon, die Regierung ganz auf die Linke hinüberzuschieben.“

Der National sagt über denselben Gegenstand: „Das Ministerium will mit einer Million zur Bestreitung der geheimen Ausgaben sich begnügen, und verpflichtet sich, eben so wie die Minister vom 12 Mai, keinen Theil dieser Fonds zur Besoldung der Presse zu verwenden. Diese Ersparung von 200,000 Fr. und dieses Versprechen, die Freiheit der Discussion zu respectiren, haben das linke Centrum und die dynastische Linke im höchsten Grad gerührt. Das rechte Centrum hingegen affectirte während der ziemlich matten Rede des Hrn. v. Remusat die größte Kälte und Zurückhaltung. Nichtsdestoweniger wird das rechte Centrum die geheimen Fonds des Hrn. Thiers votiren, da, wie das Journal des Débats sagt, „keine besonnene Regierung der geheimen Fonds entbehren kann.“ Die Organe der Linken unterstützen Hrn. Thiers mit einem so uneigennützigen Eifer, daß man glauben möchte, sie selbst besoldeten den Hrn. Thiers; um so mehr wird man ihm die bescheidene Million bewilligen, womit er sich für heute zufrieden erklärt.“

Der Courrier français lobt das Cabinet, daß es die geheimen Fonds vermindert und weitere Ersparnisse in diesem Ausgabencapitel für die Zukunft angekündigt habe. Am besten wäre es freilich, wenn man die geheimen Fonds ganz unterdrückt hätte, aber dann würde die conservative Partei geschrien haben, man setze das Leben des Königs in Gefahr. Solche Verleumdungen würde die Linke wohl an der Stelle des Ministeriums verachten; als Repräsentant einer Zwischenpartei aber sey das Ministerium nicht stark genug, einer Verleumdung dieser Art sich auszusetzen.

Belgien.

Die Liquidationscommission von Utrecht wird entschieden wieder ihre Arbeiten vornehmen. Die erste Sitzung ist auf den 11 März festgesetzt. Die belgischen Commissarien reisen morgen ab. Es sind die HH. Dony, Mitglied der Repräsentantenkammer, welcher Hrn. Fallon ersetzt, der, zum Präsidenten der Repräsentantenkammer ernannt, sich nicht mehr entfernen kann, Liedts, ebenfalls Repräsentant, denen nöthigenfalls Hr. van Caille, Director des Enregistrements, und Dujardin, Generalsecretär des Finanzministeriums, beigegeben werden können. Die beide Regierungen stehen nun aufs beste, und so läßt sich hoffen, daß die Unterhandlung schnell und glücklich zu Ende gehen werde. – In einigen Tagen wird die Erörterung des Kriegsbudgets in der Repräsentantenkammer beginnen. Die Commission, die es untersucht hat, schlägt eine Reduction von 4 Mill. Fr. auf 3 vor wegen der Feststellung der provisorischen Gehalte der in Reformstand versetzten Officiere. Das Budget würde sonach 30 Mill. Fr. betragen. Die Opposition rechnet sehr auf das Resultat des Votums dieses Budgets, um das Ministerium zu stürzen, und insbesondere auf den wegen Zulassung des Generals Vandersmissen, ohne gerichtliches Urtheil in den Dienst, der durch eine Verschwörung zu Gunsten des Prinzen von Oranien 1831 compromittirt war, zu erwartenden Tadel; ich kann Sie aber schon jetzt versichern, daß diese Hoffnungen eitel sind und das Ministerium sich halten wird. Es hat eine starke Majorität. Erst nach dem Votum des Budgets wird man einen Minister des Auswärtigen ernennen. – Der regierende Herzog von Sachsen-Coburg und der Feldmarschalllieutenant Herzog Ferdinand von Sachsen-Coburg halten sich fortwährend hier auf. Der erstere wird in dieser Woche in sein Land abreisen, der zweite seine Tochter, die Prinzessin Victoria, nach Paris begleiten, wo deren Vermählung mit dem Herzog von Nemours am 25 März statt finden soll.

Italien.

Der Carneval schließt nun mit dem heutigen Tage, den der Regen vereitelte. Eine genaue Beschreibung desselben senden zu wollen, wäre nur ein Versuch, die trefflichen Aufsätze, die ein seitdem Verstorbener voriges Jahr der Allg. Ztg. lieferte, matter wiederzugeben. *) Es sey also nur von demjenigen die Rede, was den dießjährigen Carneval von den frühern unterschied, und da ist nichts Erfreuliches zu berichten. Bei dem Rennen der sogenannten Barberi oder ledigen Pferde am 27 Febr. hatten sich einige früher losgerissen; die Menschenmasse, die eine schmale Renngasse gebildet hatte, schloß sich alsbald hinter diesen, so daß durch die nachkommenden etwas später losgelassenen Pferde mehrere Personen bedeutend verwundet wurden. Eine soll bereits den Geist aufgegeben haben. Die Truppen sind nicht so zahlreich, um an jeder Seite des gegen zweitausend Schritte langen Corso's gehörig Spalier bilden zu können, und ohne dieses ist Ordnung nicht möglich. Daher geschah es, daß am 29 zwei der Barberi, in eine Seitengasse brechend wieder mehrere Personen verwundeten. An demselben Tage wurde auch durch einen Wagen eine Frau getödtet. Daß diese Fälle während der neun Tage des Carnevals sich nicht zu hunderten ereignen, ist erstaunenswerth, da es den Kutschern gestattet wird in scharfem Trabe auf und ab zu fahren, so daß die Fußgänger sich nicht schnell genug retten können. Das Trottoir wäre, selbst ganz leer gelassen, nicht breit genug um die Tausende zu fassen, um so viel weniger aber, da es mit Tribunen, Bänken und Stühlen ganz besetzt ist, die von Hausbesitzern vermiethet werden. So sind die Fußgänger gezwungen die Fahrstraße zu betreten, wo ihnen mit jedem Schritte Gefahr droht, sowohl von den vorwärts Fahrenden als von denen die zurückschieben, was alle Augenblicke ohne errathbaren Grund geschieht. Und doch sind diese Fußgänger, meist Römer und Römerinnen, von dem heitersten, gutmüthigsten Humor beseelt, der sich vorzüglich dieß Jahr erprobte, da ein Prinz sich auf eine Weise benahm, welche der Geduld der Bevölkerung jeder andern großen Stadt bald ein Ende gemacht haben würde. Körbevoll schlechte Confetti, mit Mehl gefüllte Eier, ja wirkliche Hühnereier sind bisher noch niemals auf Fahrende oder Gehende von einem Balcon geworfen worden, noch wurden je andere Balcons zum Bewerfen auf zwei Schritte feindlich überfallen. Ueber solches Beginnen verstummte sogar die Ungebundenheit einiger Insulaner des Nordens, welche überhaupt dieses Jahr zum Erstaunen gesittet waren. Daß dem Erwähnten von einer Schaar junger Fremden einmal vergolten wurde, ist zwar nicht zu loben,

*) Die Allg. Ztg. hatte damals zwei gleich treflliche Beschreibungen: die eine von Freiherrn v. Gaudy, den heuer in Berlin fast in denselben Tagen der Tod überraschte, welche er im vorigen Jahre, im heitern Gewimmel des römischen Carnevals zu den schönsten seines Lebens zählte; der Verfasser der andern Schilderung aber ist noch unter den Lebenden, und hat, daß er dieß ist, seitdem in noch manchen Blättern der Allg. Ztg. beurkundet – selbst in Griechenland und Aegypten hat er uns nicht vergessen.
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[0612/0004] Centrum kann, wenn es fest und einig ist, diese Entwürfe und Drohungen vernichten. Die verschiedenen Anhänger des 15 Mai und des 12 April müssen erkennen, daß man sich einer Chimäre hingab, indem man durch eine Annäherung an die Linke Kraft zu gewinnen suchte. Davon sind sie jetzt durchdrungen. Hr. Thiers will, nach den bereits gemachten Versuchen noch einen gefährlichern machen; denn dießmal handelt es sich davon, die Regierung ganz auf die Linke hinüberzuschieben.“ Der National sagt über denselben Gegenstand: „Das Ministerium will mit einer Million zur Bestreitung der geheimen Ausgaben sich begnügen, und verpflichtet sich, eben so wie die Minister vom 12 Mai, keinen Theil dieser Fonds zur Besoldung der Presse zu verwenden. Diese Ersparung von 200,000 Fr. und dieses Versprechen, die Freiheit der Discussion zu respectiren, haben das linke Centrum und die dynastische Linke im höchsten Grad gerührt. Das rechte Centrum hingegen affectirte während der ziemlich matten Rede des Hrn. v. Remusat die größte Kälte und Zurückhaltung. Nichtsdestoweniger wird das rechte Centrum die geheimen Fonds des Hrn. Thiers votiren, da, wie das Journal des Débats sagt, „keine besonnene Regierung der geheimen Fonds entbehren kann.“ Die Organe der Linken unterstützen Hrn. Thiers mit einem so uneigennützigen Eifer, daß man glauben möchte, sie selbst besoldeten den Hrn. Thiers; um so mehr wird man ihm die bescheidene Million bewilligen, womit er sich für heute zufrieden erklärt.“ Der Courrier français lobt das Cabinet, daß es die geheimen Fonds vermindert und weitere Ersparnisse in diesem Ausgabencapitel für die Zukunft angekündigt habe. Am besten wäre es freilich, wenn man die geheimen Fonds ganz unterdrückt hätte, aber dann würde die conservative Partei geschrien haben, man setze das Leben des Königs in Gefahr. Solche Verleumdungen würde die Linke wohl an der Stelle des Ministeriums verachten; als Repräsentant einer Zwischenpartei aber sey das Ministerium nicht stark genug, einer Verleumdung dieser Art sich auszusetzen. Belgien. _ Brüssel, 8 März. Die Liquidationscommission von Utrecht wird entschieden wieder ihre Arbeiten vornehmen. Die erste Sitzung ist auf den 11 März festgesetzt. Die belgischen Commissarien reisen morgen ab. Es sind die HH. Dony, Mitglied der Repräsentantenkammer, welcher Hrn. Fallon ersetzt, der, zum Präsidenten der Repräsentantenkammer ernannt, sich nicht mehr entfernen kann, Liedts, ebenfalls Repräsentant, denen nöthigenfalls Hr. van Caille, Director des Enregistrements, und Dujardin, Generalsecretär des Finanzministeriums, beigegeben werden können. Die beide Regierungen stehen nun aufs beste, und so läßt sich hoffen, daß die Unterhandlung schnell und glücklich zu Ende gehen werde. – In einigen Tagen wird die Erörterung des Kriegsbudgets in der Repräsentantenkammer beginnen. Die Commission, die es untersucht hat, schlägt eine Reduction von 4 Mill. Fr. auf 3 vor wegen der Feststellung der provisorischen Gehalte der in Reformstand versetzten Officiere. Das Budget würde sonach 30 Mill. Fr. betragen. Die Opposition rechnet sehr auf das Resultat des Votums dieses Budgets, um das Ministerium zu stürzen, und insbesondere auf den wegen Zulassung des Generals Vandersmissen, ohne gerichtliches Urtheil in den Dienst, der durch eine Verschwörung zu Gunsten des Prinzen von Oranien 1831 compromittirt war, zu erwartenden Tadel; ich kann Sie aber schon jetzt versichern, daß diese Hoffnungen eitel sind und das Ministerium sich halten wird. Es hat eine starke Majorität. Erst nach dem Votum des Budgets wird man einen Minister des Auswärtigen ernennen. – Der regierende Herzog von Sachsen-Coburg und der Feldmarschalllieutenant Herzog Ferdinand von Sachsen-Coburg halten sich fortwährend hier auf. Der erstere wird in dieser Woche in sein Land abreisen, der zweite seine Tochter, die Prinzessin Victoria, nach Paris begleiten, wo deren Vermählung mit dem Herzog von Nemours am 25 März statt finden soll. Italien. _ Rom, 3 März. Der Carneval schließt nun mit dem heutigen Tage, den der Regen vereitelte. Eine genaue Beschreibung desselben senden zu wollen, wäre nur ein Versuch, die trefflichen Aufsätze, die ein seitdem Verstorbener voriges Jahr der Allg. Ztg. lieferte, matter wiederzugeben. *) Es sey also nur von demjenigen die Rede, was den dießjährigen Carneval von den frühern unterschied, und da ist nichts Erfreuliches zu berichten. Bei dem Rennen der sogenannten Barberi oder ledigen Pferde am 27 Febr. hatten sich einige früher losgerissen; die Menschenmasse, die eine schmale Renngasse gebildet hatte, schloß sich alsbald hinter diesen, so daß durch die nachkommenden etwas später losgelassenen Pferde mehrere Personen bedeutend verwundet wurden. Eine soll bereits den Geist aufgegeben haben. Die Truppen sind nicht so zahlreich, um an jeder Seite des gegen zweitausend Schritte langen Corso's gehörig Spalier bilden zu können, und ohne dieses ist Ordnung nicht möglich. Daher geschah es, daß am 29 zwei der Barberi, in eine Seitengasse brechend wieder mehrere Personen verwundeten. An demselben Tage wurde auch durch einen Wagen eine Frau getödtet. Daß diese Fälle während der neun Tage des Carnevals sich nicht zu hunderten ereignen, ist erstaunenswerth, da es den Kutschern gestattet wird in scharfem Trabe auf und ab zu fahren, so daß die Fußgänger sich nicht schnell genug retten können. Das Trottoir wäre, selbst ganz leer gelassen, nicht breit genug um die Tausende zu fassen, um so viel weniger aber, da es mit Tribunen, Bänken und Stühlen ganz besetzt ist, die von Hausbesitzern vermiethet werden. So sind die Fußgänger gezwungen die Fahrstraße zu betreten, wo ihnen mit jedem Schritte Gefahr droht, sowohl von den vorwärts Fahrenden als von denen die zurückschieben, was alle Augenblicke ohne errathbaren Grund geschieht. Und doch sind diese Fußgänger, meist Römer und Römerinnen, von dem heitersten, gutmüthigsten Humor beseelt, der sich vorzüglich dieß Jahr erprobte, da ein Prinz sich auf eine Weise benahm, welche der Geduld der Bevölkerung jeder andern großen Stadt bald ein Ende gemacht haben würde. Körbevoll schlechte Confetti, mit Mehl gefüllte Eier, ja wirkliche Hühnereier sind bisher noch niemals auf Fahrende oder Gehende von einem Balcon geworfen worden, noch wurden je andere Balcons zum Bewerfen auf zwei Schritte feindlich überfallen. Ueber solches Beginnen verstummte sogar die Ungebundenheit einiger Insulaner des Nordens, welche überhaupt dieses Jahr zum Erstaunen gesittet waren. Daß dem Erwähnten von einer Schaar junger Fremden einmal vergolten wurde, ist zwar nicht zu loben, *) Die Allg. Ztg. hatte damals zwei gleich treflliche Beschreibungen: die eine von Freiherrn v. Gaudy, den heuer in Berlin fast in denselben Tagen der Tod überraschte, welche er im vorigen Jahre, im heitern Gewimmel des römischen Carnevals zu den schönsten seines Lebens zählte; der Verfasser der andern Schilderung aber ist noch unter den Lebenden, und hat, daß er dieß ist, seitdem in noch manchen Blättern der Allg. Ztg. beurkundet – selbst in Griechenland und Aegypten hat er uns nicht vergessen.

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Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Deutsches Textarchiv: Bereitstellung der Texttranskription. (2016-06-28T11:37:15Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Matthias Boenig: Bearbeitung der digitalen Edition. (2016-06-28T11:37:15Z)

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Zitationshilfe: Allgemeine Zeitung. Nr. 77. Augsburg, 17. März 1840, S. 0612. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/augsburgerallgemeine_077_18400317/4>, abgerufen am 26.04.2024.