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Allgemeine Zeitung. Nr. 33. Augsburg, 2. Februar 1840.

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Königin zu verbergen, und ihre Schmähungen zu beschönigen oder zurückzunehmen, lassen sie jetzt all ihren Haß gegen das Unterhaus aus, weil in demselben liberale Gesinnungen die Oberhand haben; sie möchten es gedemüthigt sehen, wenn auch ihre eigene Minorität dabei mitleiden müßte. Es klingt natürlich sehr schön, den Unterthan, so arm und so verworfen er auch sey, gegen das willkürliche sic volo einer Versammlung zu schützen. Aber man verliert dabei aus den Augen, daß diese Versammlung der Ausschuß der Nation ist, und nichts Anderes will und wollen kann, als was zur Erfüllung ihres großen Auftrages unentbehrlich ist; daß es ihr ein Leichtes seyn würde, ihren Beschluß durch die Zustimmung des Oberhauses und der Krone zum Gesetz zu erheben, wenn es sich nicht um die Nothwendigkeit handelte, die Gerechtsame des Hauses überhaupt der Deutung einer Behörde zu entziehen, welche sich in dem Gutachten der Richter nur zu geneigt gezeigt hat, ihm auch andere Punkte derselben streitig zu machen. Es nimmt die Sache eine andere Gestaltung an. Die Londoner Bürgerschaft fühlt sich freilich in der Verhaftung ihrer eigenen Beamten, der Sheriffs, verletzt, und im Gemeinderath toben Tories und Liberale fast ohne Ausnahme. Aber diese Herren haben eben so sehr getobt, als die Regierung, zum Besten des Ganzen, ihre Polizei mit der allgemeinen Polizei der Hauptstadt verschmelzen wollte. Welchen Geistes aber die Rechtsgelehrtenzunft überhaupt ist, läßt sich aus einer in den gestrigen Blättern enthaltenen Erklärung der Advocaten ersehen, welche von einer großen Mehrheit derselben unterschrieben worden seyn soll, und worin sie sich erbieten, Jedermanns Sache vor den Gerichtshöfen zu führen, der sich vom Unterhause verletzt glaube, und sogar die Redefreiheit der Mitglieder im Hause selbst in Zweifel ziehen! - Die Toryjournale erklären die als Jahrgeld für den Prinzen Albert von der Regierung vorgeschlagene Summe von 50,000 Pf. St. für viel zu hoch, obgleich das Einkommen des königlichen Paares mit derselben nicht größer seyn würde, als das Einkommen des Königs Wilhelm und seiner Gemahlin war. Aber dann sagen sie, ein Gemahl einer Königin ist weit unbedeutender, und hat weniger Staat zu bestreiten, als eine königliche Gemahlin; auch seyen die Zeiten schlechter, und das Ministerium könne das Geld nur verlangen, um Stimmen zu erkaufen, Wähler zu bestechen u. s. w. Hierbei ist von den angeblichen Schulden der Königin keine Rede mehr; aber der Prinz wird auf mancherlei Weise bespöttelt und besudelt, und auf alle möglichen Weisen im voraus verächtlich und verhaßt gemacht. Dieß soll die Tories beim Volke beliebt machen; so viel ich indessen bis jetzt sehen kann, werden die Häupter der Partei die Opposition nicht theilen. - Ich habe oben einer Bemerkung des Grafen Ripon erwähnt. Diese ist in einer Rede über den Zustand der Finanzen und die Verhältnisse der Nation enthalten, welche, nebst der Antwort Lord Melbourne's, die höchste Aufmerksamkeit verdient (s. die Beilage); besonders weil daraus hervorgeht, daß weder in unsern Heeren noch in der Marine eine Verminderung zu erwarten steht, und um die steigenden Kosten derselben, so wie den aus der Verminderung des Briefporto's zu erwartenden Ausfall zu decken, eine neue Steuer angelegt, oder eine Anleihe erhoben werden müsse, vielleicht beides zugleich. Eine merkwürdige Debatte ward auch gestern im Oberhause durch den unermüdlichen Bischof von Exeter in Bezug auf die Socialisten herbeigeführt. Diese Secte, welche dem bekannten Robert Owen ihren Ursprung verdankt, bezweckt zunächst ein neues Eigenthumsverhältniß mittelst gesellschaftlicher Vereine. Da aber bisher alle Versuche, solche Vereine für längere Zeit zusammen zu halten, scheiterten, so ist es Owen in den Kopf gekommen, der Dogmatismus des Sectenwesens und die bisherigen ehelichen Verhältnisse seyen die Schuld des Mißlingens, und der Schwärmer arbeitet seitdem aus Leibeskräften diesem Institut wie dem Christenthum entgegen. Es ist ihm auch gelungen, in allen Theilen des Landes, besonders in den Fabrikstädten Anhänger zu finden - wie ja auch Johanna Southcote, Courtenay-Thom deren fanden, und der amerikanische Unsinn der Mormonisten eben jetzt findet. Vielleicht würde das Oberhaus jetzt nicht mit den Absurditäten dieser "Geselligen" behelligt worden seyn, wenn Lord Melbourne nicht vor einigen Monaten die Unvorsichtigkeit begangen hätte, deren Apostel, Owen, bei einem Lewer der Königin vorzustellen, um ihm Gelegenheit zu geben, Ihrer Maj. eine Bittschrift um die Beförderung seiner Tollheit vorzulegen. Der edle Lord verdiente allerdings deßwegen einen Verweis; doch war es darum, und um den Lord Normanby, als Secretär des Innern, einen Seitenhieb zu versetzen, wie der Bischof that, der Mühe werth, diese tollen Menschen so wichtig zu machen. Wußte doch am Ende Wellington selbst kein Mittel anzugeben, das der Regierung gegen dieselben zu Gebote stehe.

Frankreich.

(Moniteur.) Die französische Botschaft in der Schweiz hat die neue Regierung von Tessin officiell anerkannt.

Der Temps sagt im Betreff der Wiederbesetzung der Stelle des Hrn. v. Quelen, das Cabinet schwanke unentschieden zwischen drei Prälaten: dem Erzbischof von Bordeaux, dem Bischof von Soissons und dem Bischof von Perigueux. Bei dem erstern vermuthe man einigen Ehrgeiz; der letztere sey der, auf welchen wohl die Wahl der Regierung fallen dürfte.

Der Minister des Innern hat an alle Präfecten ein Umlaufschreiben gerichtet, worin er ihnen zur Pflicht macht, den Commandanten und Officieren der Nationalgarde die Gesetzesverfügungen in Erinnerung zu bringen, welche der Bürgermiliz verbieten, sich ohne Zusammenberufungsbefehle zu versammeln und über politische Materien zu berathschlagen.

Der Präfect der Arriege ist in Paris angekommen, wohin er berufen ward, um über das bedauernswerthe Ereigniß in der Stadt Foix Rechenschaft abzulegen. Auch sollen die Deputirten des Departements der Arriege im Sinn haben, Interpellationen an die Minister in Betreff der Unruhen in diesem Departement zu richten.

(Gazette.) Hr. Karl Durand hat folgendes Schreiben an den Instructionsrichter, Hrn. Zangiacomi, gerichtet, bei welchem vielleicht nur auffällt, daß Hr. Durand wochenlang damit gezögert hat. "Mein Herr, da mehrere Journale bekannt gemacht haben, ich hätte in der Instruction gestanden, der Agent der russischen Regierung zu seyn, so halte ich es für meine Pflicht, Sie zu bitten, diesem Umstande, der eine Lüge ist, entweder zu widersprechen, oder mich zu ermächtigen, ihm selbst zu widersprechen. Ich werde nie voraussetzen, mein Herr, daß die Instruction Lügen oder völlig falsche Thatsachen nöthig habe, um der Justiz zu dienen, die nur von Wahrheit leben soll. Ich habe die Ehre etc. (Unterz.) 26 Jan. Karl Durand."

Das Commerce behauptet, Graf Pozzo di Borgo habe in einem der lichten Augenblicke, die ihm noch zuweilen aufstoßen, bei Empfang seiner definitiven Entlassung ausgerufen: "So wäre ich doch endlich davon dispensirt, dem Leichenbegängniß des Juste-Milieu beizuwohnen."

Der Courrier francais meldet, daß die Handelsconferenzen zwischen den Commissarien der englischen und der französischen Regierung wieder beginnen werden. Die etwa einzuführenden Reformen in den Zolltarifen seyen begutachtet


Königin zu verbergen, und ihre Schmähungen zu beschönigen oder zurückzunehmen, lassen sie jetzt all ihren Haß gegen das Unterhaus aus, weil in demselben liberale Gesinnungen die Oberhand haben; sie möchten es gedemüthigt sehen, wenn auch ihre eigene Minorität dabei mitleiden müßte. Es klingt natürlich sehr schön, den Unterthan, so arm und so verworfen er auch sey, gegen das willkürliche sic volo einer Versammlung zu schützen. Aber man verliert dabei aus den Augen, daß diese Versammlung der Ausschuß der Nation ist, und nichts Anderes will und wollen kann, als was zur Erfüllung ihres großen Auftrages unentbehrlich ist; daß es ihr ein Leichtes seyn würde, ihren Beschluß durch die Zustimmung des Oberhauses und der Krone zum Gesetz zu erheben, wenn es sich nicht um die Nothwendigkeit handelte, die Gerechtsame des Hauses überhaupt der Deutung einer Behörde zu entziehen, welche sich in dem Gutachten der Richter nur zu geneigt gezeigt hat, ihm auch andere Punkte derselben streitig zu machen. Es nimmt die Sache eine andere Gestaltung an. Die Londoner Bürgerschaft fühlt sich freilich in der Verhaftung ihrer eigenen Beamten, der Sheriffs, verletzt, und im Gemeinderath toben Tories und Liberale fast ohne Ausnahme. Aber diese Herren haben eben so sehr getobt, als die Regierung, zum Besten des Ganzen, ihre Polizei mit der allgemeinen Polizei der Hauptstadt verschmelzen wollte. Welchen Geistes aber die Rechtsgelehrtenzunft überhaupt ist, läßt sich aus einer in den gestrigen Blättern enthaltenen Erklärung der Advocaten ersehen, welche von einer großen Mehrheit derselben unterschrieben worden seyn soll, und worin sie sich erbieten, Jedermanns Sache vor den Gerichtshöfen zu führen, der sich vom Unterhause verletzt glaube, und sogar die Redefreiheit der Mitglieder im Hause selbst in Zweifel ziehen! – Die Toryjournale erklären die als Jahrgeld für den Prinzen Albert von der Regierung vorgeschlagene Summe von 50,000 Pf. St. für viel zu hoch, obgleich das Einkommen des königlichen Paares mit derselben nicht größer seyn würde, als das Einkommen des Königs Wilhelm und seiner Gemahlin war. Aber dann sagen sie, ein Gemahl einer Königin ist weit unbedeutender, und hat weniger Staat zu bestreiten, als eine königliche Gemahlin; auch seyen die Zeiten schlechter, und das Ministerium könne das Geld nur verlangen, um Stimmen zu erkaufen, Wähler zu bestechen u. s. w. Hierbei ist von den angeblichen Schulden der Königin keine Rede mehr; aber der Prinz wird auf mancherlei Weise bespöttelt und besudelt, und auf alle möglichen Weisen im voraus verächtlich und verhaßt gemacht. Dieß soll die Tories beim Volke beliebt machen; so viel ich indessen bis jetzt sehen kann, werden die Häupter der Partei die Opposition nicht theilen. – Ich habe oben einer Bemerkung des Grafen Ripon erwähnt. Diese ist in einer Rede über den Zustand der Finanzen und die Verhältnisse der Nation enthalten, welche, nebst der Antwort Lord Melbourne's, die höchste Aufmerksamkeit verdient (s. die Beilage); besonders weil daraus hervorgeht, daß weder in unsern Heeren noch in der Marine eine Verminderung zu erwarten steht, und um die steigenden Kosten derselben, so wie den aus der Verminderung des Briefporto's zu erwartenden Ausfall zu decken, eine neue Steuer angelegt, oder eine Anleihe erhoben werden müsse, vielleicht beides zugleich. Eine merkwürdige Debatte ward auch gestern im Oberhause durch den unermüdlichen Bischof von Exeter in Bezug auf die Socialisten herbeigeführt. Diese Secte, welche dem bekannten Robert Owen ihren Ursprung verdankt, bezweckt zunächst ein neues Eigenthumsverhältniß mittelst gesellschaftlicher Vereine. Da aber bisher alle Versuche, solche Vereine für längere Zeit zusammen zu halten, scheiterten, so ist es Owen in den Kopf gekommen, der Dogmatismus des Sectenwesens und die bisherigen ehelichen Verhältnisse seyen die Schuld des Mißlingens, und der Schwärmer arbeitet seitdem aus Leibeskräften diesem Institut wie dem Christenthum entgegen. Es ist ihm auch gelungen, in allen Theilen des Landes, besonders in den Fabrikstädten Anhänger zu finden – wie ja auch Johanna Southcote, Courtenay-Thom deren fanden, und der amerikanische Unsinn der Mormonisten eben jetzt findet. Vielleicht würde das Oberhaus jetzt nicht mit den Absurditäten dieser „Geselligen“ behelligt worden seyn, wenn Lord Melbourne nicht vor einigen Monaten die Unvorsichtigkeit begangen hätte, deren Apostel, Owen, bei einem Lewer der Königin vorzustellen, um ihm Gelegenheit zu geben, Ihrer Maj. eine Bittschrift um die Beförderung seiner Tollheit vorzulegen. Der edle Lord verdiente allerdings deßwegen einen Verweis; doch war es darum, und um den Lord Normanby, als Secretär des Innern, einen Seitenhieb zu versetzen, wie der Bischof that, der Mühe werth, diese tollen Menschen so wichtig zu machen. Wußte doch am Ende Wellington selbst kein Mittel anzugeben, das der Regierung gegen dieselben zu Gebote stehe.

Frankreich.

(Moniteur.) Die französische Botschaft in der Schweiz hat die neue Regierung von Tessin officiell anerkannt.

Der Temps sagt im Betreff der Wiederbesetzung der Stelle des Hrn. v. Quelen, das Cabinet schwanke unentschieden zwischen drei Prälaten: dem Erzbischof von Bordeaux, dem Bischof von Soissons und dem Bischof von Périgueux. Bei dem erstern vermuthe man einigen Ehrgeiz; der letztere sey der, auf welchen wohl die Wahl der Regierung fallen dürfte.

Der Minister des Innern hat an alle Präfecten ein Umlaufschreiben gerichtet, worin er ihnen zur Pflicht macht, den Commandanten und Officieren der Nationalgarde die Gesetzesverfügungen in Erinnerung zu bringen, welche der Bürgermiliz verbieten, sich ohne Zusammenberufungsbefehle zu versammeln und über politische Materien zu berathschlagen.

Der Präfect der Arriège ist in Paris angekommen, wohin er berufen ward, um über das bedauernswerthe Ereigniß in der Stadt Foix Rechenschaft abzulegen. Auch sollen die Deputirten des Departements der Arriège im Sinn haben, Interpellationen an die Minister in Betreff der Unruhen in diesem Departement zu richten.

(Gazette.) Hr. Karl Durand hat folgendes Schreiben an den Instructionsrichter, Hrn. Zangiacomi, gerichtet, bei welchem vielleicht nur auffällt, daß Hr. Durand wochenlang damit gezögert hat. „Mein Herr, da mehrere Journale bekannt gemacht haben, ich hätte in der Instruction gestanden, der Agent der russischen Regierung zu seyn, so halte ich es für meine Pflicht, Sie zu bitten, diesem Umstande, der eine Lüge ist, entweder zu widersprechen, oder mich zu ermächtigen, ihm selbst zu widersprechen. Ich werde nie voraussetzen, mein Herr, daß die Instruction Lügen oder völlig falsche Thatsachen nöthig habe, um der Justiz zu dienen, die nur von Wahrheit leben soll. Ich habe die Ehre etc. (Unterz.) 26 Jan. Karl Durand.“

Das Commerce behauptet, Graf Pozzo di Borgo habe in einem der lichten Augenblicke, die ihm noch zuweilen aufstoßen, bei Empfang seiner definitiven Entlassung ausgerufen: „So wäre ich doch endlich davon dispensirt, dem Leichenbegängniß des Juste-Milieu beizuwohnen.“

Der Courrier français meldet, daß die Handelsconferenzen zwischen den Commissarien der englischen und der französischen Regierung wieder beginnen werden. Die etwa einzuführenden Reformen in den Zolltarifen seyen begutachtet

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[0259/0003] Königin zu verbergen, und ihre Schmähungen zu beschönigen oder zurückzunehmen, lassen sie jetzt all ihren Haß gegen das Unterhaus aus, weil in demselben liberale Gesinnungen die Oberhand haben; sie möchten es gedemüthigt sehen, wenn auch ihre eigene Minorität dabei mitleiden müßte. Es klingt natürlich sehr schön, den Unterthan, so arm und so verworfen er auch sey, gegen das willkürliche sic volo einer Versammlung zu schützen. 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Welchen Geistes aber die Rechtsgelehrtenzunft überhaupt ist, läßt sich aus einer in den gestrigen Blättern enthaltenen Erklärung der Advocaten ersehen, welche von einer großen Mehrheit derselben unterschrieben worden seyn soll, und worin sie sich erbieten, Jedermanns Sache vor den Gerichtshöfen zu führen, der sich vom Unterhause verletzt glaube, und sogar die Redefreiheit der Mitglieder im Hause selbst in Zweifel ziehen! – Die Toryjournale erklären die als Jahrgeld für den Prinzen Albert von der Regierung vorgeschlagene Summe von 50,000 Pf. St. für viel zu hoch, obgleich das Einkommen des königlichen Paares mit derselben nicht größer seyn würde, als das Einkommen des Königs Wilhelm und seiner Gemahlin war. Aber dann sagen sie, ein Gemahl einer Königin ist weit unbedeutender, und hat weniger Staat zu bestreiten, als eine königliche Gemahlin; auch seyen die Zeiten schlechter, und das Ministerium könne das Geld nur verlangen, um Stimmen zu erkaufen, Wähler zu bestechen u. s. w. Hierbei ist von den angeblichen Schulden der Königin keine Rede mehr; aber der Prinz wird auf mancherlei Weise bespöttelt und besudelt, und auf alle möglichen Weisen im voraus verächtlich und verhaßt gemacht. Dieß soll die Tories beim Volke beliebt machen; so viel ich indessen bis jetzt sehen kann, werden die Häupter der Partei die Opposition nicht theilen. – Ich habe oben einer Bemerkung des Grafen Ripon erwähnt. Diese ist in einer Rede über den Zustand der Finanzen und die Verhältnisse der Nation enthalten, welche, nebst der Antwort Lord Melbourne's, die höchste Aufmerksamkeit verdient (s. die Beilage); besonders weil daraus hervorgeht, daß weder in unsern Heeren noch in der Marine eine Verminderung zu erwarten steht, und um die steigenden Kosten derselben, so wie den aus der Verminderung des Briefporto's zu erwartenden Ausfall zu decken, eine neue Steuer angelegt, oder eine Anleihe erhoben werden müsse, vielleicht beides zugleich. Eine merkwürdige Debatte ward auch gestern im Oberhause durch den unermüdlichen Bischof von Exeter in Bezug auf die Socialisten herbeigeführt. Diese Secte, welche dem bekannten Robert Owen ihren Ursprung verdankt, bezweckt zunächst ein neues Eigenthumsverhältniß mittelst gesellschaftlicher Vereine. Da aber bisher alle Versuche, solche Vereine für längere Zeit zusammen zu halten, scheiterten, so ist es Owen in den Kopf gekommen, der Dogmatismus des Sectenwesens und die bisherigen ehelichen Verhältnisse seyen die Schuld des Mißlingens, und der Schwärmer arbeitet seitdem aus Leibeskräften diesem Institut wie dem Christenthum entgegen. Es ist ihm auch gelungen, in allen Theilen des Landes, besonders in den Fabrikstädten Anhänger zu finden – wie ja auch Johanna Southcote, Courtenay-Thom deren fanden, und der amerikanische Unsinn der Mormonisten eben jetzt findet. Vielleicht würde das Oberhaus jetzt nicht mit den Absurditäten dieser „Geselligen“ behelligt worden seyn, wenn Lord Melbourne nicht vor einigen Monaten die Unvorsichtigkeit begangen hätte, deren Apostel, Owen, bei einem Lewer der Königin vorzustellen, um ihm Gelegenheit zu geben, Ihrer Maj. eine Bittschrift um die Beförderung seiner Tollheit vorzulegen. Der edle Lord verdiente allerdings deßwegen einen Verweis; doch war es darum, und um den Lord Normanby, als Secretär des Innern, einen Seitenhieb zu versetzen, wie der Bischof that, der Mühe werth, diese tollen Menschen so wichtig zu machen. Wußte doch am Ende Wellington selbst kein Mittel anzugeben, das der Regierung gegen dieselben zu Gebote stehe. Frankreich. Paris, 28 Jan. (Moniteur.) Die französische Botschaft in der Schweiz hat die neue Regierung von Tessin officiell anerkannt. Der Temps sagt im Betreff der Wiederbesetzung der Stelle des Hrn. v. Quelen, das Cabinet schwanke unentschieden zwischen drei Prälaten: dem Erzbischof von Bordeaux, dem Bischof von Soissons und dem Bischof von Périgueux. Bei dem erstern vermuthe man einigen Ehrgeiz; der letztere sey der, auf welchen wohl die Wahl der Regierung fallen dürfte. Der Minister des Innern hat an alle Präfecten ein Umlaufschreiben gerichtet, worin er ihnen zur Pflicht macht, den Commandanten und Officieren der Nationalgarde die Gesetzesverfügungen in Erinnerung zu bringen, welche der Bürgermiliz verbieten, sich ohne Zusammenberufungsbefehle zu versammeln und über politische Materien zu berathschlagen. Der Präfect der Arriège ist in Paris angekommen, wohin er berufen ward, um über das bedauernswerthe Ereigniß in der Stadt Foix Rechenschaft abzulegen. Auch sollen die Deputirten des Departements der Arriège im Sinn haben, Interpellationen an die Minister in Betreff der Unruhen in diesem Departement zu richten. (Gazette.) Hr. Karl Durand hat folgendes Schreiben an den Instructionsrichter, Hrn. Zangiacomi, gerichtet, bei welchem vielleicht nur auffällt, daß Hr. Durand wochenlang damit gezögert hat. „Mein Herr, da mehrere Journale bekannt gemacht haben, ich hätte in der Instruction gestanden, der Agent der russischen Regierung zu seyn, so halte ich es für meine Pflicht, Sie zu bitten, diesem Umstande, der eine Lüge ist, entweder zu widersprechen, oder mich zu ermächtigen, ihm selbst zu widersprechen. Ich werde nie voraussetzen, mein Herr, daß die Instruction Lügen oder völlig falsche Thatsachen nöthig habe, um der Justiz zu dienen, die nur von Wahrheit leben soll. Ich habe die Ehre etc. (Unterz.) 26 Jan. Karl Durand.“ Das Commerce behauptet, Graf Pozzo di Borgo habe in einem der lichten Augenblicke, die ihm noch zuweilen aufstoßen, bei Empfang seiner definitiven Entlassung ausgerufen: „So wäre ich doch endlich davon dispensirt, dem Leichenbegängniß des Juste-Milieu beizuwohnen.“ Der Courrier français meldet, daß die Handelsconferenzen zwischen den Commissarien der englischen und der französischen Regierung wieder beginnen werden. Die etwa einzuführenden Reformen in den Zolltarifen seyen begutachtet

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Zitationshilfe: Allgemeine Zeitung. Nr. 33. Augsburg, 2. Februar 1840, S. 0259. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/augsburgerallgemeine_033_18400202/3>, abgerufen am 27.04.2024.