Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Allgemeine Zeitung. Nr. 7. Augsburg, 7. Januar 1840.

Bild:
<< vorherige Seite

der Mitglieder der Kammern der Generalstaaten; die zweite Kammer soll aus 58 Mitgliedern bestehen, davon drei aus dem Herzogthum Limburg; die erste Kammer soll nicht weniger als 20, und nicht mehr als 30 Mitglieder zählen, sie müssen das 40ste Lebensjahr erreicht haben, und der König ernennt sie auf Lebenszeit; der Gesetzesentwurf V hebt den Art. 98 des Grundgesetzes auf, welcher bestimmt, daß die Sitzungen der Generalstaaten abwechselnd in dem nördlichen und südlichen Theil des Landes abgehalten werden sollen. - Diese Veränderungen entsprechen durchaus nicht der Erwartung der Kammer. Der König erklärt selbst in seinem Begleitschreiben, daß es nur Veränderungen seyen, welche durch den mit Belgien abgeschlossenen Definitivtractat nothwendig geworden. Se. Maj. findet es den allgemeinen Interessen Niederlands nicht angemessen, jetzt noch weitere Veränderungen eintreten zu lassen, erklärt sich aber bereit, das in nähere Prüfung zu nehmen, was das Glück der Nation befördern könne. Die obigen Gesetzesentwürfe sind den Sectionen überwiesen worden. Die Kammer hat sich auf vierzehn Tage vertagt. Es wurde zwar eine unbestimmte Vertagung beantragt, dieselbe aber verworfen. In der heutigen Sitzung waren nur 37 Mitglieder anwesend, da schon viele abgereist sind. - Der Staatsminister Hr. van Gemep ist vom Könige zum Großkreuz des niederländischen Löwenordens ernannt worden.

Die uns zugekommenen holländischen Blätter enthalten noch kein Urtheil über diese Vorschläge, doch ist ersichtlich, daß sie solche nur als den Anfang einer größern Veränderung des Grundgesetzes betrachten, denn das Amsterdamer Handelsblad bemerkt mit ziemlicher Bitterkeit, diese Vorschläge hätten schon recht wohl im October eingereicht worden seyn können, denn sie hätten gewiß nicht so viel Mühe und Zeit erfordert, daß man damit hätte zögern müssen, bis ein starkes Drittheil der Kammer sich schon entfernt gehabt habe. Der Beschluß der Kammer, die Berathung gleich in vierzehn Tagen vorzunehmen, findet bei dem aufgeregten Sinn ziemlich ungetheilten Beifall, um so mehr, als man schon gegen die Generalstaaten mit scharfem Tadel aufgetreten war, daß sie die letzte Vorlage, nämlich die Verlängerung des vorjährigen Budgets auf sechs Monate angenommen hätten. Der Arnhem'sche Courant, freilich ein entschiedenes Oppositionsblatt, fängt seinen einleitenden Artikel in der ersten Nummer von diesem Jahre mit dem Motto an: "Fata volentem ducunt, nolentem trahunt" und bemerkt: "Es ist ein wichtiges Jahr, in welches Niederland eintritt. Die Dekade auswärtigen Zwistes ist geschlossen; sie kam uns theuer zu stehen. Werden die inländischen Zeitfragen auch einen so langen Zeitraum bedürfen? Wir wollen es nicht hoffen, aber leider fürchten wir es." Er macht sodann darauf aufmerksam, daß eine moralische Revolution in den Niederlanden vorgegangen sey, die endlich denn auch in den Generalstaaten sich geäußert habe. Auch diese werden keineswegs geschont, und sogar die Frage aufgeworfen, ob die Nation nach der Haltung, welche die Generalstaaten angenommen, ihre Zukunft noch mit Vertrauen denselben anvertrauen könne. Wenn auch solche Fragen einem weit getriebenen Parteigeiste zugeschrieben werden müssen, so ergibt sich daraus doch so viel, daß man die formellen Aenderungen, wie sie die Vorschläge der Regierung enthalten, nur als den Anfangspunkt betrachtet, der zu "ganz andern Ideen leiten müsse."

Italien.

Die Feierlichkeiten des Weihnachtsfestes wurden mit allen hergebrachten Ceremonien begangen. Der heilige Vater assistirte den Functionen in eigener Person, wobei er so rüstig als je erschien. An Fremden fehlt es auch dießmal nicht, wenn sie auch nicht so zahlreich sind, wie im vorigen Jahr. - Von französischen Legitimisten, welche dem Herzog von Bordeaux ihre Aufwartung machen wollen, befinden sich dermalen hier: der Pair von Frankreich Graf de la Ferronnays (im Ministerium Portalis Minister der auswärtigen Angelegenheiten und im J. 1830 französischer Botschafter beim heil. Stuhl), ferner die Grafen Pastoret und Marcellus. Auch ist Hr. v. Genoude hier eingetroffen. Er soll, wie die französischen legitimistischen Blätter verkündigten, in Angelegenheit der französischen Geistlichkeit die Reise unternommen haben. Man sagt aber, daß es ihm bis jetzt nicht gelungen sey, hier ein williges Ohr für seine Vorschläge zu finden. - Nach Berichten aus Bologna und Ferrara ist der Schaden, welchen die letzten Ueberschwemmungen in den beiden Legationen angerichtet, noch weit bedeutender als man anfänglich geglaubt hatte. Um bloß die Straßen, Unterbaue und Brücken wieder herzustellen, ist der Anschlag auf 500,000 Scudi festgesetzt, ohne den viel größeren Verlust des Privatvermögens. Der Ort Bondeno ist fast ganz zu Grunde gerichtet. In Ravenna müssen alle Straßen und Brücken wieder hergestellt werden, was eine Ausgabe von 200,000 Scudi erfordert. Man ist der Meinung, die Regierung werde, um die Noth der Landleute einigermaßen zu mildern, die Grundsteuer auf ein Jahr erlassen. - Gestern Abend wurden hier die Theater eröffnet, womit die Saison des Carnevals beginnt. Auf vier großen Theatern (ohne mehrerer kleiner zu gedenken) werden Oper, Ballet und Schauspiel gegeben. Die Regierung hat auch dieses Jahr eine namhafte Summe dazu bewilligt.

Die Zeitung von Venedig vom 17 Dec. meldet, daß in der Nacht vom 5 auf den 6 Dec. eine der höchsten Fluthen, die seit Menschengedenken stattgefunden, von einem Sturmwinde getrieben, jene Stadt, die Inseln von Estuario und Chiozza unter sehr großen Beschädigungen überschwemmte, und dadurch einen auf mehrere Jahre hinaus fühlbaren Nachtheil verursachte. Auf den an Mestre anstoßenden Ebenen gesellte sich noch ein heftiges Regenwetter hinzu, so daß bei der gleichzeitig eingetretenen großen Fluth alle sonst kleinen Flüsse die Niederungen in Sümpfe und Lagunen verwandelten. Am heftigsten ward aber von den Elementen die Insel Ariano durch die Fluth, durch den Dammbruch des Po bei Goro, und durch eine Windhose, welche Bäume entwurzelte und Häuser niederriß, mitgenommen.

Deutschland.

Gestern und vorgestern hat die Kammer der Abgeordneten sich mit der Constituirung der Ausschüsse beschäftigt. (S. die gestrige Allg. Zeitung.) Der zweite Ausschuß für die Steuern wurde erst nach fünf Scrutinien gebildet. (Die sechs ersten Mitglieder haben wir gestern angegeben, die zwei noch übrigen sind v. Höchstätten und Graf Butler-Hainhausen.) Die Nachricht, daß die Entscheidung über die zweite Präsidentenstelle der Kammer der Reichsräthe bereits erfolgt sey, war etwas voreilig. *)*) Inzwischen ist die allerhöchste Ernennung des lebenslänglichen Reichsraths Grafen Arko-Köllenbach, früheren Präsidenten des Oberappellationsgerichts, zum zweiten Präsidenten dieser Kammer eingetroffen.

In dem Verzeichnisse der am Neujahrstage mit Orden begnadigten Personen ist aus Versehen der Name des Majors im Artillerieregimente Prinz Luitpold, Vincenz Achner, weggeblieben, der gleichfalls aus den Händen Sr.

*) Sie muß sehr verbreitet gewesen seyn, wenigstens finden wir sie, so wie wir sie gegeben, auch in mehreren andern bayerischen Blättern, z. B. im neuesten Nürnberger Correspondenten.

der Mitglieder der Kammern der Generalstaaten; die zweite Kammer soll aus 58 Mitgliedern bestehen, davon drei aus dem Herzogthum Limburg; die erste Kammer soll nicht weniger als 20, und nicht mehr als 30 Mitglieder zählen, sie müssen das 40ste Lebensjahr erreicht haben, und der König ernennt sie auf Lebenszeit; der Gesetzesentwurf V hebt den Art. 98 des Grundgesetzes auf, welcher bestimmt, daß die Sitzungen der Generalstaaten abwechselnd in dem nördlichen und südlichen Theil des Landes abgehalten werden sollen. – Diese Veränderungen entsprechen durchaus nicht der Erwartung der Kammer. Der König erklärt selbst in seinem Begleitschreiben, daß es nur Veränderungen seyen, welche durch den mit Belgien abgeschlossenen Definitivtractat nothwendig geworden. Se. Maj. findet es den allgemeinen Interessen Niederlands nicht angemessen, jetzt noch weitere Veränderungen eintreten zu lassen, erklärt sich aber bereit, das in nähere Prüfung zu nehmen, was das Glück der Nation befördern könne. Die obigen Gesetzesentwürfe sind den Sectionen überwiesen worden. Die Kammer hat sich auf vierzehn Tage vertagt. Es wurde zwar eine unbestimmte Vertagung beantragt, dieselbe aber verworfen. In der heutigen Sitzung waren nur 37 Mitglieder anwesend, da schon viele abgereist sind. – Der Staatsminister Hr. van Gemep ist vom Könige zum Großkreuz des niederländischen Löwenordens ernannt worden.

Die uns zugekommenen holländischen Blätter enthalten noch kein Urtheil über diese Vorschläge, doch ist ersichtlich, daß sie solche nur als den Anfang einer größern Veränderung des Grundgesetzes betrachten, denn das Amsterdamer Handelsblad bemerkt mit ziemlicher Bitterkeit, diese Vorschläge hätten schon recht wohl im October eingereicht worden seyn können, denn sie hätten gewiß nicht so viel Mühe und Zeit erfordert, daß man damit hätte zögern müssen, bis ein starkes Drittheil der Kammer sich schon entfernt gehabt habe. Der Beschluß der Kammer, die Berathung gleich in vierzehn Tagen vorzunehmen, findet bei dem aufgeregten Sinn ziemlich ungetheilten Beifall, um so mehr, als man schon gegen die Generalstaaten mit scharfem Tadel aufgetreten war, daß sie die letzte Vorlage, nämlich die Verlängerung des vorjährigen Budgets auf sechs Monate angenommen hätten. Der Arnhem'sche Courant, freilich ein entschiedenes Oppositionsblatt, fängt seinen einleitenden Artikel in der ersten Nummer von diesem Jahre mit dem Motto an: „Fata volentem ducunt, nolentem trahunt“ und bemerkt: „Es ist ein wichtiges Jahr, in welches Niederland eintritt. Die Dekade auswärtigen Zwistes ist geschlossen; sie kam uns theuer zu stehen. Werden die inländischen Zeitfragen auch einen so langen Zeitraum bedürfen? Wir wollen es nicht hoffen, aber leider fürchten wir es.“ Er macht sodann darauf aufmerksam, daß eine moralische Revolution in den Niederlanden vorgegangen sey, die endlich denn auch in den Generalstaaten sich geäußert habe. Auch diese werden keineswegs geschont, und sogar die Frage aufgeworfen, ob die Nation nach der Haltung, welche die Generalstaaten angenommen, ihre Zukunft noch mit Vertrauen denselben anvertrauen könne. Wenn auch solche Fragen einem weit getriebenen Parteigeiste zugeschrieben werden müssen, so ergibt sich daraus doch so viel, daß man die formellen Aenderungen, wie sie die Vorschläge der Regierung enthalten, nur als den Anfangspunkt betrachtet, der zu „ganz andern Ideen leiten müsse.“

Italien.

Die Feierlichkeiten des Weihnachtsfestes wurden mit allen hergebrachten Ceremonien begangen. Der heilige Vater assistirte den Functionen in eigener Person, wobei er so rüstig als je erschien. An Fremden fehlt es auch dießmal nicht, wenn sie auch nicht so zahlreich sind, wie im vorigen Jahr. – Von französischen Legitimisten, welche dem Herzog von Bordeaux ihre Aufwartung machen wollen, befinden sich dermalen hier: der Pair von Frankreich Graf de la Ferronnays (im Ministerium Portalis Minister der auswärtigen Angelegenheiten und im J. 1830 französischer Botschafter beim heil. Stuhl), ferner die Grafen Pastoret und Marcellus. Auch ist Hr. v. Genoude hier eingetroffen. Er soll, wie die französischen legitimistischen Blätter verkündigten, in Angelegenheit der französischen Geistlichkeit die Reise unternommen haben. Man sagt aber, daß es ihm bis jetzt nicht gelungen sey, hier ein williges Ohr für seine Vorschläge zu finden. – Nach Berichten aus Bologna und Ferrara ist der Schaden, welchen die letzten Ueberschwemmungen in den beiden Legationen angerichtet, noch weit bedeutender als man anfänglich geglaubt hatte. Um bloß die Straßen, Unterbaue und Brücken wieder herzustellen, ist der Anschlag auf 500,000 Scudi festgesetzt, ohne den viel größeren Verlust des Privatvermögens. Der Ort Bondeno ist fast ganz zu Grunde gerichtet. In Ravenna müssen alle Straßen und Brücken wieder hergestellt werden, was eine Ausgabe von 200,000 Scudi erfordert. Man ist der Meinung, die Regierung werde, um die Noth der Landleute einigermaßen zu mildern, die Grundsteuer auf ein Jahr erlassen. – Gestern Abend wurden hier die Theater eröffnet, womit die Saison des Carnevals beginnt. Auf vier großen Theatern (ohne mehrerer kleiner zu gedenken) werden Oper, Ballet und Schauspiel gegeben. Die Regierung hat auch dieses Jahr eine namhafte Summe dazu bewilligt.

Die Zeitung von Venedig vom 17 Dec. meldet, daß in der Nacht vom 5 auf den 6 Dec. eine der höchsten Fluthen, die seit Menschengedenken stattgefunden, von einem Sturmwinde getrieben, jene Stadt, die Inseln von Estuario und Chiozza unter sehr großen Beschädigungen überschwemmte, und dadurch einen auf mehrere Jahre hinaus fühlbaren Nachtheil verursachte. Auf den an Mestre anstoßenden Ebenen gesellte sich noch ein heftiges Regenwetter hinzu, so daß bei der gleichzeitig eingetretenen großen Fluth alle sonst kleinen Flüsse die Niederungen in Sümpfe und Lagunen verwandelten. Am heftigsten ward aber von den Elementen die Insel Ariano durch die Fluth, durch den Dammbruch des Po bei Goro, und durch eine Windhose, welche Bäume entwurzelte und Häuser niederriß, mitgenommen.

Deutschland.

Gestern und vorgestern hat die Kammer der Abgeordneten sich mit der Constituirung der Ausschüsse beschäftigt. (S. die gestrige Allg. Zeitung.) Der zweite Ausschuß für die Steuern wurde erst nach fünf Scrutinien gebildet. (Die sechs ersten Mitglieder haben wir gestern angegeben, die zwei noch übrigen sind v. Höchstätten und Graf Butler-Hainhausen.) Die Nachricht, daß die Entscheidung über die zweite Präsidentenstelle der Kammer der Reichsräthe bereits erfolgt sey, war etwas voreilig. *)*) Inzwischen ist die allerhöchste Ernennung des lebenslänglichen Reichsraths Grafen Arko-Köllenbach, früheren Präsidenten des Oberappellationsgerichts, zum zweiten Präsidenten dieser Kammer eingetroffen.

In dem Verzeichnisse der am Neujahrstage mit Orden begnadigten Personen ist aus Versehen der Name des Majors im Artillerieregimente Prinz Luitpold, Vincenz Achner, weggeblieben, der gleichfalls aus den Händen Sr.

*) Sie muß sehr verbreitet gewesen seyn, wenigstens finden wir sie, so wie wir sie gegeben, auch in mehreren andern bayerischen Blättern, z. B. im neuesten Nürnberger Correspondenten.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div type="jArticle" n="2">
          <p><pb facs="#f0004" n="0052"/>
der Mitglieder der Kammern der Generalstaaten; die zweite Kammer soll aus 58 Mitgliedern bestehen, davon drei aus dem Herzogthum Limburg; die erste Kammer soll nicht weniger als 20, und nicht mehr als 30 Mitglieder zählen, sie müssen das 40ste Lebensjahr erreicht haben, und der König ernennt sie auf Lebenszeit; der Gesetzesentwurf V hebt den Art. 98 des Grundgesetzes auf, welcher bestimmt, daß die Sitzungen der Generalstaaten abwechselnd in dem nördlichen und südlichen Theil des Landes abgehalten werden sollen. &#x2013; Diese Veränderungen entsprechen durchaus nicht der Erwartung der Kammer. Der König erklärt selbst in seinem Begleitschreiben, daß es nur Veränderungen seyen, welche durch den mit Belgien abgeschlossenen Definitivtractat nothwendig geworden. Se. Maj. findet es den allgemeinen Interessen Niederlands nicht angemessen, jetzt noch weitere Veränderungen eintreten zu lassen, erklärt sich aber bereit, das in nähere Prüfung zu nehmen, was das Glück der Nation befördern könne. Die obigen Gesetzesentwürfe sind den Sectionen überwiesen worden. Die Kammer hat sich auf vierzehn Tage vertagt. Es wurde zwar eine unbestimmte Vertagung beantragt, dieselbe aber verworfen. In der heutigen Sitzung waren nur 37 Mitglieder anwesend, da schon viele abgereist sind. &#x2013; Der Staatsminister Hr. van Gemep ist vom Könige zum Großkreuz des niederländischen Löwenordens ernannt worden.</p><lb/>
          <p>Die uns zugekommenen holländischen Blätter enthalten noch kein Urtheil über diese Vorschläge, doch ist ersichtlich, daß sie solche nur als den Anfang einer größern Veränderung des Grundgesetzes betrachten, denn das Amsterdamer Handelsblad bemerkt mit ziemlicher Bitterkeit, <hi rendition="#g">diese</hi> Vorschläge hätten schon recht wohl im October eingereicht worden seyn können, denn sie hätten gewiß nicht so viel Mühe und Zeit erfordert, daß man damit hätte zögern müssen, bis ein starkes Drittheil der Kammer sich schon entfernt gehabt habe. Der Beschluß der Kammer, die Berathung gleich in vierzehn Tagen vorzunehmen, findet bei dem aufgeregten Sinn ziemlich ungetheilten Beifall, um so mehr, als man schon gegen die Generalstaaten mit scharfem Tadel aufgetreten war, daß sie die letzte Vorlage, nämlich die Verlängerung des vorjährigen Budgets auf sechs Monate angenommen hätten. Der Arnhem'sche Courant, freilich ein entschiedenes Oppositionsblatt, fängt seinen einleitenden Artikel in der ersten Nummer von diesem Jahre mit dem Motto an: &#x201E;Fata volentem ducunt, nolentem trahunt&#x201C; und bemerkt: &#x201E;Es ist ein wichtiges Jahr, in welches Niederland eintritt. Die Dekade auswärtigen Zwistes ist geschlossen; sie kam uns <hi rendition="#g">theuer</hi> zu stehen. Werden die inländischen Zeitfragen auch einen so langen Zeitraum bedürfen? Wir wollen es nicht hoffen, aber leider fürchten wir es.&#x201C; Er macht sodann darauf aufmerksam, daß eine moralische Revolution in den Niederlanden vorgegangen sey, die <hi rendition="#g">endlich</hi> denn auch in den Generalstaaten sich geäußert habe. Auch diese werden keineswegs geschont, und sogar die Frage aufgeworfen, ob die Nation nach der Haltung, welche die Generalstaaten angenommen, ihre Zukunft noch mit Vertrauen denselben anvertrauen könne. Wenn auch solche Fragen einem weit getriebenen Parteigeiste zugeschrieben werden müssen, so ergibt sich daraus doch so viel, daß man die formellen Aenderungen, wie sie die Vorschläge der Regierung enthalten, nur als den Anfangspunkt betrachtet, der zu &#x201E;ganz andern Ideen leiten müsse.&#x201C;</p><lb/>
        </div>
      </div>
      <div n="1">
        <head> <hi rendition="#b">Italien.</hi> </head><lb/>
        <div type="jArticle" n="2">
          <byline>
            <docAuthor>
              <gap reason="insignificant"/>
            </docAuthor>
          </byline>
          <dateline><hi rendition="#b">Rom,</hi> 27 Dec</dateline>
          <p> Die Feierlichkeiten des Weihnachtsfestes wurden mit allen hergebrachten Ceremonien begangen. Der heilige Vater assistirte den Functionen in eigener Person, wobei er so rüstig als je erschien. An Fremden fehlt es auch dießmal nicht, wenn sie auch nicht so zahlreich sind, wie im vorigen Jahr. &#x2013; Von französischen Legitimisten, welche dem Herzog von Bordeaux ihre Aufwartung machen wollen, befinden sich dermalen hier: der Pair von Frankreich Graf de la Ferronnays (im Ministerium Portalis Minister der auswärtigen Angelegenheiten und im J. 1830 französischer Botschafter beim heil. Stuhl), ferner die Grafen Pastoret und Marcellus. Auch ist Hr. v. Genoude hier eingetroffen. Er soll, wie die französischen legitimistischen Blätter verkündigten, in Angelegenheit der französischen Geistlichkeit die Reise unternommen haben. Man sagt aber, daß es ihm bis jetzt nicht gelungen sey, hier ein williges Ohr für seine Vorschläge zu finden. &#x2013; Nach Berichten aus Bologna und Ferrara ist der Schaden, welchen die letzten Ueberschwemmungen in den beiden Legationen angerichtet, noch weit bedeutender als man anfänglich geglaubt hatte. Um bloß die Straßen, Unterbaue und Brücken wieder herzustellen, ist der Anschlag auf 500,000 Scudi festgesetzt, ohne den viel größeren Verlust des Privatvermögens. Der Ort Bondeno ist fast ganz zu Grunde gerichtet. In Ravenna müssen alle Straßen und Brücken wieder hergestellt werden, was eine Ausgabe von 200,000 Scudi erfordert. Man ist der Meinung, die Regierung werde, um die Noth der Landleute einigermaßen zu mildern, die Grundsteuer auf ein Jahr erlassen. &#x2013; Gestern Abend wurden hier die Theater eröffnet, womit die Saison des Carnevals beginnt. Auf vier großen Theatern (ohne mehrerer kleiner zu gedenken) werden Oper, Ballet und Schauspiel gegeben. Die Regierung hat auch dieses Jahr eine namhafte Summe dazu bewilligt.</p><lb/>
          <p>Die Zeitung von <hi rendition="#b">Venedig</hi> vom 17 Dec. meldet, daß in der Nacht vom 5 auf den 6 Dec. eine der höchsten Fluthen, die seit Menschengedenken stattgefunden, von einem Sturmwinde getrieben, jene Stadt, die Inseln von Estuario und Chiozza unter sehr großen Beschädigungen überschwemmte, und dadurch einen auf mehrere Jahre hinaus fühlbaren Nachtheil verursachte. Auf den an Mestre anstoßenden Ebenen gesellte sich noch ein heftiges Regenwetter hinzu, so daß bei der gleichzeitig eingetretenen großen Fluth alle sonst kleinen Flüsse die Niederungen in Sümpfe und Lagunen verwandelten. Am heftigsten ward aber von den Elementen die Insel Ariano durch die Fluth, durch den Dammbruch des Po bei Goro, und durch eine Windhose, welche Bäume entwurzelte und Häuser niederriß, mitgenommen.</p><lb/>
        </div>
      </div>
      <div n="1">
        <head> <hi rendition="#b">Deutschland.</hi> </head><lb/>
        <div type="jArticle" n="2">
          <byline>
            <docAuthor>
              <gap reason="insignificant"/>
            </docAuthor>
          </byline>
          <dateline><hi rendition="#b">München,</hi> 5 Jan.</dateline>
          <p> Gestern und vorgestern hat die Kammer der Abgeordneten sich mit der Constituirung der Ausschüsse beschäftigt. (S. die gestrige Allg. Zeitung.) Der zweite Ausschuß für die Steuern wurde erst nach fünf Scrutinien gebildet. (Die sechs ersten Mitglieder haben wir gestern angegeben, die zwei noch übrigen sind v. Höchstätten und Graf Butler-Hainhausen.) Die Nachricht, daß die Entscheidung über die zweite Präsidentenstelle der Kammer der Reichsräthe bereits erfolgt sey, war etwas voreilig. <hi rendition="#sup">*)</hi><note place="foot" n="*)">Sie muß sehr verbreitet gewesen seyn, wenigstens finden wir sie, so wie wir sie gegeben, auch in mehreren andern bayerischen Blättern, z. B. im neuesten Nürnberger Correspondenten.</note> Inzwischen ist die allerhöchste Ernennung des lebenslänglichen Reichsraths Grafen <hi rendition="#g">Arko</hi>-<hi rendition="#g">Köllenbach</hi>, früheren Präsidenten des Oberappellationsgerichts, zum zweiten Präsidenten dieser Kammer eingetroffen.</p>
        </div><lb/>
        <div type="jArticle" n="2">
          <byline>
            <docAuthor>
              <gap reason="insignificant"/>
            </docAuthor>
          </byline>
          <dateline><hi rendition="#b">München,</hi> 5 Jan.</dateline>
          <p> In dem Verzeichnisse der am Neujahrstage mit Orden begnadigten Personen ist aus Versehen der Name des Majors im Artillerieregimente Prinz Luitpold, Vincenz Achner, weggeblieben, der gleichfalls aus den Händen Sr.<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0052/0004] der Mitglieder der Kammern der Generalstaaten; die zweite Kammer soll aus 58 Mitgliedern bestehen, davon drei aus dem Herzogthum Limburg; die erste Kammer soll nicht weniger als 20, und nicht mehr als 30 Mitglieder zählen, sie müssen das 40ste Lebensjahr erreicht haben, und der König ernennt sie auf Lebenszeit; der Gesetzesentwurf V hebt den Art. 98 des Grundgesetzes auf, welcher bestimmt, daß die Sitzungen der Generalstaaten abwechselnd in dem nördlichen und südlichen Theil des Landes abgehalten werden sollen. – Diese Veränderungen entsprechen durchaus nicht der Erwartung der Kammer. Der König erklärt selbst in seinem Begleitschreiben, daß es nur Veränderungen seyen, welche durch den mit Belgien abgeschlossenen Definitivtractat nothwendig geworden. Se. Maj. findet es den allgemeinen Interessen Niederlands nicht angemessen, jetzt noch weitere Veränderungen eintreten zu lassen, erklärt sich aber bereit, das in nähere Prüfung zu nehmen, was das Glück der Nation befördern könne. Die obigen Gesetzesentwürfe sind den Sectionen überwiesen worden. Die Kammer hat sich auf vierzehn Tage vertagt. Es wurde zwar eine unbestimmte Vertagung beantragt, dieselbe aber verworfen. In der heutigen Sitzung waren nur 37 Mitglieder anwesend, da schon viele abgereist sind. – Der Staatsminister Hr. van Gemep ist vom Könige zum Großkreuz des niederländischen Löwenordens ernannt worden. Die uns zugekommenen holländischen Blätter enthalten noch kein Urtheil über diese Vorschläge, doch ist ersichtlich, daß sie solche nur als den Anfang einer größern Veränderung des Grundgesetzes betrachten, denn das Amsterdamer Handelsblad bemerkt mit ziemlicher Bitterkeit, diese Vorschläge hätten schon recht wohl im October eingereicht worden seyn können, denn sie hätten gewiß nicht so viel Mühe und Zeit erfordert, daß man damit hätte zögern müssen, bis ein starkes Drittheil der Kammer sich schon entfernt gehabt habe. Der Beschluß der Kammer, die Berathung gleich in vierzehn Tagen vorzunehmen, findet bei dem aufgeregten Sinn ziemlich ungetheilten Beifall, um so mehr, als man schon gegen die Generalstaaten mit scharfem Tadel aufgetreten war, daß sie die letzte Vorlage, nämlich die Verlängerung des vorjährigen Budgets auf sechs Monate angenommen hätten. Der Arnhem'sche Courant, freilich ein entschiedenes Oppositionsblatt, fängt seinen einleitenden Artikel in der ersten Nummer von diesem Jahre mit dem Motto an: „Fata volentem ducunt, nolentem trahunt“ und bemerkt: „Es ist ein wichtiges Jahr, in welches Niederland eintritt. Die Dekade auswärtigen Zwistes ist geschlossen; sie kam uns theuer zu stehen. Werden die inländischen Zeitfragen auch einen so langen Zeitraum bedürfen? Wir wollen es nicht hoffen, aber leider fürchten wir es.“ Er macht sodann darauf aufmerksam, daß eine moralische Revolution in den Niederlanden vorgegangen sey, die endlich denn auch in den Generalstaaten sich geäußert habe. Auch diese werden keineswegs geschont, und sogar die Frage aufgeworfen, ob die Nation nach der Haltung, welche die Generalstaaten angenommen, ihre Zukunft noch mit Vertrauen denselben anvertrauen könne. Wenn auch solche Fragen einem weit getriebenen Parteigeiste zugeschrieben werden müssen, so ergibt sich daraus doch so viel, daß man die formellen Aenderungen, wie sie die Vorschläge der Regierung enthalten, nur als den Anfangspunkt betrachtet, der zu „ganz andern Ideen leiten müsse.“ Italien. _ Rom, 27 Dec Die Feierlichkeiten des Weihnachtsfestes wurden mit allen hergebrachten Ceremonien begangen. Der heilige Vater assistirte den Functionen in eigener Person, wobei er so rüstig als je erschien. An Fremden fehlt es auch dießmal nicht, wenn sie auch nicht so zahlreich sind, wie im vorigen Jahr. – Von französischen Legitimisten, welche dem Herzog von Bordeaux ihre Aufwartung machen wollen, befinden sich dermalen hier: der Pair von Frankreich Graf de la Ferronnays (im Ministerium Portalis Minister der auswärtigen Angelegenheiten und im J. 1830 französischer Botschafter beim heil. Stuhl), ferner die Grafen Pastoret und Marcellus. Auch ist Hr. v. Genoude hier eingetroffen. Er soll, wie die französischen legitimistischen Blätter verkündigten, in Angelegenheit der französischen Geistlichkeit die Reise unternommen haben. Man sagt aber, daß es ihm bis jetzt nicht gelungen sey, hier ein williges Ohr für seine Vorschläge zu finden. – Nach Berichten aus Bologna und Ferrara ist der Schaden, welchen die letzten Ueberschwemmungen in den beiden Legationen angerichtet, noch weit bedeutender als man anfänglich geglaubt hatte. Um bloß die Straßen, Unterbaue und Brücken wieder herzustellen, ist der Anschlag auf 500,000 Scudi festgesetzt, ohne den viel größeren Verlust des Privatvermögens. Der Ort Bondeno ist fast ganz zu Grunde gerichtet. In Ravenna müssen alle Straßen und Brücken wieder hergestellt werden, was eine Ausgabe von 200,000 Scudi erfordert. Man ist der Meinung, die Regierung werde, um die Noth der Landleute einigermaßen zu mildern, die Grundsteuer auf ein Jahr erlassen. – Gestern Abend wurden hier die Theater eröffnet, womit die Saison des Carnevals beginnt. Auf vier großen Theatern (ohne mehrerer kleiner zu gedenken) werden Oper, Ballet und Schauspiel gegeben. Die Regierung hat auch dieses Jahr eine namhafte Summe dazu bewilligt. Die Zeitung von Venedig vom 17 Dec. meldet, daß in der Nacht vom 5 auf den 6 Dec. eine der höchsten Fluthen, die seit Menschengedenken stattgefunden, von einem Sturmwinde getrieben, jene Stadt, die Inseln von Estuario und Chiozza unter sehr großen Beschädigungen überschwemmte, und dadurch einen auf mehrere Jahre hinaus fühlbaren Nachtheil verursachte. Auf den an Mestre anstoßenden Ebenen gesellte sich noch ein heftiges Regenwetter hinzu, so daß bei der gleichzeitig eingetretenen großen Fluth alle sonst kleinen Flüsse die Niederungen in Sümpfe und Lagunen verwandelten. Am heftigsten ward aber von den Elementen die Insel Ariano durch die Fluth, durch den Dammbruch des Po bei Goro, und durch eine Windhose, welche Bäume entwurzelte und Häuser niederriß, mitgenommen. Deutschland. _ München, 5 Jan. Gestern und vorgestern hat die Kammer der Abgeordneten sich mit der Constituirung der Ausschüsse beschäftigt. (S. die gestrige Allg. Zeitung.) Der zweite Ausschuß für die Steuern wurde erst nach fünf Scrutinien gebildet. (Die sechs ersten Mitglieder haben wir gestern angegeben, die zwei noch übrigen sind v. Höchstätten und Graf Butler-Hainhausen.) Die Nachricht, daß die Entscheidung über die zweite Präsidentenstelle der Kammer der Reichsräthe bereits erfolgt sey, war etwas voreilig. *) *) Inzwischen ist die allerhöchste Ernennung des lebenslänglichen Reichsraths Grafen Arko-Köllenbach, früheren Präsidenten des Oberappellationsgerichts, zum zweiten Präsidenten dieser Kammer eingetroffen. _ München, 5 Jan. In dem Verzeichnisse der am Neujahrstage mit Orden begnadigten Personen ist aus Versehen der Name des Majors im Artillerieregimente Prinz Luitpold, Vincenz Achner, weggeblieben, der gleichfalls aus den Händen Sr. *) Sie muß sehr verbreitet gewesen seyn, wenigstens finden wir sie, so wie wir sie gegeben, auch in mehreren andern bayerischen Blättern, z. B. im neuesten Nürnberger Correspondenten.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Deutsches Textarchiv: Bereitstellung der Texttranskription. (2016-06-28T11:37:15Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Matthias Boenig: Bearbeitung der digitalen Edition. (2016-06-28T11:37:15Z)

Weitere Informationen:

Bogensignaturen: gekennzeichnet; Druckfehler: keine Angabe; fremdsprachliches Material: gekennzeichnet; Geminations-/Abkürzungsstriche: keine Angabe; Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): wie Vorlage; i/j in Fraktur: Lautwert transkribiert; I/J in Fraktur: Lautwert transkribiert; Kolumnentitel: gekennzeichnet; Kustoden: gekennzeichnet; langes s (ſ): als s transkribiert; Normalisierungen: keine Angabe; rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert; Seitenumbrüche markiert: ja; Silbentrennung: aufgelöst; u/v bzw. U/V: Lautwert transkribiert; Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert; Vollständigkeit: teilweise erfasst; Zeichensetzung: wie Vorlage; Zeilenumbrüche markiert: nein;




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/augsburgerallgemeine_007_18400107
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/augsburgerallgemeine_007_18400107/4
Zitationshilfe: Allgemeine Zeitung. Nr. 7. Augsburg, 7. Januar 1840, S. 0052. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/augsburgerallgemeine_007_18400107/4>, abgerufen am 26.04.2024.