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Allgemeine Zeitung. Nr. 7. Augsburg, 7. Januar 1840.

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die Fäden und den Stoff ihres Gewandes, aber den Schnitt und den Faltenwurf desselben verstehen sie selten. In diese Classe gehören gar viele Künstler, die dieses Fach in Wien betreiben. Sie gehen bei ihren Leistungen meistens von der irrigen Tendenz aus, die vereinzelten Studien, die sie während ihrer sommerlichen Wanderungen gesammelt haben, entweder im Zustande der ersten Anfertigung, oder als lockeres Agglomerat zu Bildern zusammen zu setzen. Das Bindungsmittel, dessen sie sich dabei bedienen - ein conventioneller Mittelton - wird in kurzem zur Dominante, welche sie dann, selbst der Natur gegenüber, zur richtigen Auffassung der wahren Localfarbe unfähig macht. Hierzu kommt noch die große Einförmigkeit in der Wahl der Gegenstände, welche fast ohne Ausnahme, Jahr um Jahr, immer wieder aus den oberösterreichischen Gebirgsgegenden um Ischl und Hallstadt genommen werden. So erklärlich auch diese Vorliebe wird, und so viel Reize jene Gegenden bieten, so wird doch diese ausschließende Wiederholung derselben Gegenstände der erste breitgetretene Weg zur Manier.

Es ist mir unmöglich, eine ausführliche Charakteristik aller hiesigen Künstler mitzutheilen - eine Aufgabe, die den Raum, der mir in diesen Blättern gegönnt ist, weit übersteigen würde; aber eben so unmöglich ist es, einen Maaßstab zur Beurtheilung des Kunstzustandes bloß auf allgemeine Hinweisungen zu begründen, ich will mir daher wenigstens über einige der verdienstlichsten Künstler in diesem Fache einige flüchtige Bemerkungen erlauben, wie sie sich einer unbefangenen Beurtheilung eben darbieten.

Steinfeld (Vater), jetzt Professor an der Akademie der bildenden Künste, war unter den hiesigen Künstlern der erste, welcher durch das Malen seiner Bilder an Ort und Stelle, und durch das Verschmähen aller idealen Zuthat, denselben ein, bisher fast unbekanntes Gepräge der Wahrheit gab; statt der breiten, conventionellen Darstellungsweise, statt der verschwimmenden Formen und Töne, ließ er scharf gezeichnete, bestimmte Umrisse und kräftige Farben erscheinen, und ließ, je länger man sie beschaute, einen immer wachsenden Reichthum wohl verbundener Details wahrnehmen. Aber seine Färbung war meist düster, sie entbehrte des warmen Sonnenstrahles. Trotz dem Enthusiasmus, den Steinfeld hervorbrachte, fühlte er diese Gebrechen bald selbst, und diese Erkenntniß ist nicht ohne Frucht geblieben.

Thomas Ender, gleichfalls Professor der Landschaftsmalerei an der Akademie, hat mehr als irgend ein Maler unserer Zeit, die Natur in ihren vielgestaltigsten, verschiedenartigsten Formen und Eigenthümlichkeiten zu studiren Gelegenheit gehabt. Schon im J. 1817 ging er im Gefolge der Erzherzogin Leopoldine nach Brasilien. Nach längerem Aufenthalte unter den Wundern der Tropenwelt, kehrte er nach Europa zurück, durchwanderte Italien, durchforschte die österreichischen Alpenländer, vom Schneeberg bis zum Orteles, die Donauufer, von ihrem Ursprung bis zu den Sulinamündungen, die Krim, den Bosporus, das phantastische Stambul, und die erhabenen Denkmale des wiedererstandenen Hellas. Enders Productivität gränzt an das Unglaubliche. Es ist nicht möglich, die Charakteristik der dargestellten Gegenstände, selbst in den einfachsten Zeichnungen, mit größerer Präcision wieder zu geben. Insbesondere würden die Blätter, welche Ender im Auftrage seines hohen Beschützers des Erzherzogs Johann in systematischer Folge in den Hochalpen verfertigte, von höchstem Interesse für die Kunstfreunde seyn, und es wäre zu wünschen, daß die Schätze, welche die Mappen des erlauchten Prinzen verschließen, vor die Augen des Publicums gebracht werden könnten. Ungeachtet die meisten der Bilder Enders bestimmte Gegenstände darstellen, ist ihre Auffassung doch poetisch, und es ist nur Schade, daß die Schatten, besonders im Vordergrunde, häufig schwarz und undurchsichtig sind und Ender nicht ganz frei von Manier ist.

Einen Namen, welcher auch in der Ferne einen besonders guten Klang hat, nenne ich schon hier unter den Landschaftsmalern, Friedrich Gauermann. Auch als Thiermaler excellirt er. Indeß ist die Landschaft in seinen Bildern doch immer die Hauptsache, während die freilich sehr reichen Beiwerke nur als Staffage erscheinen. Gauermann ist ganz eigentlich ein Sohn der Natur. Schon frühzeitig errichtete er sein Atelier auf den Hochgebirgen, inmitten der Alpennatur, im Schatten ernster Fichten, umrauscht von wilden Berggewässern, in felsbegränzten Räumen und Schluchten, über denen der einsame Adler kreis't, wo am Sturzbache der Hirsch sich kühlt, oder Bär, Wolf und Eber hausen. - So entstanden schon vor mehr als 10 Jahren, als Gauermann noch Jüngling war, Werke, die den Kenner mit Hoffnung, den Laien mit Freude erfüllten. Den Gemälden der damaligen Zeit war, nächst dem kindlichen, unbefangenen Studium der Natur, auch die Verehrung anzusehen, welche der junge Künstler für Wouvermann gefaßt hatte. Von Bild zu Bild wuchs die Kraft des anspruchlosen Meisters, der sich seines Werthes selbst nicht bewußt schien. Jede Ausstellung brachte eine neue Ueberraschung, neuen Enthusiasmus hervor, der den Gipfel erreichte bei dem Gemälde des "Sturmes," das der kunstsinnige Sammler, Hr. Arthaber, noch für einen ziemlich mäßigen Preis erwarb. Nun aber kam das Heer einseitiger Exaltados und kenntnißloser Lobhudler, und das unverständige Lob verlockte selbst das sonst so schlichte, kindliche Gemüth Gauermanns. Er begnügte sich nicht mehr mit der Wirkung, die er der Natur abgelauscht hatte; er haschte nach Schlageffecten, bemalte große Leinwanden - und der Zauber war gelöst. Die Linearperspective bildete immer die schwächste Seite Gauermanns, und der Kenner nahm auf diesen größeren Bildern mit leichter Mühe wahr, wie viele Studien zu der eben vorliegenden Composition benützt worden, in der nicht selten 3-4 Horizontallinien gezählt werden konnten; wie das Ganze auf keinen soliden Grundplan gebaut war, und die Verkürzungen der, zur Staffage gehörenden Figuren nur nach dem eben nicht ganz richtigen Gefühle des Künstlers stattgefunden hatte, Mängel, die bei kleineren Bildern weniger hervorgetreten waren. Hiezu kommt noch, daß Gauermann die menschliche Figur nie gründlich zeichnen lernte und sich nur nach bekleideten Modellen, dem Landvolke entnommen, übte, wo der rohe Schnitt und grobe Stoff die Körperverhältnisse meist verdecken. In den letzten größeren Werken Gauermanns schlichen sich in dieser Beziehung Fehler ein, die bei einem so vortrefflichen Künstler schwer zu begreifen sind. Ja selbst an manchem Thier erschien das Knochengerüste und die Musculatur so mangelhaft, als ob Gauermann nie nach der Natur gezeichnet habe. Möchte doch dieser so überaus reich begabte junge Mann bald wieder zu der ungeschminkten anfänglichen Einfachheit und Naturauffassung übergehen. Ich sage bald. Denn er steht auf dem gefährlichsten Punkte. Er ist nicht mehr, der er war - noch ein Schritt weiter und dieses große Talent wird zum Manieristen.

Feid und Höger sind Talente, von denen sich Tüchtiges erwarten ließ. Höger ist ausgezeichnet im Aquarell. Schade, daß er bei überhäuften Aufträgen die Zeichnung so sehr verlässigt. Feid ist ein glücklicher Baummaler, und seine Baumpartien sind werthvoller als seine größeren Veduten.

Fischbach versteht nebst der Landschaft auch die Figur zu malen, ein ernstes Studium der Natur dient ihm zur Grundlage, und ein Gedanke webt in jedem seiner Bilder. - Der

die Fäden und den Stoff ihres Gewandes, aber den Schnitt und den Faltenwurf desselben verstehen sie selten. In diese Classe gehören gar viele Künstler, die dieses Fach in Wien betreiben. Sie gehen bei ihren Leistungen meistens von der irrigen Tendenz aus, die vereinzelten Studien, die sie während ihrer sommerlichen Wanderungen gesammelt haben, entweder im Zustande der ersten Anfertigung, oder als lockeres Agglomerat zu Bildern zusammen zu setzen. Das Bindungsmittel, dessen sie sich dabei bedienen – ein conventioneller Mittelton – wird in kurzem zur Dominante, welche sie dann, selbst der Natur gegenüber, zur richtigen Auffassung der wahren Localfarbe unfähig macht. Hierzu kommt noch die große Einförmigkeit in der Wahl der Gegenstände, welche fast ohne Ausnahme, Jahr um Jahr, immer wieder aus den oberösterreichischen Gebirgsgegenden um Ischl und Hallstadt genommen werden. So erklärlich auch diese Vorliebe wird, und so viel Reize jene Gegenden bieten, so wird doch diese ausschließende Wiederholung derselben Gegenstände der erste breitgetretene Weg zur Manier.

Es ist mir unmöglich, eine ausführliche Charakteristik aller hiesigen Künstler mitzutheilen – eine Aufgabe, die den Raum, der mir in diesen Blättern gegönnt ist, weit übersteigen würde; aber eben so unmöglich ist es, einen Maaßstab zur Beurtheilung des Kunstzustandes bloß auf allgemeine Hinweisungen zu begründen, ich will mir daher wenigstens über einige der verdienstlichsten Künstler in diesem Fache einige flüchtige Bemerkungen erlauben, wie sie sich einer unbefangenen Beurtheilung eben darbieten.

Steinfeld (Vater), jetzt Professor an der Akademie der bildenden Künste, war unter den hiesigen Künstlern der erste, welcher durch das Malen seiner Bilder an Ort und Stelle, und durch das Verschmähen aller idealen Zuthat, denselben ein, bisher fast unbekanntes Gepräge der Wahrheit gab; statt der breiten, conventionellen Darstellungsweise, statt der verschwimmenden Formen und Töne, ließ er scharf gezeichnete, bestimmte Umrisse und kräftige Farben erscheinen, und ließ, je länger man sie beschaute, einen immer wachsenden Reichthum wohl verbundener Details wahrnehmen. Aber seine Färbung war meist düster, sie entbehrte des warmen Sonnenstrahles. Trotz dem Enthusiasmus, den Steinfeld hervorbrachte, fühlte er diese Gebrechen bald selbst, und diese Erkenntniß ist nicht ohne Frucht geblieben.

Thomas Ender, gleichfalls Professor der Landschaftsmalerei an der Akademie, hat mehr als irgend ein Maler unserer Zeit, die Natur in ihren vielgestaltigsten, verschiedenartigsten Formen und Eigenthümlichkeiten zu studiren Gelegenheit gehabt. Schon im J. 1817 ging er im Gefolge der Erzherzogin Leopoldine nach Brasilien. Nach längerem Aufenthalte unter den Wundern der Tropenwelt, kehrte er nach Europa zurück, durchwanderte Italien, durchforschte die österreichischen Alpenländer, vom Schneeberg bis zum Orteles, die Donauufer, von ihrem Ursprung bis zu den Sulinamündungen, die Krim, den Bosporus, das phantastische Stambul, und die erhabenen Denkmale des wiedererstandenen Hellas. Enders Productivität gränzt an das Unglaubliche. Es ist nicht möglich, die Charakteristik der dargestellten Gegenstände, selbst in den einfachsten Zeichnungen, mit größerer Präcision wieder zu geben. Insbesondere würden die Blätter, welche Ender im Auftrage seines hohen Beschützers des Erzherzogs Johann in systematischer Folge in den Hochalpen verfertigte, von höchstem Interesse für die Kunstfreunde seyn, und es wäre zu wünschen, daß die Schätze, welche die Mappen des erlauchten Prinzen verschließen, vor die Augen des Publicums gebracht werden könnten. Ungeachtet die meisten der Bilder Enders bestimmte Gegenstände darstellen, ist ihre Auffassung doch poetisch, und es ist nur Schade, daß die Schatten, besonders im Vordergrunde, häufig schwarz und undurchsichtig sind und Ender nicht ganz frei von Manier ist.

Einen Namen, welcher auch in der Ferne einen besonders guten Klang hat, nenne ich schon hier unter den Landschaftsmalern, Friedrich Gauermann. Auch als Thiermaler excellirt er. Indeß ist die Landschaft in seinen Bildern doch immer die Hauptsache, während die freilich sehr reichen Beiwerke nur als Staffage erscheinen. Gauermann ist ganz eigentlich ein Sohn der Natur. Schon frühzeitig errichtete er sein Atelier auf den Hochgebirgen, inmitten der Alpennatur, im Schatten ernster Fichten, umrauscht von wilden Berggewässern, in felsbegränzten Räumen und Schluchten, über denen der einsame Adler kreis't, wo am Sturzbache der Hirsch sich kühlt, oder Bär, Wolf und Eber hausen. – So entstanden schon vor mehr als 10 Jahren, als Gauermann noch Jüngling war, Werke, die den Kenner mit Hoffnung, den Laien mit Freude erfüllten. Den Gemälden der damaligen Zeit war, nächst dem kindlichen, unbefangenen Studium der Natur, auch die Verehrung anzusehen, welche der junge Künstler für Wouvermann gefaßt hatte. Von Bild zu Bild wuchs die Kraft des anspruchlosen Meisters, der sich seines Werthes selbst nicht bewußt schien. Jede Ausstellung brachte eine neue Ueberraschung, neuen Enthusiasmus hervor, der den Gipfel erreichte bei dem Gemälde des „Sturmes,“ das der kunstsinnige Sammler, Hr. Arthaber, noch für einen ziemlich mäßigen Preis erwarb. Nun aber kam das Heer einseitiger Exaltados und kenntnißloser Lobhudler, und das unverständige Lob verlockte selbst das sonst so schlichte, kindliche Gemüth Gauermanns. Er begnügte sich nicht mehr mit der Wirkung, die er der Natur abgelauscht hatte; er haschte nach Schlageffecten, bemalte große Leinwanden – und der Zauber war gelöst. Die Linearperspective bildete immer die schwächste Seite Gauermanns, und der Kenner nahm auf diesen größeren Bildern mit leichter Mühe wahr, wie viele Studien zu der eben vorliegenden Composition benützt worden, in der nicht selten 3-4 Horizontallinien gezählt werden konnten; wie das Ganze auf keinen soliden Grundplan gebaut war, und die Verkürzungen der, zur Staffage gehörenden Figuren nur nach dem eben nicht ganz richtigen Gefühle des Künstlers stattgefunden hatte, Mängel, die bei kleineren Bildern weniger hervorgetreten waren. Hiezu kommt noch, daß Gauermann die menschliche Figur nie gründlich zeichnen lernte und sich nur nach bekleideten Modellen, dem Landvolke entnommen, übte, wo der rohe Schnitt und grobe Stoff die Körperverhältnisse meist verdecken. In den letzten größeren Werken Gauermanns schlichen sich in dieser Beziehung Fehler ein, die bei einem so vortrefflichen Künstler schwer zu begreifen sind. Ja selbst an manchem Thier erschien das Knochengerüste und die Musculatur so mangelhaft, als ob Gauermann nie nach der Natur gezeichnet habe. Möchte doch dieser so überaus reich begabte junge Mann bald wieder zu der ungeschminkten anfänglichen Einfachheit und Naturauffassung übergehen. Ich sage bald. Denn er steht auf dem gefährlichsten Punkte. Er ist nicht mehr, der er war – noch ein Schritt weiter und dieses große Talent wird zum Manieristen.

Feid und Höger sind Talente, von denen sich Tüchtiges erwarten ließ. Höger ist ausgezeichnet im Aquarell. Schade, daß er bei überhäuften Aufträgen die Zeichnung so sehr verlässigt. Feid ist ein glücklicher Baummaler, und seine Baumpartien sind werthvoller als seine größeren Veduten.

Fischbach versteht nebst der Landschaft auch die Figur zu malen, ein ernstes Studium der Natur dient ihm zur Grundlage, und ein Gedanke webt in jedem seiner Bilder. – Der

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[0052/0012] die Fäden und den Stoff ihres Gewandes, aber den Schnitt und den Faltenwurf desselben verstehen sie selten. In diese Classe gehören gar viele Künstler, die dieses Fach in Wien betreiben. Sie gehen bei ihren Leistungen meistens von der irrigen Tendenz aus, die vereinzelten Studien, die sie während ihrer sommerlichen Wanderungen gesammelt haben, entweder im Zustande der ersten Anfertigung, oder als lockeres Agglomerat zu Bildern zusammen zu setzen. Das Bindungsmittel, dessen sie sich dabei bedienen – ein conventioneller Mittelton – wird in kurzem zur Dominante, welche sie dann, selbst der Natur gegenüber, zur richtigen Auffassung der wahren Localfarbe unfähig macht. Hierzu kommt noch die große Einförmigkeit in der Wahl der Gegenstände, welche fast ohne Ausnahme, Jahr um Jahr, immer wieder aus den oberösterreichischen Gebirgsgegenden um Ischl und Hallstadt genommen werden. So erklärlich auch diese Vorliebe wird, und so viel Reize jene Gegenden bieten, so wird doch diese ausschließende Wiederholung derselben Gegenstände der erste breitgetretene Weg zur Manier. Es ist mir unmöglich, eine ausführliche Charakteristik aller hiesigen Künstler mitzutheilen – eine Aufgabe, die den Raum, der mir in diesen Blättern gegönnt ist, weit übersteigen würde; aber eben so unmöglich ist es, einen Maaßstab zur Beurtheilung des Kunstzustandes bloß auf allgemeine Hinweisungen zu begründen, ich will mir daher wenigstens über einige der verdienstlichsten Künstler in diesem Fache einige flüchtige Bemerkungen erlauben, wie sie sich einer unbefangenen Beurtheilung eben darbieten. Steinfeld (Vater), jetzt Professor an der Akademie der bildenden Künste, war unter den hiesigen Künstlern der erste, welcher durch das Malen seiner Bilder an Ort und Stelle, und durch das Verschmähen aller idealen Zuthat, denselben ein, bisher fast unbekanntes Gepräge der Wahrheit gab; statt der breiten, conventionellen Darstellungsweise, statt der verschwimmenden Formen und Töne, ließ er scharf gezeichnete, bestimmte Umrisse und kräftige Farben erscheinen, und ließ, je länger man sie beschaute, einen immer wachsenden Reichthum wohl verbundener Details wahrnehmen. Aber seine Färbung war meist düster, sie entbehrte des warmen Sonnenstrahles. Trotz dem Enthusiasmus, den Steinfeld hervorbrachte, fühlte er diese Gebrechen bald selbst, und diese Erkenntniß ist nicht ohne Frucht geblieben. Thomas Ender, gleichfalls Professor der Landschaftsmalerei an der Akademie, hat mehr als irgend ein Maler unserer Zeit, die Natur in ihren vielgestaltigsten, verschiedenartigsten Formen und Eigenthümlichkeiten zu studiren Gelegenheit gehabt. Schon im J. 1817 ging er im Gefolge der Erzherzogin Leopoldine nach Brasilien. Nach längerem Aufenthalte unter den Wundern der Tropenwelt, kehrte er nach Europa zurück, durchwanderte Italien, durchforschte die österreichischen Alpenländer, vom Schneeberg bis zum Orteles, die Donauufer, von ihrem Ursprung bis zu den Sulinamündungen, die Krim, den Bosporus, das phantastische Stambul, und die erhabenen Denkmale des wiedererstandenen Hellas. Enders Productivität gränzt an das Unglaubliche. Es ist nicht möglich, die Charakteristik der dargestellten Gegenstände, selbst in den einfachsten Zeichnungen, mit größerer Präcision wieder zu geben. Insbesondere würden die Blätter, welche Ender im Auftrage seines hohen Beschützers des Erzherzogs Johann in systematischer Folge in den Hochalpen verfertigte, von höchstem Interesse für die Kunstfreunde seyn, und es wäre zu wünschen, daß die Schätze, welche die Mappen des erlauchten Prinzen verschließen, vor die Augen des Publicums gebracht werden könnten. Ungeachtet die meisten der Bilder Enders bestimmte Gegenstände darstellen, ist ihre Auffassung doch poetisch, und es ist nur Schade, daß die Schatten, besonders im Vordergrunde, häufig schwarz und undurchsichtig sind und Ender nicht ganz frei von Manier ist. Einen Namen, welcher auch in der Ferne einen besonders guten Klang hat, nenne ich schon hier unter den Landschaftsmalern, Friedrich Gauermann. Auch als Thiermaler excellirt er. Indeß ist die Landschaft in seinen Bildern doch immer die Hauptsache, während die freilich sehr reichen Beiwerke nur als Staffage erscheinen. Gauermann ist ganz eigentlich ein Sohn der Natur. Schon frühzeitig errichtete er sein Atelier auf den Hochgebirgen, inmitten der Alpennatur, im Schatten ernster Fichten, umrauscht von wilden Berggewässern, in felsbegränzten Räumen und Schluchten, über denen der einsame Adler kreis't, wo am Sturzbache der Hirsch sich kühlt, oder Bär, Wolf und Eber hausen. – So entstanden schon vor mehr als 10 Jahren, als Gauermann noch Jüngling war, Werke, die den Kenner mit Hoffnung, den Laien mit Freude erfüllten. Den Gemälden der damaligen Zeit war, nächst dem kindlichen, unbefangenen Studium der Natur, auch die Verehrung anzusehen, welche der junge Künstler für Wouvermann gefaßt hatte. Von Bild zu Bild wuchs die Kraft des anspruchlosen Meisters, der sich seines Werthes selbst nicht bewußt schien. Jede Ausstellung brachte eine neue Ueberraschung, neuen Enthusiasmus hervor, der den Gipfel erreichte bei dem Gemälde des „Sturmes,“ das der kunstsinnige Sammler, Hr. Arthaber, noch für einen ziemlich mäßigen Preis erwarb. Nun aber kam das Heer einseitiger Exaltados und kenntnißloser Lobhudler, und das unverständige Lob verlockte selbst das sonst so schlichte, kindliche Gemüth Gauermanns. Er begnügte sich nicht mehr mit der Wirkung, die er der Natur abgelauscht hatte; er haschte nach Schlageffecten, bemalte große Leinwanden – und der Zauber war gelöst. Die Linearperspective bildete immer die schwächste Seite Gauermanns, und der Kenner nahm auf diesen größeren Bildern mit leichter Mühe wahr, wie viele Studien zu der eben vorliegenden Composition benützt worden, in der nicht selten 3-4 Horizontallinien gezählt werden konnten; wie das Ganze auf keinen soliden Grundplan gebaut war, und die Verkürzungen der, zur Staffage gehörenden Figuren nur nach dem eben nicht ganz richtigen Gefühle des Künstlers stattgefunden hatte, Mängel, die bei kleineren Bildern weniger hervorgetreten waren. Hiezu kommt noch, daß Gauermann die menschliche Figur nie gründlich zeichnen lernte und sich nur nach bekleideten Modellen, dem Landvolke entnommen, übte, wo der rohe Schnitt und grobe Stoff die Körperverhältnisse meist verdecken. In den letzten größeren Werken Gauermanns schlichen sich in dieser Beziehung Fehler ein, die bei einem so vortrefflichen Künstler schwer zu begreifen sind. Ja selbst an manchem Thier erschien das Knochengerüste und die Musculatur so mangelhaft, als ob Gauermann nie nach der Natur gezeichnet habe. Möchte doch dieser so überaus reich begabte junge Mann bald wieder zu der ungeschminkten anfänglichen Einfachheit und Naturauffassung übergehen. Ich sage bald. Denn er steht auf dem gefährlichsten Punkte. Er ist nicht mehr, der er war – noch ein Schritt weiter und dieses große Talent wird zum Manieristen. Feid und Höger sind Talente, von denen sich Tüchtiges erwarten ließ. Höger ist ausgezeichnet im Aquarell. Schade, daß er bei überhäuften Aufträgen die Zeichnung so sehr verlässigt. Feid ist ein glücklicher Baummaler, und seine Baumpartien sind werthvoller als seine größeren Veduten. Fischbach versteht nebst der Landschaft auch die Figur zu malen, ein ernstes Studium der Natur dient ihm zur Grundlage, und ein Gedanke webt in jedem seiner Bilder. – Der

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Zitationshilfe: Allgemeine Zeitung. Nr. 7. Augsburg, 7. Januar 1840, S. 0052. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/augsburgerallgemeine_007_18400107/12>, abgerufen am 27.04.2024.