Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Auerbach, Berthold: Die Geschichte des Diethelm von Buchenberg. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 7. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 45–268. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.

Bild:
<< vorherige Seite

des jungen Kübler heran, aber mitten im Schmausen und Lärmen faßte Diethelm einen andern Gedanken, er überrumpelte Fränz mit ihrem unkindlichen Verlangen nach Güterabtretung, und Munde war ihm nicht nur eine Sühne für das Vergangene, sondern auch der bequemste willfährige Tochtermann, der ihn frei schalten ließ. Er verkündete daher plötzlich die Verlobung von Fränz und Munde, und Alles war voll Jubel und Lobpreis über Diethelm. Darum half er heute trotz ärztlichen Verbotes den Uhlbacher ferndigen rein austrinken.

Als man davon sprach, daß Munde noch drei Jahre Soldat sein müsse, beklagte Diethelm, daß er nicht Landtagsabgeordneter geworden sei, er hätte nicht geruht, bis die verdammte allgemeine Wehrpflicht wieder aufgehoben und das Einsteherwesen hergestellt sei. Wer nichts habe, solle Soldat sein. Die fetten Bauern stimmten mit ein, schimpften und klagten, wie sehr sie ihre Söhne vermißten, und mitten unter Schmausen und Zechen wurde eine Eingabe an die versammelten Stände um Wiederherstellung des Einsteherwesens aufgesetzt und unterzeichnet.

Dreiundzwanzigstes Kapitel.

Diethelm hatte auf den Abend die Stadtzinkenisten zur Tanzmusik bestellt. Diese Menschen mit ihren Trompeten und Posaunen hatten ihn so oft erschüttert, und nun sah er, daß es keine Engel vom Himmel, sondern nur arme Schlucker mit langgestrecktem und gewundenem Messingblech waren. Wußte er das auch schon vordem, so that es ihm doch wohl, es so deutlich vor sich zu haben und die Zinkenisten nach seinem Gelust aufspielen zu lassen was er ihnen angab und manchmal sogar vorpfiff. Mitten zwischen den Tänzen mußten

des jungen Kübler heran, aber mitten im Schmausen und Lärmen faßte Diethelm einen andern Gedanken, er überrumpelte Fränz mit ihrem unkindlichen Verlangen nach Güterabtretung, und Munde war ihm nicht nur eine Sühne für das Vergangene, sondern auch der bequemste willfährige Tochtermann, der ihn frei schalten ließ. Er verkündete daher plötzlich die Verlobung von Fränz und Munde, und Alles war voll Jubel und Lobpreis über Diethelm. Darum half er heute trotz ärztlichen Verbotes den Uhlbacher ferndigen rein austrinken.

Als man davon sprach, daß Munde noch drei Jahre Soldat sein müsse, beklagte Diethelm, daß er nicht Landtagsabgeordneter geworden sei, er hätte nicht geruht, bis die verdammte allgemeine Wehrpflicht wieder aufgehoben und das Einsteherwesen hergestellt sei. Wer nichts habe, solle Soldat sein. Die fetten Bauern stimmten mit ein, schimpften und klagten, wie sehr sie ihre Söhne vermißten, und mitten unter Schmausen und Zechen wurde eine Eingabe an die versammelten Stände um Wiederherstellung des Einsteherwesens aufgesetzt und unterzeichnet.

Dreiundzwanzigstes Kapitel.

Diethelm hatte auf den Abend die Stadtzinkenisten zur Tanzmusik bestellt. Diese Menschen mit ihren Trompeten und Posaunen hatten ihn so oft erschüttert, und nun sah er, daß es keine Engel vom Himmel, sondern nur arme Schlucker mit langgestrecktem und gewundenem Messingblech waren. Wußte er das auch schon vordem, so that es ihm doch wohl, es so deutlich vor sich zu haben und die Zinkenisten nach seinem Gelust aufspielen zu lassen was er ihnen angab und manchmal sogar vorpfiff. Mitten zwischen den Tänzen mußten

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div type="chapter" n="22">
        <p><pb facs="#f0164"/>
des jungen Kübler heran, aber                mitten im Schmausen und Lärmen faßte Diethelm einen andern Gedanken, er überrumpelte                Fränz mit ihrem unkindlichen Verlangen nach Güterabtretung, und Munde war ihm nicht                nur eine Sühne für das Vergangene, sondern auch der bequemste willfährige                Tochtermann, der ihn frei schalten ließ. Er verkündete daher plötzlich die Verlobung                von Fränz und Munde, und Alles war voll Jubel und Lobpreis über Diethelm. Darum half                er heute trotz ärztlichen Verbotes den Uhlbacher ferndigen rein austrinken.</p><lb/>
        <p>Als man davon sprach, daß Munde noch drei Jahre Soldat sein müsse, beklagte Diethelm,                daß er nicht Landtagsabgeordneter geworden sei, er hätte nicht geruht, bis die                verdammte allgemeine Wehrpflicht wieder aufgehoben und das Einsteherwesen hergestellt                sei. Wer nichts habe, solle Soldat sein. Die fetten Bauern stimmten mit ein,                schimpften und klagten, wie sehr sie ihre Söhne vermißten, und mitten unter Schmausen                und Zechen wurde eine Eingabe an die versammelten Stände um Wiederherstellung des                Einsteherwesens aufgesetzt und unterzeichnet.</p><lb/>
      </div>
      <div type="chapter" n="23">
        <head>Dreiundzwanzigstes Kapitel.</head><lb/>
        <p>Diethelm hatte auf den Abend die Stadtzinkenisten zur Tanzmusik bestellt. Diese                Menschen mit ihren Trompeten und Posaunen hatten ihn so oft erschüttert, und nun sah                er, daß es keine Engel vom Himmel, sondern nur arme Schlucker mit langgestrecktem und                gewundenem Messingblech waren. Wußte er das auch schon vordem, so that es ihm doch                wohl, es so deutlich vor sich zu haben und die Zinkenisten nach seinem Gelust                aufspielen zu lassen was er ihnen angab und manchmal sogar vorpfiff. Mitten zwischen                den Tänzen mußten<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0164] des jungen Kübler heran, aber mitten im Schmausen und Lärmen faßte Diethelm einen andern Gedanken, er überrumpelte Fränz mit ihrem unkindlichen Verlangen nach Güterabtretung, und Munde war ihm nicht nur eine Sühne für das Vergangene, sondern auch der bequemste willfährige Tochtermann, der ihn frei schalten ließ. Er verkündete daher plötzlich die Verlobung von Fränz und Munde, und Alles war voll Jubel und Lobpreis über Diethelm. Darum half er heute trotz ärztlichen Verbotes den Uhlbacher ferndigen rein austrinken. Als man davon sprach, daß Munde noch drei Jahre Soldat sein müsse, beklagte Diethelm, daß er nicht Landtagsabgeordneter geworden sei, er hätte nicht geruht, bis die verdammte allgemeine Wehrpflicht wieder aufgehoben und das Einsteherwesen hergestellt sei. Wer nichts habe, solle Soldat sein. Die fetten Bauern stimmten mit ein, schimpften und klagten, wie sehr sie ihre Söhne vermißten, und mitten unter Schmausen und Zechen wurde eine Eingabe an die versammelten Stände um Wiederherstellung des Einsteherwesens aufgesetzt und unterzeichnet. Dreiundzwanzigstes Kapitel. Diethelm hatte auf den Abend die Stadtzinkenisten zur Tanzmusik bestellt. Diese Menschen mit ihren Trompeten und Posaunen hatten ihn so oft erschüttert, und nun sah er, daß es keine Engel vom Himmel, sondern nur arme Schlucker mit langgestrecktem und gewundenem Messingblech waren. Wußte er das auch schon vordem, so that es ihm doch wohl, es so deutlich vor sich zu haben und die Zinkenisten nach seinem Gelust aufspielen zu lassen was er ihnen angab und manchmal sogar vorpfiff. Mitten zwischen den Tänzen mußten

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Thomas Weitin: Herausgeber
Digital Humanities Cooperation Konstanz/Darmstadt: Bereitstellung der Texttranskription. (2017-03-14T13:04:01Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Jan Merkt, Thomas Gilli, Jasmin Bieber, Katharina Herget, Anni Peter, Christian Thomas, Benjamin Fiechter: Bearbeitung der digitalen Edition. (2017-03-14T13:04:01Z)

Weitere Informationen:

Bogensignaturen: nicht gekennzeichnet; Druckfehler: dokumentiert; fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet; Geminations-/Abkürzungsstriche: keine Angabe; Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet; i/j in Fraktur: keine Angabe; I/J in Fraktur: Lautwert transkribiert; Kolumnentitel: nicht gekennzeichnet; Kustoden: nicht gekennzeichnet; langes s (ſ): als s transkribiert; Normalisierungen: keine; rundes r (&#xa75b;): keine Angabe; Seitenumbrüche markiert: ja; Silbentrennung: aufgelöst; u/v bzw. U/V: keine Angabe; Vokale mit übergest. e: keine Angabe; Vollständigkeit: vollständig erfasst; Zeichensetzung: wie Vorlage; Zeilenumbrüche markiert: nein;




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/auerbach_diethelm_1910
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/auerbach_diethelm_1910/164
Zitationshilfe: Auerbach, Berthold: Die Geschichte des Diethelm von Buchenberg. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 7. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 45–268. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/auerbach_diethelm_1910/164>, abgerufen am 15.11.2024.