Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Auerbach, Berthold: Die Geschichte des Diethelm von Buchenberg. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 7. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 45–268. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.

Bild:
<< vorherige Seite

Den heutigen Tag, Mutter, den werde ich nie vergessen. Was ich da Alles gedenkt und erfahren hab'! O Mutter! und die Menschen sind so gut, wenn sie einen im Unglück sehen; Alle, wo mit gefahren sind, und in allen Wirthshäusern sind sie mir beigestanden und haben mich getröstet und hätten mir gern in Allem geholfen. Kommet, legt Euch ein bisle aufs Bett, ich will Euch erzählen.

Fränz trug in starken Armen die Mutter auf das Bette, dann setzte sie sich daneben, und ihre Hand haltend, begann sie zu erzählen; aber bald merkte sie, daß die Mutter schlief. Sie hielt noch lange still die Hand der Schlafenden und wagte es nicht, sich zu bewegen, endlich legte sie die Hand auf das Kissen, und leise auf den Zehen schleichend, hatte sie sich der Thüre genähert, als die Mutter rief:

Kind, wohin willst?

Zum Vater.

Da muß ich auch mit, ich bin ganz wohlauf.

Es half kein Abwehren, und nachdem Fränz die Mutter wohl eingemummt, verließ sie mit ihr die Post.

Achtzehntes Kapitel.

Die Wintertage waren so kurz, und der junge Amtsverweser, der bald seinen Fehler erkannte, daß er die erste Anklage gegen Diethelm in dessen Beisein vernommen, wollte ihm nicht Zeit lassen, sich ein Gewebe von Aussagen zu knüpfen. Er nahm den Gefangenen daher noch am Abend ins Verhör, und Diethelm war es allerdings schauerlich, als er durch matterleuchtete schallende Gänge nach der Verhörstube geführt wurde. Hier war es noch leer. Diethelm

Den heutigen Tag, Mutter, den werde ich nie vergessen. Was ich da Alles gedenkt und erfahren hab'! O Mutter! und die Menschen sind so gut, wenn sie einen im Unglück sehen; Alle, wo mit gefahren sind, und in allen Wirthshäusern sind sie mir beigestanden und haben mich getröstet und hätten mir gern in Allem geholfen. Kommet, legt Euch ein bisle aufs Bett, ich will Euch erzählen.

Fränz trug in starken Armen die Mutter auf das Bette, dann setzte sie sich daneben, und ihre Hand haltend, begann sie zu erzählen; aber bald merkte sie, daß die Mutter schlief. Sie hielt noch lange still die Hand der Schlafenden und wagte es nicht, sich zu bewegen, endlich legte sie die Hand auf das Kissen, und leise auf den Zehen schleichend, hatte sie sich der Thüre genähert, als die Mutter rief:

Kind, wohin willst?

Zum Vater.

Da muß ich auch mit, ich bin ganz wohlauf.

Es half kein Abwehren, und nachdem Fränz die Mutter wohl eingemummt, verließ sie mit ihr die Post.

Achtzehntes Kapitel.

Die Wintertage waren so kurz, und der junge Amtsverweser, der bald seinen Fehler erkannte, daß er die erste Anklage gegen Diethelm in dessen Beisein vernommen, wollte ihm nicht Zeit lassen, sich ein Gewebe von Aussagen zu knüpfen. Er nahm den Gefangenen daher noch am Abend ins Verhör, und Diethelm war es allerdings schauerlich, als er durch matterleuchtete schallende Gänge nach der Verhörstube geführt wurde. Hier war es noch leer. Diethelm

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div type="chapter" n="17">
        <pb facs="#f0125"/>
        <p>Den heutigen Tag, Mutter, den werde ich nie vergessen. Was ich da Alles gedenkt und                erfahren hab'! O Mutter! und die Menschen sind so gut, wenn sie einen im Unglück                sehen; Alle, wo mit gefahren sind, und in allen Wirthshäusern sind sie mir                beigestanden und haben mich getröstet und hätten mir gern in Allem geholfen. Kommet,                legt Euch ein bisle aufs Bett, ich will Euch erzählen.</p><lb/>
        <p>Fränz trug in starken Armen die Mutter auf das Bette, dann setzte sie sich daneben,                und ihre Hand haltend, begann sie zu erzählen; aber bald merkte sie, daß die Mutter                schlief. Sie hielt noch lange still die Hand der Schlafenden und wagte es nicht, sich                zu bewegen, endlich legte sie die Hand auf das Kissen, und leise auf den Zehen                schleichend, hatte sie sich der Thüre genähert, als die Mutter rief:</p><lb/>
        <p>Kind, wohin willst?</p><lb/>
        <p>Zum Vater.</p><lb/>
        <p>Da muß ich auch mit, ich bin ganz wohlauf.</p><lb/>
        <p>Es half kein Abwehren, und nachdem Fränz die Mutter wohl eingemummt, verließ sie mit                ihr die Post.</p><lb/>
      </div>
      <div type="chapter" n="18">
        <head>Achtzehntes Kapitel.</head><lb/>
        <p>Die Wintertage waren so kurz, und der junge Amtsverweser, der bald seinen Fehler                erkannte, daß er die erste Anklage gegen Diethelm in dessen Beisein vernommen, wollte                ihm nicht Zeit lassen, sich ein Gewebe von Aussagen zu knüpfen. Er nahm den                Gefangenen daher noch am Abend ins Verhör, und Diethelm war es allerdings                schauerlich, als er durch matterleuchtete schallende Gänge nach der Verhörstube                geführt wurde. Hier war es noch leer. Diethelm<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0125] Den heutigen Tag, Mutter, den werde ich nie vergessen. Was ich da Alles gedenkt und erfahren hab'! O Mutter! und die Menschen sind so gut, wenn sie einen im Unglück sehen; Alle, wo mit gefahren sind, und in allen Wirthshäusern sind sie mir beigestanden und haben mich getröstet und hätten mir gern in Allem geholfen. Kommet, legt Euch ein bisle aufs Bett, ich will Euch erzählen. Fränz trug in starken Armen die Mutter auf das Bette, dann setzte sie sich daneben, und ihre Hand haltend, begann sie zu erzählen; aber bald merkte sie, daß die Mutter schlief. Sie hielt noch lange still die Hand der Schlafenden und wagte es nicht, sich zu bewegen, endlich legte sie die Hand auf das Kissen, und leise auf den Zehen schleichend, hatte sie sich der Thüre genähert, als die Mutter rief: Kind, wohin willst? Zum Vater. Da muß ich auch mit, ich bin ganz wohlauf. Es half kein Abwehren, und nachdem Fränz die Mutter wohl eingemummt, verließ sie mit ihr die Post. Achtzehntes Kapitel. Die Wintertage waren so kurz, und der junge Amtsverweser, der bald seinen Fehler erkannte, daß er die erste Anklage gegen Diethelm in dessen Beisein vernommen, wollte ihm nicht Zeit lassen, sich ein Gewebe von Aussagen zu knüpfen. Er nahm den Gefangenen daher noch am Abend ins Verhör, und Diethelm war es allerdings schauerlich, als er durch matterleuchtete schallende Gänge nach der Verhörstube geführt wurde. Hier war es noch leer. Diethelm

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Thomas Weitin: Herausgeber
Digital Humanities Cooperation Konstanz/Darmstadt: Bereitstellung der Texttranskription. (2017-03-14T13:04:01Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Jan Merkt, Thomas Gilli, Jasmin Bieber, Katharina Herget, Anni Peter, Christian Thomas, Benjamin Fiechter: Bearbeitung der digitalen Edition. (2017-03-14T13:04:01Z)

Weitere Informationen:

Bogensignaturen: nicht gekennzeichnet; Druckfehler: dokumentiert; fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet; Geminations-/Abkürzungsstriche: keine Angabe; Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet; i/j in Fraktur: keine Angabe; I/J in Fraktur: Lautwert transkribiert; Kolumnentitel: nicht gekennzeichnet; Kustoden: nicht gekennzeichnet; langes s (ſ): als s transkribiert; Normalisierungen: keine; rundes r (&#xa75b;): keine Angabe; Seitenumbrüche markiert: ja; Silbentrennung: aufgelöst; u/v bzw. U/V: keine Angabe; Vokale mit übergest. e: keine Angabe; Vollständigkeit: vollständig erfasst; Zeichensetzung: wie Vorlage; Zeilenumbrüche markiert: nein;




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/auerbach_diethelm_1910
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/auerbach_diethelm_1910/125
Zitationshilfe: Auerbach, Berthold: Die Geschichte des Diethelm von Buchenberg. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 7. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 45–268. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/auerbach_diethelm_1910/125>, abgerufen am 15.11.2024.