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Auerbach, Berthold: Die Geschichte des Diethelm von Buchenberg. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 7. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 45–268. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.

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Siebenzehntes Kapitel.

Die Sage vom Löwen und der Maus schien sich wieder zu erneuen; das erste fremde Menschenbild, das Diethelm sah, war der Zeugmacher Kübler, und jetzt erinnerte er sich, daß dieser ja der Sohn des Amtsdieners sei. Mit welch hochmüthiger Gönnerschaft hatte Diethelm immer diesen armen Teufel betrachtet, und jetzt überdachte er schnell, daß er ihm Alles verdanken könnte, und wenn alle Mittel zu Schanden werden -- die Flucht. Daran aber war noch lange nicht zu denken. Diethelm hob den Mantel von den Schultern in die Höhe und wartete ruhig, bis der dienstbeflissene junge Kübler ihm denselben ehrerbietig abnahm; er streckte nun dem Amtsdiener die Hand entgegen und sagte mit heller Stimme in herablassender Höflichkeit:

Guten Morgen, lieber Amtsdiener. Wollt Ihr einen abgebrannten armen Verwandten nicht ein paar Tage bei Euch wohnen lassen? Habt Ihr kein Zimmer frei? Ich nehme mit einem kleinen vorlieb.

Diethelm glaubte zu bemerken, daß diese Anrede den verkehrten Eindruck machte; Alles, was mit dem Criminalgericht zusammenhängt, schien keinen Spaß zu verstehen.

Wie ein gefangener Ritter empfahl nun Diethelm seine Rosse der sorgsamen Wartung. Waffen hatte er nicht abzuliefern, aber gewiß konnte Diethelm besser schreiben und lesen, und war mindestens so verschlagen und ehrgeizig als je ein Mann, der im Harnisch rasselte; daß man aber in anderen Zeiten war, zeigte besonders der Ofen, der war so winzig und windig, und ein Ritter, wenn er von einem Raubzuge in eine Herberge kam, fand einen Baumstamm im breiten Ofen prasseln. Wäre nicht eine abgestumpfte Sandsteinkugel auf dem Ofen gelegen, Diethelm hätte sich nicht einmal die Hände wärmen können, und doch fühlte er von innen heraus eine unbezwingliche Kälte, als ob nicht Blut, sondern Eis-

Siebenzehntes Kapitel.

Die Sage vom Löwen und der Maus schien sich wieder zu erneuen; das erste fremde Menschenbild, das Diethelm sah, war der Zeugmacher Kübler, und jetzt erinnerte er sich, daß dieser ja der Sohn des Amtsdieners sei. Mit welch hochmüthiger Gönnerschaft hatte Diethelm immer diesen armen Teufel betrachtet, und jetzt überdachte er schnell, daß er ihm Alles verdanken könnte, und wenn alle Mittel zu Schanden werden — die Flucht. Daran aber war noch lange nicht zu denken. Diethelm hob den Mantel von den Schultern in die Höhe und wartete ruhig, bis der dienstbeflissene junge Kübler ihm denselben ehrerbietig abnahm; er streckte nun dem Amtsdiener die Hand entgegen und sagte mit heller Stimme in herablassender Höflichkeit:

Guten Morgen, lieber Amtsdiener. Wollt Ihr einen abgebrannten armen Verwandten nicht ein paar Tage bei Euch wohnen lassen? Habt Ihr kein Zimmer frei? Ich nehme mit einem kleinen vorlieb.

Diethelm glaubte zu bemerken, daß diese Anrede den verkehrten Eindruck machte; Alles, was mit dem Criminalgericht zusammenhängt, schien keinen Spaß zu verstehen.

Wie ein gefangener Ritter empfahl nun Diethelm seine Rosse der sorgsamen Wartung. Waffen hatte er nicht abzuliefern, aber gewiß konnte Diethelm besser schreiben und lesen, und war mindestens so verschlagen und ehrgeizig als je ein Mann, der im Harnisch rasselte; daß man aber in anderen Zeiten war, zeigte besonders der Ofen, der war so winzig und windig, und ein Ritter, wenn er von einem Raubzuge in eine Herberge kam, fand einen Baumstamm im breiten Ofen prasseln. Wäre nicht eine abgestumpfte Sandsteinkugel auf dem Ofen gelegen, Diethelm hätte sich nicht einmal die Hände wärmen können, und doch fühlte er von innen heraus eine unbezwingliche Kälte, als ob nicht Blut, sondern Eis-

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[0119] Siebenzehntes Kapitel. Die Sage vom Löwen und der Maus schien sich wieder zu erneuen; das erste fremde Menschenbild, das Diethelm sah, war der Zeugmacher Kübler, und jetzt erinnerte er sich, daß dieser ja der Sohn des Amtsdieners sei. Mit welch hochmüthiger Gönnerschaft hatte Diethelm immer diesen armen Teufel betrachtet, und jetzt überdachte er schnell, daß er ihm Alles verdanken könnte, und wenn alle Mittel zu Schanden werden — die Flucht. Daran aber war noch lange nicht zu denken. Diethelm hob den Mantel von den Schultern in die Höhe und wartete ruhig, bis der dienstbeflissene junge Kübler ihm denselben ehrerbietig abnahm; er streckte nun dem Amtsdiener die Hand entgegen und sagte mit heller Stimme in herablassender Höflichkeit: Guten Morgen, lieber Amtsdiener. Wollt Ihr einen abgebrannten armen Verwandten nicht ein paar Tage bei Euch wohnen lassen? Habt Ihr kein Zimmer frei? Ich nehme mit einem kleinen vorlieb. Diethelm glaubte zu bemerken, daß diese Anrede den verkehrten Eindruck machte; Alles, was mit dem Criminalgericht zusammenhängt, schien keinen Spaß zu verstehen. Wie ein gefangener Ritter empfahl nun Diethelm seine Rosse der sorgsamen Wartung. Waffen hatte er nicht abzuliefern, aber gewiß konnte Diethelm besser schreiben und lesen, und war mindestens so verschlagen und ehrgeizig als je ein Mann, der im Harnisch rasselte; daß man aber in anderen Zeiten war, zeigte besonders der Ofen, der war so winzig und windig, und ein Ritter, wenn er von einem Raubzuge in eine Herberge kam, fand einen Baumstamm im breiten Ofen prasseln. Wäre nicht eine abgestumpfte Sandsteinkugel auf dem Ofen gelegen, Diethelm hätte sich nicht einmal die Hände wärmen können, und doch fühlte er von innen heraus eine unbezwingliche Kälte, als ob nicht Blut, sondern Eis-

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Zitationshilfe: Auerbach, Berthold: Die Geschichte des Diethelm von Buchenberg. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 7. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 45–268. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/auerbach_diethelm_1910/119>, abgerufen am 15.11.2024.