Auerbach, Berthold: Die Geschichte des Diethelm von Buchenberg. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 7. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 45–268. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.Geld, das, was du gesagt hast, ist nicht gesagt und wird nie mehr gesagt. So, Gottlob, nun ade, schloß Fränz, als der Schaffner "Eingesetzt!" rief. Der Postillon blies lustig, der Wagen fuhr ab, und Munde schlug sich davongehend auf die Stirne; es kränkte ihn, daß er so unbesonnen herausgeredet und den Schmerz des Mädchens noch grausam vermehrt hatte, und jetzt merkte er erst, wie er so unbewußt Geld angenommen. Er kehrte in den Rautenkranz zurück, um noch Einiges zu besorgen, das Fränz in der Eile vergessen hatte. Fünfzehntes Kapitel. Unter klingendem Schlittenschellen fuhr Diethelm nach dem Dorfe hinab, er athmete tief auf in der scharfen Morgenkälte und starrte fast bewußtlos vor sich hin, beobachtend wie die Rappen so rasch und gleichmäßig die Füße hoben, und wie sie so muthig die schellenumwundenen Köpfe warfen. Während im Herzen ein jäher Schreck ausklingt oder wilder Schmerz ras't, ist oft der äußere Sinn verloren und gefangen in der Betrachtung eines Farbenspiels, eines alltäglichen Ereignisses, und verfolgt seine Wandlungen mit einer Stetigkeit und gesammelten Kraft, als wäre sonst Nichts auf der Welt und müßte gerade dieser Vorgang in seinem innersten Wesen erforscht werden. Erwacht dann das innere Bewußtsein aus solcher träumerischen Versenkung, so fährt der Gedanke an das erlittene Unheil wie mit tausend schneidenden Waffen aufs Neue durch alle Lebensnerven, durchzuckt das ganze Wesen, und ein lauter Aufschrei spricht es aus, was über das selbstvergessene Menschenherz gekommen. Geld, das, was du gesagt hast, ist nicht gesagt und wird nie mehr gesagt. So, Gottlob, nun ade, schloß Fränz, als der Schaffner „Eingesetzt!“ rief. Der Postillon blies lustig, der Wagen fuhr ab, und Munde schlug sich davongehend auf die Stirne; es kränkte ihn, daß er so unbesonnen herausgeredet und den Schmerz des Mädchens noch grausam vermehrt hatte, und jetzt merkte er erst, wie er so unbewußt Geld angenommen. Er kehrte in den Rautenkranz zurück, um noch Einiges zu besorgen, das Fränz in der Eile vergessen hatte. Fünfzehntes Kapitel. Unter klingendem Schlittenschellen fuhr Diethelm nach dem Dorfe hinab, er athmete tief auf in der scharfen Morgenkälte und starrte fast bewußtlos vor sich hin, beobachtend wie die Rappen so rasch und gleichmäßig die Füße hoben, und wie sie so muthig die schellenumwundenen Köpfe warfen. Während im Herzen ein jäher Schreck ausklingt oder wilder Schmerz ras't, ist oft der äußere Sinn verloren und gefangen in der Betrachtung eines Farbenspiels, eines alltäglichen Ereignisses, und verfolgt seine Wandlungen mit einer Stetigkeit und gesammelten Kraft, als wäre sonst Nichts auf der Welt und müßte gerade dieser Vorgang in seinem innersten Wesen erforscht werden. Erwacht dann das innere Bewußtsein aus solcher träumerischen Versenkung, so fährt der Gedanke an das erlittene Unheil wie mit tausend schneidenden Waffen aufs Neue durch alle Lebensnerven, durchzuckt das ganze Wesen, und ein lauter Aufschrei spricht es aus, was über das selbstvergessene Menschenherz gekommen. <TEI> <text> <body> <div type="chapter" n="14"> <p><pb facs="#f0102"/> Geld, das, was du gesagt hast, ist nicht gesagt und wird nie mehr gesagt. 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Erwacht dann das innere Bewußtsein aus solcher träumerischen Versenkung, so fährt der Gedanke an das erlittene Unheil wie mit tausend schneidenden Waffen aufs Neue durch alle Lebensnerven, durchzuckt das ganze Wesen, und ein lauter Aufschrei spricht es aus, was über das selbstvergessene Menschenherz gekommen.</p><lb/> </div> </body> </text> </TEI> [0102]
Geld, das, was du gesagt hast, ist nicht gesagt und wird nie mehr gesagt. So, Gottlob, nun ade, schloß Fränz, als der Schaffner „Eingesetzt!“ rief.
Der Postillon blies lustig, der Wagen fuhr ab, und Munde schlug sich davongehend auf die Stirne; es kränkte ihn, daß er so unbesonnen herausgeredet und den Schmerz des Mädchens noch grausam vermehrt hatte, und jetzt merkte er erst, wie er so unbewußt Geld angenommen. Er kehrte in den Rautenkranz zurück, um noch Einiges zu besorgen, das Fränz in der Eile vergessen hatte.
Fünfzehntes Kapitel.
Unter klingendem Schlittenschellen fuhr Diethelm nach dem Dorfe hinab, er athmete tief auf in der scharfen Morgenkälte und starrte fast bewußtlos vor sich hin, beobachtend wie die Rappen so rasch und gleichmäßig die Füße hoben, und wie sie so muthig die schellenumwundenen Köpfe warfen.
Während im Herzen ein jäher Schreck ausklingt oder wilder Schmerz ras't, ist oft der äußere Sinn verloren und gefangen in der Betrachtung eines Farbenspiels, eines alltäglichen Ereignisses, und verfolgt seine Wandlungen mit einer Stetigkeit und gesammelten Kraft, als wäre sonst Nichts auf der Welt und müßte gerade dieser Vorgang in seinem innersten Wesen erforscht werden. Erwacht dann das innere Bewußtsein aus solcher träumerischen Versenkung, so fährt der Gedanke an das erlittene Unheil wie mit tausend schneidenden Waffen aufs Neue durch alle Lebensnerven, durchzuckt das ganze Wesen, und ein lauter Aufschrei spricht es aus, was über das selbstvergessene Menschenherz gekommen.
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Zitationshilfe: | Auerbach, Berthold: Die Geschichte des Diethelm von Buchenberg. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 7. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 45–268. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/auerbach_diethelm_1910/102>, abgerufen am 22.02.2025. |