Ein mathematischer Vergleich vom Jud: Begeiste¬ rung ist ein Reich des Seyns das wir zwar aus der Wirklichkeit verbannt haben, aber in dem wir seine Ge¬ wißheit fühlen. -- Wie könnte dies Reich nicht wahr¬ haft sein da der Geist die Wirklichkeit verläßt, denn wo soll der Geist leben als in der Begeisterung, da er im¬ mer nur lebt wenn er begeistert ist. -- Aus dieser Schlu߬ folge legte er mir nun aus was er von mir gefaßt wollte wissen, -- und ich ergriff seine Hand und sagte: ach Ephraim jetzt weiß ich wer Ihr seid, Ihr seid der Socrates. -- "Ich bin der Socrates nicht, aber er ist ein Stück von meiner Religion." -- So? -- sagt ich, habt Ihr ihn studirt; wie seid Ihr denn dazu ge¬ kommen? -- "da könnt ich ja wohl fragen, wie ist ein so junges Töchterchen dazu gekommen von ihm zu wis¬ sen," -- ich hab ihn der Günderode stückweis vorgelesen, aber ich war zerstreut, und weiß nichts von ihm als nur daß er solche Schlußfolgen macht wie Ihr. -- "Wer ist die Günderode?" -- Meine Freundin der ich alles
An die Günderode.
Ein mathematiſcher Vergleich vom Jud: Begeiſte¬ rung iſt ein Reich des Seyns das wir zwar aus der Wirklichkeit verbannt haben, aber in dem wir ſeine Ge¬ wißheit fühlen. — Wie könnte dies Reich nicht wahr¬ haft ſein da der Geiſt die Wirklichkeit verläßt, denn wo ſoll der Geiſt leben als in der Begeiſterung, da er im¬ mer nur lebt wenn er begeiſtert iſt. — Aus dieſer Schlu߬ folge legte er mir nun aus was er von mir gefaßt wollte wiſſen, — und ich ergriff ſeine Hand und ſagte: ach Ephraim jetzt weiß ich wer Ihr ſeid, Ihr ſeid der Socrates. — „Ich bin der Socrates nicht, aber er iſt ein Stück von meiner Religion.“ — So? — ſagt ich, habt Ihr ihn ſtudirt; wie ſeid Ihr denn dazu ge¬ kommen? — „da könnt ich ja wohl fragen, wie iſt ein ſo junges Töchterchen dazu gekommen von ihm zu wiſ¬ ſen,“ — ich hab ihn der Günderode ſtückweis vorgeleſen, aber ich war zerſtreut, und weiß nichts von ihm als nur daß er ſolche Schlußfolgen macht wie Ihr. — „Wer iſt die Günderode?“ — Meine Freundin der ich alles
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><pbfacs="#f0228"n="214"/></div><divn="2"><head>An die Günderode.<lb/></head><p>Ein mathematiſcher Vergleich vom Jud: Begeiſte¬<lb/>
rung iſt ein Reich des Seyns das wir zwar aus der<lb/>
Wirklichkeit verbannt haben, aber in dem wir ſeine Ge¬<lb/>
wißheit fühlen. — Wie könnte dies Reich nicht wahr¬<lb/>
haft ſein da der Geiſt die Wirklichkeit verläßt, denn wo<lb/>ſoll der Geiſt leben als in der Begeiſterung, da er im¬<lb/>
mer nur lebt wenn er begeiſtert iſt. — Aus dieſer Schlu߬<lb/>
folge legte er mir nun aus was er von mir gefaßt<lb/>
wollte wiſſen, — und ich ergriff ſeine Hand und ſagte:<lb/>
ach Ephraim jetzt weiß ich wer Ihr ſeid, Ihr ſeid<lb/>
der Socrates. —„Ich bin der Socrates nicht, aber er<lb/>
iſt ein Stück von meiner Religion.“— So? —ſagt<lb/>
ich, habt Ihr ihn ſtudirt; wie ſeid Ihr denn dazu ge¬<lb/>
kommen? —„da könnt ich ja wohl fragen, wie iſt ein<lb/>ſo junges Töchterchen dazu gekommen von ihm zu wiſ¬<lb/>ſen,“— ich hab ihn der Günderode ſtückweis vorgeleſen,<lb/>
aber ich war zerſtreut, und weiß nichts von ihm als<lb/>
nur daß er ſolche Schlußfolgen macht wie Ihr. —„Wer<lb/>
iſt die Günderode?“— Meine Freundin der ich alles<lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[214/0228]
An die Günderode.
Ein mathematiſcher Vergleich vom Jud: Begeiſte¬
rung iſt ein Reich des Seyns das wir zwar aus der
Wirklichkeit verbannt haben, aber in dem wir ſeine Ge¬
wißheit fühlen. — Wie könnte dies Reich nicht wahr¬
haft ſein da der Geiſt die Wirklichkeit verläßt, denn wo
ſoll der Geiſt leben als in der Begeiſterung, da er im¬
mer nur lebt wenn er begeiſtert iſt. — Aus dieſer Schlu߬
folge legte er mir nun aus was er von mir gefaßt
wollte wiſſen, — und ich ergriff ſeine Hand und ſagte:
ach Ephraim jetzt weiß ich wer Ihr ſeid, Ihr ſeid
der Socrates. — „Ich bin der Socrates nicht, aber er
iſt ein Stück von meiner Religion.“ — So? — ſagt
ich, habt Ihr ihn ſtudirt; wie ſeid Ihr denn dazu ge¬
kommen? — „da könnt ich ja wohl fragen, wie iſt ein
ſo junges Töchterchen dazu gekommen von ihm zu wiſ¬
ſen,“ — ich hab ihn der Günderode ſtückweis vorgeleſen,
aber ich war zerſtreut, und weiß nichts von ihm als
nur daß er ſolche Schlußfolgen macht wie Ihr. — „Wer
iſt die Günderode?“ — Meine Freundin der ich alles
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Arnim, Bettina von: Die Günderode. Bd. 2. Grünberg u. a., 1840, S. 214. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/arnimb_guenderode02_1840/228>, abgerufen am 21.12.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.