sie zu meinem doch sprechen; und was die Welt "über¬ spannte Einbildung" nennt, dem will ich still opfern, und gewiß meinen Sinn vor jedem bewahren, was mich unfähig dazu machen könnte, denn ich empfinde in mir ein Gewissen, was mich heimlich warnt dies und jenes zu meiden. -- Und wie ich mit Dir red heute, da fühl ich, daß es eine bewußtlose Bewußtheit gebe, das ist Gefühl, und daß der Geist bewußtlos erregt wird. -- so wirds wohl sein mit den Geistern. Aber still davon, durch Deinen Geist haucht mich die Natur an, daß ich erwach wie wenn die Keime zu Blättern werden. -- Ach eben ist ein großer Vogel wider mein Fenster ge¬ flogen und hat mich so erschreckt, es ist schon nach Mitternacht, gute Nacht.
Bettine.
An die Bettine.
Es kömmt mir bald zu närrisch vor liebe Bettine, daß Du Dich so feierlich für meinen Schüler erklärst, eben so könnte ich mich für den Deinen halten wollen, doch macht es mir viele Freude, und es ist auch etwas Wahres daran, wenn ein Lehrer durch den Schüler an¬
ſie zu meinem doch ſprechen; und was die Welt „über¬ ſpannte Einbildung“ nennt, dem will ich ſtill opfern, und gewiß meinen Sinn vor jedem bewahren, was mich unfähig dazu machen könnte, denn ich empfinde in mir ein Gewiſſen, was mich heimlich warnt dies und jenes zu meiden. — Und wie ich mit Dir red heute, da fühl ich, daß es eine bewußtloſe Bewußtheit gebe, das iſt Gefühl, und daß der Geiſt bewußtlos erregt wird. — ſo wirds wohl ſein mit den Geiſtern. Aber ſtill davon, durch Deinen Geiſt haucht mich die Natur an, daß ich erwach wie wenn die Keime zu Blättern werden. — Ach eben iſt ein großer Vogel wider mein Fenſter ge¬ flogen und hat mich ſo erſchreckt, es iſt ſchon nach Mitternacht, gute Nacht.
Bettine.
An die Bettine.
Es kömmt mir bald zu närriſch vor liebe Bettine, daß Du Dich ſo feierlich für meinen Schüler erklärſt, eben ſo könnte ich mich für den Deinen halten wollen, doch macht es mir viele Freude, und es iſt auch etwas Wahres daran, wenn ein Lehrer durch den Schüler an¬
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0035"n="19"/>ſie zu meinem doch ſprechen; und was die Welt „über¬<lb/>ſpannte Einbildung“ nennt, dem will ich ſtill opfern,<lb/>
und gewiß meinen Sinn vor jedem bewahren, was mich<lb/>
unfähig dazu machen könnte, denn ich empfinde in mir<lb/>
ein Gewiſſen, was mich heimlich warnt dies und jenes<lb/>
zu meiden. — Und wie ich mit Dir red heute, da fühl<lb/>
ich, daß es eine bewußtloſe Bewußtheit gebe, das iſt<lb/>
Gefühl, und daß der Geiſt bewußtlos erregt wird. —ſo<lb/>
wirds wohl ſein mit den Geiſtern. Aber ſtill davon,<lb/>
durch Deinen Geiſt haucht mich die Natur an, daß ich<lb/>
erwach wie wenn die Keime zu Blättern werden. —<lb/>
Ach eben iſt ein großer Vogel wider mein Fenſter ge¬<lb/>
flogen und hat mich ſo erſchreckt, es iſt ſchon nach<lb/><choice><sic>Mitternach</sic><corr>Mitternacht</corr></choice>, gute Nacht.</p><lb/><prendition="#right">Bettine.</p><lb/></div><divn="2"><head>An die Bettine.<lb/></head><p>Es kömmt mir bald zu närriſch vor liebe Bettine,<lb/>
daß Du Dich ſo feierlich für meinen Schüler erklärſt,<lb/>
eben ſo könnte ich mich für den Deinen halten wollen,<lb/>
doch macht es mir viele Freude, und es iſt auch etwas<lb/>
Wahres daran, wenn ein Lehrer durch den Schüler an¬<lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[19/0035]
ſie zu meinem doch ſprechen; und was die Welt „über¬
ſpannte Einbildung“ nennt, dem will ich ſtill opfern,
und gewiß meinen Sinn vor jedem bewahren, was mich
unfähig dazu machen könnte, denn ich empfinde in mir
ein Gewiſſen, was mich heimlich warnt dies und jenes
zu meiden. — Und wie ich mit Dir red heute, da fühl
ich, daß es eine bewußtloſe Bewußtheit gebe, das iſt
Gefühl, und daß der Geiſt bewußtlos erregt wird. — ſo
wirds wohl ſein mit den Geiſtern. Aber ſtill davon,
durch Deinen Geiſt haucht mich die Natur an, daß ich
erwach wie wenn die Keime zu Blättern werden. —
Ach eben iſt ein großer Vogel wider mein Fenſter ge¬
flogen und hat mich ſo erſchreckt, es iſt ſchon nach
Mitternacht, gute Nacht.
Bettine.
An die Bettine.
Es kömmt mir bald zu närriſch vor liebe Bettine,
daß Du Dich ſo feierlich für meinen Schüler erklärſt,
eben ſo könnte ich mich für den Deinen halten wollen,
doch macht es mir viele Freude, und es iſt auch etwas
Wahres daran, wenn ein Lehrer durch den Schüler an¬
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Arnim, Bettina von: Die Günderode. Bd. 1. Grünberg u. a., 1840, S. 19. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/arnimb_guenderode01_1840/35>, abgerufen am 18.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.