Vielleicht verscherz' ich Dein bischen Andacht zu mir, daß ich Dich so tief in den Schacht meines Her- zens einsenke wo es so wunderlich hergeht, daß die Leute sagen würden es sei Narrheit. -- Ja Narrheit ist die rechte Scheidewand zwischen dem ewig Unsterblichen und dem zeitlich Vergänglichen. Es scheue keiner die irdi- schen Gewande zu versehren am göttlichen Feuer. Du bist mein Freund oder bist Du's auch nicht, ich weiß es nicht, immer muß ich Dich so annehmen, da Du mitten im Geheimniß meiner Brust stehst wie ein Pfeiler an den ich mich anlehne, und wie der gewandte Schwim- mer von gefährlicher Höhe sich in die Fluthen stürzt vor solchen Augen, denen er seine Kühnheit bewähren möchte, so wage ich, weil Du mir Zeuge bist diesen dä- monischen Gewalten mich anheim zu geben, diese Thrä- nenfluth in der ich spiele, diese Frühlingsbegeistrung meiner Liebeszeit zu Goethe und die Vorwürfe, die in mir aufsteigen würden mir das Herz zerreißen wenn ich nicht den Freund hätte, der zuhörte und nachempfände was ich hier ausspreche.
An den Freund.
Vielleicht verſcherz' ich Dein bischen Andacht zu mir, daß ich Dich ſo tief in den Schacht meines Her- zens einſenke wo es ſo wunderlich hergeht, daß die Leute ſagen würden es ſei Narrheit. — Ja Narrheit iſt die rechte Scheidewand zwiſchen dem ewig Unſterblichen und dem zeitlich Vergänglichen. Es ſcheue keiner die irdi- ſchen Gewande zu verſehren am göttlichen Feuer. Du biſt mein Freund oder biſt Du's auch nicht, ich weiß es nicht, immer muß ich Dich ſo annehmen, da Du mitten im Geheimniß meiner Bruſt ſtehſt wie ein Pfeiler an den ich mich anlehne, und wie der gewandte Schwim- mer von gefährlicher Höhe ſich in die Fluthen ſtürzt vor ſolchen Augen, denen er ſeine Kühnheit bewähren möchte, ſo wage ich, weil Du mir Zeuge biſt dieſen dä- moniſchen Gewalten mich anheim zu geben, dieſe Thrä- nenfluth in der ich ſpiele, dieſe Frühlingsbegeiſtrung meiner Liebeszeit zu Goethe und die Vorwürfe, die in mir aufſteigen würden mir das Herz zerreißen wenn ich nicht den Freund hätte, der zuhörte und nachempfände was ich hier ausſpreche.
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An den Freund.
Vielleicht verſcherz' ich Dein bischen Andacht zu
mir, daß ich Dich ſo tief in den Schacht meines Her-
zens einſenke wo es ſo wunderlich hergeht, daß die Leute
ſagen würden es ſei Narrheit. — Ja Narrheit iſt die
rechte Scheidewand zwiſchen dem ewig Unſterblichen und
dem zeitlich Vergänglichen. Es ſcheue keiner die irdi-
ſchen Gewande zu verſehren am göttlichen Feuer. Du
biſt mein Freund oder biſt Du's auch nicht, ich weiß es
nicht, immer muß ich Dich ſo annehmen, da Du mitten
im Geheimniß meiner Bruſt ſtehſt wie ein Pfeiler an
den ich mich anlehne, und wie der gewandte Schwim-
mer von gefährlicher Höhe ſich in die Fluthen ſtürzt
vor ſolchen Augen, denen er ſeine Kühnheit bewähren
möchte, ſo wage ich, weil Du mir Zeuge biſt dieſen dä-
moniſchen Gewalten mich anheim zu geben, dieſe Thrä-
nenfluth in der ich ſpiele, dieſe Frühlingsbegeiſtrung
meiner Liebeszeit zu Goethe und die Vorwürfe, die in
mir aufſteigen würden mir das Herz zerreißen wenn ich
nicht den Freund hätte, der zuhörte und nachempfände
was ich hier ausſpreche.
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[Arnim, Bettina von]: Tagebuch. Berlin, 1835, S. 208. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/arnimb_goethe03_1835/218>, abgerufen am 22.02.2025.
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