mit heiligem Laub, mich aber seh ich zu Deinen Füßen mit der reinen Fluth, die ich am Meer geschöpft, um sie zu waschen. -- So denk' ich mich zu Deinem Dienst in tausend Bildern, und es ist als sei dies die Reife meines Daseins.
Hast Du schon in die untergehende Sonne gesehen, wenn sie schon milder leuchtet, so daß ein scharfes Aug' von ihrem Glanz nicht mehr geblendet wird? -- hast Du da schon gesehen wie sich ihr eigen Bild von ihr ablöst, und vor ihr am Horizont niedertaucht in die rothe Fluth, und nach diesem Bild immer wieder ein an- deres in leisen Brechungen der Strahlen immer wieder anders färbt? -- Meine Seele, wenn der gewaltige Glanz Deiner vollen Erscheinung nicht mehr so stark blendet, und die Ferne sanfte Schleier über Dich webt, sieht solche Bilder, die eins nach dem andern von Dir ab- strahlen, sie tauchen alle unter in meiner Begeistrung wie im Feuerschooß der Natur, und ich kann mich nicht sättigen in dieser schönen Fülle.
Den 3. September.
So müde wie ich war am späten Abend, so fest wie ich schlief am frühen Morgen hab' ich drei Tage
mit heiligem Laub, mich aber ſeh ich zu Deinen Füßen mit der reinen Fluth, die ich am Meer geſchöpft, um ſie zu waſchen. — So denk' ich mich zu Deinem Dienſt in tauſend Bildern, und es iſt als ſei dies die Reife meines Daſeins.
Haſt Du ſchon in die untergehende Sonne geſehen, wenn ſie ſchon milder leuchtet, ſo daß ein ſcharfes Aug' von ihrem Glanz nicht mehr geblendet wird? — haſt Du da ſchon geſehen wie ſich ihr eigen Bild von ihr ablöſt, und vor ihr am Horizont niedertaucht in die rothe Fluth, und nach dieſem Bild immer wieder ein an- deres in leiſen Brechungen der Strahlen immer wieder anders färbt? — Meine Seele, wenn der gewaltige Glanz Deiner vollen Erſcheinung nicht mehr ſo ſtark blendet, und die Ferne ſanfte Schleier über Dich webt, ſieht ſolche Bilder, die eins nach dem andern von Dir ab- ſtrahlen, ſie tauchen alle unter in meiner Begeiſtrung wie im Feuerſchooß der Natur, und ich kann mich nicht ſättigen in dieſer ſchönen Fülle.
Den 3. September.
So müde wie ich war am ſpäten Abend, ſo feſt wie ich ſchlief am frühen Morgen hab' ich drei Tage
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mit heiligem Laub, mich aber ſeh ich zu Deinen Füßen
mit der reinen Fluth, die ich am Meer geſchöpft, um
ſie zu waſchen. — So denk' ich mich zu Deinem Dienſt
in tauſend Bildern, und es iſt als ſei dies die Reife
meines Daſeins.
Haſt Du ſchon in die untergehende Sonne geſehen,
wenn ſie ſchon milder leuchtet, ſo daß ein ſcharfes Aug'
von ihrem Glanz nicht mehr geblendet wird? — haſt
Du da ſchon geſehen wie ſich ihr eigen Bild von ihr
ablöſt, und vor ihr am Horizont niedertaucht in die
rothe Fluth, und nach dieſem Bild immer wieder ein an-
deres in leiſen Brechungen der Strahlen immer wieder
anders färbt? — Meine Seele, wenn der gewaltige Glanz
Deiner vollen Erſcheinung nicht mehr ſo ſtark blendet,
und die Ferne ſanfte Schleier über Dich webt, ſieht
ſolche Bilder, die eins nach dem andern von Dir ab-
ſtrahlen, ſie tauchen alle unter in meiner Begeiſtrung
wie im Feuerſchooß der Natur, und ich kann mich nicht
ſättigen in dieſer ſchönen Fülle.
Den 3. September.
So müde wie ich war am ſpäten Abend, ſo feſt
wie ich ſchlief am frühen Morgen hab' ich drei Tage
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[Arnim, Bettina von]: Tagebuch. Berlin, 1835, S. 182. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/arnimb_goethe03_1835/192>, abgerufen am 22.02.2025.
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