Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Arnim, Bettina von: Goethe's Briefwechsel mit einem Kinde. Bd. 2. Berlin, 1835.

Bild:
<< vorherige Seite

Den Tag an dem ich dies geschrieben gerieth das
Komödienhaus in Brand, ich ging nach dem Platz wo
Tausende mit mir dies unerhörte Schauspiel genossen,
die wilden Flammendrachen rissen sich vom Dache los
und ringelten sich nieder oder wurden von Windstößen
zerrissen, die Hitze hatte die schon tröpfelnden Wolken
verzehrt oder zertheilt, und man konnte durch die rothe
Gluth ruhig in's Antlitz der Sonne sehen, der Rauch
wurde zum röthlichen Schleier. Das Feuer senkte sich
in die innern Gemächer und hüpfte von außen hier und
dort auf dem Rand des Gebäudes umher, das Gebälke
des Daches war in einem Nu in sich herein gestürzt
und das war herrlich; nun muß ich Dir auch erzählen,
daß es während dem in mir jubelte, ich glühte mit, der
irdische Leib verzehrte sich, und der unechte Staat ver-
zehrte sich mit, man sah durch die geöffnete Thüre, durch
die dunkeln todten Mauern alle Fenster schwarz, den
Vorhang des Theaters brennend niederstürzen, nun war
das Theater im Augenblick ein Feuermeer, jetzt ging ein
leises Knistern durch alle Fenstern und sie waren weg,
ja wenn die Geister solcher Elemente einmal die Flügel
aus den Ketten los haben, dann machen sie es arg.
In dieser andern Welt in der ich nun stand -- dachte
ich an Dich, den ich schon so lange verlassen hatte,

Den Tag an dem ich dies geſchrieben gerieth das
Komödienhaus in Brand, ich ging nach dem Platz wo
Tauſende mit mir dies unerhörte Schauſpiel genoſſen,
die wilden Flammendrachen riſſen ſich vom Dache los
und ringelten ſich nieder oder wurden von Windſtößen
zerriſſen, die Hitze hatte die ſchon tröpfelnden Wolken
verzehrt oder zertheilt, und man konnte durch die rothe
Gluth ruhig in's Antlitz der Sonne ſehen, der Rauch
wurde zum röthlichen Schleier. Das Feuer ſenkte ſich
in die innern Gemächer und hüpfte von außen hier und
dort auf dem Rand des Gebäudes umher, das Gebälke
des Daches war in einem Nu in ſich herein geſtürzt
und das war herrlich; nun muß ich Dir auch erzählen,
daß es während dem in mir jubelte, ich glühte mit, der
irdiſche Leib verzehrte ſich, und der unechte Staat ver-
zehrte ſich mit, man ſah durch die geöffnete Thüre, durch
die dunkeln todten Mauern alle Fenſter ſchwarz, den
Vorhang des Theaters brennend niederſtürzen, nun war
das Theater im Augenblick ein Feuermeer, jetzt ging ein
leiſes Kniſtern durch alle Fenſtern und ſie waren weg,
ja wenn die Geiſter ſolcher Elemente einmal die Flügel
aus den Ketten los haben, dann machen ſie es arg.
In dieſer andern Welt in der ich nun ſtand — dachte
ich an Dich, den ich ſchon ſo lange verlaſſen hatte,

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <pb facs="#f0312" n="302"/>
        <div n="2">
          <p>Den Tag an dem ich dies ge&#x017F;chrieben gerieth das<lb/>
Komödienhaus in Brand, ich ging nach dem Platz wo<lb/>
Tau&#x017F;ende mit mir dies unerhörte Schau&#x017F;piel geno&#x017F;&#x017F;en,<lb/>
die wilden Flammendrachen ri&#x017F;&#x017F;en &#x017F;ich vom Dache los<lb/>
und ringelten &#x017F;ich nieder oder wurden von Wind&#x017F;tößen<lb/>
zerri&#x017F;&#x017F;en, die Hitze hatte die &#x017F;chon tröpfelnden Wolken<lb/>
verzehrt oder zertheilt, und man konnte durch die rothe<lb/>
Gluth ruhig in's Antlitz der Sonne &#x017F;ehen, der Rauch<lb/>
wurde zum röthlichen Schleier. Das Feuer &#x017F;enkte &#x017F;ich<lb/>
in die innern Gemächer und hüpfte von außen hier und<lb/>
dort auf dem Rand des Gebäudes umher, das Gebälke<lb/>
des Daches war in einem Nu in &#x017F;ich herein ge&#x017F;türzt<lb/>
und das war herrlich; nun muß ich Dir auch erzählen,<lb/>
daß es während dem in mir jubelte, ich glühte mit, der<lb/>
irdi&#x017F;che Leib verzehrte &#x017F;ich, und der unechte Staat ver-<lb/>
zehrte &#x017F;ich mit, man &#x017F;ah durch die geöffnete Thüre, durch<lb/>
die dunkeln todten Mauern alle Fen&#x017F;ter &#x017F;chwarz, den<lb/>
Vorhang des Theaters brennend nieder&#x017F;türzen, nun war<lb/>
das Theater im Augenblick ein Feuermeer, jetzt ging ein<lb/>
lei&#x017F;es Kni&#x017F;tern durch alle Fen&#x017F;tern und &#x017F;ie waren weg,<lb/>
ja wenn die Gei&#x017F;ter &#x017F;olcher Elemente einmal die Flügel<lb/>
aus den Ketten los haben, dann machen &#x017F;ie es arg.<lb/>
In die&#x017F;er andern Welt in der ich nun &#x017F;tand &#x2014; dachte<lb/>
ich an Dich, den ich &#x017F;chon &#x017F;o lange verla&#x017F;&#x017F;en hatte,<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[302/0312] Den Tag an dem ich dies geſchrieben gerieth das Komödienhaus in Brand, ich ging nach dem Platz wo Tauſende mit mir dies unerhörte Schauſpiel genoſſen, die wilden Flammendrachen riſſen ſich vom Dache los und ringelten ſich nieder oder wurden von Windſtößen zerriſſen, die Hitze hatte die ſchon tröpfelnden Wolken verzehrt oder zertheilt, und man konnte durch die rothe Gluth ruhig in's Antlitz der Sonne ſehen, der Rauch wurde zum röthlichen Schleier. Das Feuer ſenkte ſich in die innern Gemächer und hüpfte von außen hier und dort auf dem Rand des Gebäudes umher, das Gebälke des Daches war in einem Nu in ſich herein geſtürzt und das war herrlich; nun muß ich Dir auch erzählen, daß es während dem in mir jubelte, ich glühte mit, der irdiſche Leib verzehrte ſich, und der unechte Staat ver- zehrte ſich mit, man ſah durch die geöffnete Thüre, durch die dunkeln todten Mauern alle Fenſter ſchwarz, den Vorhang des Theaters brennend niederſtürzen, nun war das Theater im Augenblick ein Feuermeer, jetzt ging ein leiſes Kniſtern durch alle Fenſtern und ſie waren weg, ja wenn die Geiſter ſolcher Elemente einmal die Flügel aus den Ketten los haben, dann machen ſie es arg. In dieſer andern Welt in der ich nun ſtand — dachte ich an Dich, den ich ſchon ſo lange verlaſſen hatte,

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/arnimb_goethe02_1835
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/arnimb_goethe02_1835/312
Zitationshilfe: Arnim, Bettina von: Goethe's Briefwechsel mit einem Kinde. Bd. 2. Berlin, 1835, S. 302. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/arnimb_goethe02_1835/312>, abgerufen am 21.11.2024.