Hier die Duette! In diesem Augenblick habe ich nicht mehr Fassung und Ruhe, als Dir zu sagen, fahre fort so lieb und anmuthig zu sein. Laß mich nun bald taufen! Adieu.
12. November 18[1]0.
G.
Mein theuerster Freund.
Ich kenne Dich nicht! nein, ich kenne Dich nicht! ich kann deine Worte mißverstehen, ich kann mir Sor- gen um Dich machen, da Du doch Freiheit hast über aller Sclaverei, da doch dein Antlitz nie vom Unglück überschattet war, und ich kann Furcht haben bei dem edelsten Gastfreund des Glückes? -- die wahre Liebe hat kein Bekümmerniß. Ich habe mir oft vorgenommen, daß ich Dich viel zu heilig halten will, als elende Angst um Dich zu hegen, und daß Du in mir nur Trost und Freude hervorbringen sollst. Sei es wie es mag, hab ich Dich auch nicht, so hab ich Dich doch, -- und nicht wahr, in meinen Briefen da fühlst Du daß ich Wahr- heit rede? da hast Du mich, -- und ich? -- weissagend verfolge ich die Züge deiner Feder, die Hand, die mir
An Bettine.
Hier die Duette! In dieſem Augenblick habe ich nicht mehr Faſſung und Ruhe, als Dir zu ſagen, fahre fort ſo lieb und anmuthig zu ſein. Laß mich nun bald taufen! Adieu.
12. November 18[1]0.
G.
Mein theuerſter Freund.
Ich kenne Dich nicht! nein, ich kenne Dich nicht! ich kann deine Worte mißverſtehen, ich kann mir Sor- gen um Dich machen, da Du doch Freiheit haſt über aller Sclaverei, da doch dein Antlitz nie vom Unglück überſchattet war, und ich kann Furcht haben bei dem edelſten Gaſtfreund des Glückes? — die wahre Liebe hat kein Bekümmerniß. Ich habe mir oft vorgenommen, daß ich Dich viel zu heilig halten will, als elende Angſt um Dich zu hegen, und daß Du in mir nur Troſt und Freude hervorbringen ſollſt. Sei es wie es mag, hab ich Dich auch nicht, ſo hab ich Dich doch, — und nicht wahr, in meinen Briefen da fühlſt Du daß ich Wahr- heit rede? da haſt Du mich, — und ich? — weiſſagend verfolge ich die Züge deiner Feder, die Hand, die mir
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An Bettine.
Hier die Duette! In dieſem Augenblick habe ich
nicht mehr Faſſung und Ruhe, als Dir zu ſagen, fahre
fort ſo lieb und anmuthig zu ſein. Laß mich nun bald
taufen! Adieu.
12. November 1810.
G.
Mein theuerſter Freund.
Ich kenne Dich nicht! nein, ich kenne Dich nicht!
ich kann deine Worte mißverſtehen, ich kann mir Sor-
gen um Dich machen, da Du doch Freiheit haſt über
aller Sclaverei, da doch dein Antlitz nie vom Unglück
überſchattet war, und ich kann Furcht haben bei dem
edelſten Gaſtfreund des Glückes? — die wahre Liebe
hat kein Bekümmerniß. Ich habe mir oft vorgenommen,
daß ich Dich viel zu heilig halten will, als elende Angſt
um Dich zu hegen, und daß Du in mir nur Troſt und
Freude hervorbringen ſollſt. Sei es wie es mag, hab
ich Dich auch nicht, ſo hab ich Dich doch, — und nicht
wahr, in meinen Briefen da fühlſt Du daß ich Wahr-
heit rede? da haſt Du mich, — und ich? — weiſſagend
verfolge ich die Züge deiner Feder, die Hand, die mir
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Arnim, Bettina von: Goethe's Briefwechsel mit einem Kinde. Bd. 2. Berlin, 1835, S. 245. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/arnimb_goethe02_1835/255>, abgerufen am 26.12.2024.
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