rechter Zeit in Scheidemünze verwandeln, womit Sie allein sich das erwerben können was Ihnen fehlt." Dann versprach er mir auch noch, er wolle mir einen Otternpelz zusammenfangen, und ich solle über's Jahr kommen ihn holen. Ach, ich werde nicht wiederkommen in das liebe Landshut, wo wir uns freuten, wenn's schneite und Nachts der Wind recht gestürmt hatte, so gut als wenn die Sonne recht herrlich schien, wo wir alle einander so gut waren, wo die Studenten Concerte gaben und in der Kirche höllisch musizirten, und es gar nicht übel nahmen, wenn man ihnen davon lief.
Und nun ist weiter nichts Merkwürdiges auf der Reise bis Wien vorgefallen, außer daß ich am nächsten Morgen die Sonne aufgehen sah, ein Regenbogen drü- ber und davor ein Pfau, der sein Rad schlug.
Wien am 28. Mai.
Wie ich diesen sah, von dem ich Dir jetzt sprechen will, da vergaß ich der ganzen Welt, schwindet mir doch auch die Welt, wenn mich Erinnerung ergreift, -- ja sie schwindet. Mein Horizont fängt zu meinen Fü- ßen an, wölbt sich um mich, und ich stehe im Meer des Lichts, das von Dir ausgeht, und in aller Stille schweb
rechter Zeit in Scheidemünze verwandeln, womit Sie allein ſich das erwerben können was Ihnen fehlt.“ Dann verſprach er mir auch noch, er wolle mir einen Otternpelz zuſammenfangen, und ich ſolle über's Jahr kommen ihn holen. Ach, ich werde nicht wiederkommen in das liebe Landshut, wo wir uns freuten, wenn's ſchneite und Nachts der Wind recht geſtürmt hatte, ſo gut als wenn die Sonne recht herrlich ſchien, wo wir alle einander ſo gut waren, wo die Studenten Concerte gaben und in der Kirche hölliſch muſizirten, und es gar nicht übel nahmen, wenn man ihnen davon lief.
Und nun iſt weiter nichts Merkwürdiges auf der Reiſe bis Wien vorgefallen, außer daß ich am nächſten Morgen die Sonne aufgehen ſah, ein Regenbogen drü- ber und davor ein Pfau, der ſein Rad ſchlug.
Wien am 28. Mai.
Wie ich dieſen ſah, von dem ich Dir jetzt ſprechen will, da vergaß ich der ganzen Welt, ſchwindet mir doch auch die Welt, wenn mich Erinnerung ergreift, — ja ſie ſchwindet. Mein Horizont fängt zu meinen Fü- ßen an, wölbt ſich um mich, und ich ſtehe im Meer des Lichts, das von Dir ausgeht, und in aller Stille ſchweb
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0200"n="190"/>
rechter Zeit in Scheidemünze verwandeln, womit Sie<lb/>
allein ſich das erwerben können was Ihnen fehlt.“<lb/>
Dann verſprach er mir auch noch, er wolle mir einen<lb/>
Otternpelz zuſammenfangen, und ich ſolle über's Jahr<lb/>
kommen ihn holen. Ach, ich werde nicht wiederkommen<lb/>
in das liebe Landshut, wo wir uns freuten, wenn's<lb/>ſchneite und Nachts der Wind recht geſtürmt hatte, ſo<lb/>
gut als wenn die Sonne recht herrlich ſchien, wo wir<lb/>
alle einander ſo gut waren, wo die Studenten Concerte<lb/>
gaben und in der Kirche hölliſch muſizirten, und es gar<lb/>
nicht übel nahmen, wenn man ihnen davon lief.</p><lb/><p>Und nun iſt weiter nichts Merkwürdiges auf der<lb/>
Reiſe bis Wien vorgefallen, außer daß ich am nächſten<lb/>
Morgen die Sonne aufgehen ſah, ein Regenbogen drü-<lb/>
ber und davor ein Pfau, der ſein Rad ſchlug.</p></div><lb/><divn="2"><dateline><hirendition="#et">Wien am 28. Mai.</hi></dateline><lb/><p>Wie ich dieſen ſah, von dem ich Dir jetzt ſprechen<lb/>
will, da vergaß ich der ganzen Welt, ſchwindet mir<lb/>
doch auch die Welt, wenn mich Erinnerung ergreift, —<lb/>
ja ſie ſchwindet. Mein Horizont fängt zu meinen Fü-<lb/>
ßen an, wölbt ſich um mich, und ich ſtehe im Meer des<lb/>
Lichts, das von <hirendition="#g">Dir</hi> ausgeht, und in aller Stille ſchweb<lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[190/0200]
rechter Zeit in Scheidemünze verwandeln, womit Sie
allein ſich das erwerben können was Ihnen fehlt.“
Dann verſprach er mir auch noch, er wolle mir einen
Otternpelz zuſammenfangen, und ich ſolle über's Jahr
kommen ihn holen. Ach, ich werde nicht wiederkommen
in das liebe Landshut, wo wir uns freuten, wenn's
ſchneite und Nachts der Wind recht geſtürmt hatte, ſo
gut als wenn die Sonne recht herrlich ſchien, wo wir
alle einander ſo gut waren, wo die Studenten Concerte
gaben und in der Kirche hölliſch muſizirten, und es gar
nicht übel nahmen, wenn man ihnen davon lief.
Und nun iſt weiter nichts Merkwürdiges auf der
Reiſe bis Wien vorgefallen, außer daß ich am nächſten
Morgen die Sonne aufgehen ſah, ein Regenbogen drü-
ber und davor ein Pfau, der ſein Rad ſchlug.
Wien am 28. Mai.
Wie ich dieſen ſah, von dem ich Dir jetzt ſprechen
will, da vergaß ich der ganzen Welt, ſchwindet mir
doch auch die Welt, wenn mich Erinnerung ergreift, —
ja ſie ſchwindet. Mein Horizont fängt zu meinen Fü-
ßen an, wölbt ſich um mich, und ich ſtehe im Meer des
Lichts, das von Dir ausgeht, und in aller Stille ſchweb
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Arnim, Bettina von: Goethe's Briefwechsel mit einem Kinde. Bd. 2. Berlin, 1835, S. 190. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/arnimb_goethe02_1835/200>, abgerufen am 23.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.