Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Arnim, Bettina von: Goethe's Briefwechsel mit einem Kinde. Bd. 1. Berlin, 1835.

Bild:
<< vorherige Seite

fer hat mich geweckt) da war's Nacht und recht kalt.
Am andern Tag sind wir wieder hier eingetroffen.

Adieu Fr. Rath, es ist schon so spät in der Nacht,
und ich kann gar nicht schlafen.

Bettine.
An Bettine.


Das kann ich nicht von Dir leiden, daß Du die
Nächte verschreibst und nicht verschläfst, das macht
dich melancholisch und empfindsam, wollt ich drauf ant-
worten, bis mein Brief ankäm', da ist schon wieder an-
der Wetter. Mein Sohn hat gesagt: was einem drückt,
das muß man verarbeiten, und wenn er ein Leid gehabt
hat, da hat er ein Gedicht draus gemacht. -- Ich hab'
Dir gesagt, Du sollst die Geschichte von der Günderode
aufschreiben, und schick' sie nach Weimar, mein Sohn
will es gern haben, der hebt sie auf, dann drückt sie
Dich nicht mehr.

Der Mensch wird begraben in geweihter Erd', so
soll man auch große und seltne Begebenheiten begraben
in einen schönen Sarg der Erinnerung, an den ein je-
der hintreten kann und dessen Andenken feiern. Das

fer hat mich geweckt) da war's Nacht und recht kalt.
Am andern Tag ſind wir wieder hier eingetroffen.

Adieu Fr. Rath, es iſt ſchon ſo ſpät in der Nacht,
und ich kann gar nicht ſchlafen.

Bettine.
An Bettine.


Das kann ich nicht von Dir leiden, daß Du die
Nächte verſchreibſt und nicht verſchläfſt, das macht
dich melancholiſch und empfindſam, wollt ich drauf ant-
worten, bis mein Brief ankäm', da iſt ſchon wieder an-
der Wetter. Mein Sohn hat geſagt: was einem drückt,
das muß man verarbeiten, und wenn er ein Leid gehabt
hat, da hat er ein Gedicht draus gemacht. — Ich hab'
Dir geſagt, Du ſollſt die Geſchichte von der Günderode
aufſchreiben, und ſchick' ſie nach Weimar, mein Sohn
will es gern haben, der hebt ſie auf, dann drückt ſie
Dich nicht mehr.

Der Menſch wird begraben in geweihter Erd', ſo
ſoll man auch große und ſeltne Begebenheiten begraben
in einen ſchönen Sarg der Erinnerung, an den ein je-
der hintreten kann und deſſen Andenken feiern. Das

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0085" n="53"/>
fer hat mich geweckt) da war's Nacht und recht kalt.<lb/>
Am andern Tag &#x017F;ind wir wieder hier eingetroffen.</p><lb/>
          <p>Adieu Fr. Rath, es i&#x017F;t &#x017F;chon &#x017F;o &#x017F;pät in der Nacht,<lb/>
und ich kann gar nicht &#x017F;chlafen.</p><lb/>
          <closer>
            <salute> <hi rendition="#et">Bettine.</hi> </salute>
          </closer>
        </div><lb/>
        <div n="2">
          <opener>
            <salute>An Bettine.</salute><lb/>
            <dateline> <hi rendition="#et">21&#x017F;ten September.</hi> </dateline>
          </opener><lb/>
          <p>Das kann ich nicht von Dir leiden, daß Du die<lb/>
Nächte ver&#x017F;chreib&#x017F;t und nicht ver&#x017F;chläf&#x017F;t, das macht<lb/>
dich melancholi&#x017F;ch und empfind&#x017F;am, wollt ich drauf ant-<lb/>
worten, bis mein Brief ankäm', da i&#x017F;t &#x017F;chon wieder an-<lb/>
der Wetter. Mein Sohn hat ge&#x017F;agt: was einem drückt,<lb/>
das muß man verarbeiten, und wenn er ein Leid gehabt<lb/>
hat, da hat er ein Gedicht draus gemacht. &#x2014; Ich hab'<lb/>
Dir ge&#x017F;agt, Du &#x017F;oll&#x017F;t die Ge&#x017F;chichte von der Günderode<lb/>
auf&#x017F;chreiben, und &#x017F;chick' &#x017F;ie nach Weimar, mein Sohn<lb/>
will es gern haben, der hebt &#x017F;ie auf, dann drückt &#x017F;ie<lb/>
Dich nicht mehr.</p><lb/>
          <p>Der Men&#x017F;ch wird begraben in geweihter Erd', &#x017F;o<lb/>
&#x017F;oll man auch große und &#x017F;eltne Begebenheiten begraben<lb/>
in einen &#x017F;chönen Sarg der Erinnerung, an den ein je-<lb/>
der hintreten kann und de&#x017F;&#x017F;en Andenken feiern. Das<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[53/0085] fer hat mich geweckt) da war's Nacht und recht kalt. Am andern Tag ſind wir wieder hier eingetroffen. Adieu Fr. Rath, es iſt ſchon ſo ſpät in der Nacht, und ich kann gar nicht ſchlafen. Bettine. An Bettine. 21ſten September. Das kann ich nicht von Dir leiden, daß Du die Nächte verſchreibſt und nicht verſchläfſt, das macht dich melancholiſch und empfindſam, wollt ich drauf ant- worten, bis mein Brief ankäm', da iſt ſchon wieder an- der Wetter. Mein Sohn hat geſagt: was einem drückt, das muß man verarbeiten, und wenn er ein Leid gehabt hat, da hat er ein Gedicht draus gemacht. — Ich hab' Dir geſagt, Du ſollſt die Geſchichte von der Günderode aufſchreiben, und ſchick' ſie nach Weimar, mein Sohn will es gern haben, der hebt ſie auf, dann drückt ſie Dich nicht mehr. Der Menſch wird begraben in geweihter Erd', ſo ſoll man auch große und ſeltne Begebenheiten begraben in einen ſchönen Sarg der Erinnerung, an den ein je- der hintreten kann und deſſen Andenken feiern. Das

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/arnimb_goethe01_1835
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/arnimb_goethe01_1835/85
Zitationshilfe: Arnim, Bettina von: Goethe's Briefwechsel mit einem Kinde. Bd. 1. Berlin, 1835, S. 53. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/arnimb_goethe01_1835/85>, abgerufen am 21.11.2024.