Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Arnim, Bettina von: Goethe's Briefwechsel mit einem Kinde. Bd. 1. Berlin, 1835.

Bild:
<< vorherige Seite

im Gedächtniß als ob's gestern passiert wär', jetzt kann
ich Dir die schönsten Geschichten vom Wolfgang erzäh-
len, und ich glaub' Du hast mich angesteckt, ich mein
immer das wär kein rechter Tag an dem ich nichts von
ihm gesprochen hab'.

Deine Freundin Goethe.
Liebe Frau Rath.

Ich war in Köln da hab ich den schönen Krug ge-
kauft, schenk Sie ihn Ihrem Sohn von sich, das wird
Ihr besser Freud' machen, als wenn ich Ihr ihn schenkte.
Ich selbst mag ihm nichts schenken, ich will nur von
ihm nehmen.

Köln ist recht wunderlich, alle Augenblick hört man
eine andre Glocke läuten, das klingt hoch und tief,
dumpf und hell von allen Seiten unter einander. Da
spazieren Franziskaner, Minoritten, Kapuziner, Domi-
nikaner, Benediktiner an einander vorbei, die einen sin-
gen, die andern brummen eine Litaney, und wenn sie
aneinander vorbeikommen, da begrüßen sie sich mit ihren
Fahnen und Heiligthümern und verschwinden in ihren
Klöstern. Im Dom war ich grade bei Sonnenuntergang,

da

im Gedächtniß als ob's geſtern paſſiert wär', jetzt kann
ich Dir die ſchönſten Geſchichten vom Wolfgang erzäh-
len, und ich glaub' Du haſt mich angeſteckt, ich mein
immer das wär kein rechter Tag an dem ich nichts von
ihm geſprochen hab'.

Deine Freundin Goethe.
Liebe Frau Rath.

Ich war in Köln da hab ich den ſchönen Krug ge-
kauft, ſchenk Sie ihn Ihrem Sohn von ſich, das wird
Ihr beſſer Freud' machen, als wenn ich Ihr ihn ſchenkte.
Ich ſelbſt mag ihm nichts ſchenken, ich will nur von
ihm nehmen.

Köln iſt recht wunderlich, alle Augenblick hört man
eine andre Glocke läuten, das klingt hoch und tief,
dumpf und hell von allen Seiten unter einander. Da
ſpazieren Franziskaner, Minoritten, Kapuziner, Domi-
nikaner, Benediktiner an einander vorbei, die einen ſin-
gen, die andern brummen eine Litaney, und wenn ſie
aneinander vorbeikommen, da begrüßen ſie ſich mit ihren
Fahnen und Heiligthümern und verſchwinden in ihren
Klöſtern. Im Dom war ich grade bei Sonnenuntergang,

da
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0080" n="48"/>
im Gedächtniß als ob's ge&#x017F;tern pa&#x017F;&#x017F;iert wär', jetzt kann<lb/>
ich Dir die &#x017F;chön&#x017F;ten Ge&#x017F;chichten vom Wolfgang erzäh-<lb/>
len, und ich glaub' Du ha&#x017F;t mich ange&#x017F;teckt, ich mein<lb/>
immer das wär kein rechter Tag an dem ich nichts von<lb/>
ihm ge&#x017F;prochen hab'.</p><lb/>
          <closer>
            <salute> <hi rendition="#et">Deine Freundin Goethe.</hi> </salute>
          </closer>
        </div><lb/>
        <div n="2">
          <opener>
            <salute>Liebe Frau Rath.</salute>
          </opener><lb/>
          <p>Ich war in Köln da hab ich den &#x017F;chönen Krug ge-<lb/>
kauft, &#x017F;chenk Sie ihn Ihrem Sohn von &#x017F;ich, das wird<lb/>
Ihr be&#x017F;&#x017F;er Freud' machen, als wenn ich Ihr ihn &#x017F;chenkte.<lb/>
Ich &#x017F;elb&#x017F;t mag ihm nichts &#x017F;chenken, ich will nur von<lb/>
ihm nehmen.</p><lb/>
          <p>Köln i&#x017F;t recht wunderlich, alle Augenblick hört man<lb/>
eine andre Glocke läuten, das klingt hoch und tief,<lb/>
dumpf und hell von allen Seiten unter einander. Da<lb/>
&#x017F;pazieren Franziskaner, Minoritten, Kapuziner, Domi-<lb/>
nikaner, Benediktiner an einander vorbei, die einen &#x017F;in-<lb/>
gen, die andern brummen eine Litaney, und wenn &#x017F;ie<lb/>
aneinander vorbeikommen, da begrüßen &#x017F;ie &#x017F;ich mit ihren<lb/>
Fahnen und Heiligthümern und ver&#x017F;chwinden in ihren<lb/>
Klö&#x017F;tern. Im Dom war ich grade bei Sonnenuntergang,<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">da</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[48/0080] im Gedächtniß als ob's geſtern paſſiert wär', jetzt kann ich Dir die ſchönſten Geſchichten vom Wolfgang erzäh- len, und ich glaub' Du haſt mich angeſteckt, ich mein immer das wär kein rechter Tag an dem ich nichts von ihm geſprochen hab'. Deine Freundin Goethe. Liebe Frau Rath. Ich war in Köln da hab ich den ſchönen Krug ge- kauft, ſchenk Sie ihn Ihrem Sohn von ſich, das wird Ihr beſſer Freud' machen, als wenn ich Ihr ihn ſchenkte. Ich ſelbſt mag ihm nichts ſchenken, ich will nur von ihm nehmen. Köln iſt recht wunderlich, alle Augenblick hört man eine andre Glocke läuten, das klingt hoch und tief, dumpf und hell von allen Seiten unter einander. Da ſpazieren Franziskaner, Minoritten, Kapuziner, Domi- nikaner, Benediktiner an einander vorbei, die einen ſin- gen, die andern brummen eine Litaney, und wenn ſie aneinander vorbeikommen, da begrüßen ſie ſich mit ihren Fahnen und Heiligthümern und verſchwinden in ihren Klöſtern. Im Dom war ich grade bei Sonnenuntergang, da

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/arnimb_goethe01_1835
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/arnimb_goethe01_1835/80
Zitationshilfe: Arnim, Bettina von: Goethe's Briefwechsel mit einem Kinde. Bd. 1. Berlin, 1835, S. 48. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/arnimb_goethe01_1835/80>, abgerufen am 21.12.2024.