die den Menschen um Erlösung bäte. Soll vielleicht der Mensch die Natur erlösen? ich muß einmal dar- über nachdenken; schon gar zu oft hab' ich diese Em- pfindung gehabt als ob die Natur mich jammernd weh- müthig um etwas bäte, daß es mir das Herz durch- schnitt nicht zu verstehen was sie verlangte. Ich muß einmal recht lang' dran denken, vielleicht entdeck' ich etwas was über das ganze Erdenleben hinaushebt. Adieu Fr. Rath, und wenn Sie mich nicht versteht, so denk' Sie nur wie Ihr noch immer in Ihren jetzigen Tagen ein Posthorn das Sie in der Ferne hört, einen wunderlichen Eindruck macht, ungefähr so ist mir's auch heute.
Bettine.
An Bettine.
Frankfurt am 28. Juli.
Gestern war Feuer am hellen Tag' hier auf der Hauptwach', grad' mir gegenüber, es brannte wie ein Blumenstrauß aus dem Gaubloch an der Kathrinen- pfort'. Da war mein best Plaisir die Gassenbuben mit ihrem Reffs auf dem Buckel, die wollten alle retten helfen, der Hausbesitzer wollt' nichts retten lassen, denn
die den Menſchen um Erlöſung bäte. Soll vielleicht der Menſch die Natur erlöſen? ich muß einmal dar- über nachdenken; ſchon gar zu oft hab' ich dieſe Em- pfindung gehabt als ob die Natur mich jammernd weh- müthig um etwas bäte, daß es mir das Herz durch- ſchnitt nicht zu verſtehen was ſie verlangte. Ich muß einmal recht lang' dran denken, vielleicht entdeck' ich etwas was über das ganze Erdenleben hinaushebt. Adieu Fr. Rath, und wenn Sie mich nicht verſteht, ſo denk' Sie nur wie Ihr noch immer in Ihren jetzigen Tagen ein Poſthorn das Sie in der Ferne hört, einen wunderlichen Eindruck macht, ungefähr ſo iſt mir's auch heute.
Bettine.
An Bettine.
Frankfurt am 28. Juli.
Geſtern war Feuer am hellen Tag' hier auf der Hauptwach', grad' mir gegenüber, es brannte wie ein Blumenſtrauß aus dem Gaubloch an der Kathrinen- pfort'. Da war mein beſt Plaiſir die Gaſſenbuben mit ihrem Reffs auf dem Buckel, die wollten alle retten helfen, der Hausbeſitzer wollt' nichts retten laſſen, denn
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0071"n="39"/>
die den Menſchen um Erlöſung bäte. Soll vielleicht<lb/>
der Menſch die Natur erlöſen? ich muß einmal dar-<lb/>
über nachdenken; ſchon gar zu oft hab' ich dieſe Em-<lb/>
pfindung gehabt als ob die Natur mich jammernd weh-<lb/>
müthig um etwas bäte, daß es mir das Herz durch-<lb/>ſchnitt nicht zu verſtehen was ſie verlangte. Ich muß<lb/>
einmal recht lang' dran denken, vielleicht entdeck' ich<lb/>
etwas was über das ganze Erdenleben hinaushebt.<lb/>
Adieu Fr. Rath, und wenn Sie mich nicht verſteht, ſo<lb/>
denk' Sie nur wie Ihr noch immer in Ihren jetzigen<lb/>
Tagen ein Poſthorn das Sie in der Ferne hört, einen<lb/>
wunderlichen Eindruck macht, ungefähr ſo iſt mir's<lb/>
auch heute.</p><lb/><closer><salute><hirendition="#et">Bettine.</hi></salute></closer></div><lb/><divn="2"><opener><salute>An Bettine.</salute><lb/><dateline><hirendition="#et">Frankfurt am 28. Juli.</hi></dateline></opener><lb/><p>Geſtern war Feuer am hellen Tag' hier auf der<lb/>
Hauptwach', grad' mir gegenüber, es brannte wie ein<lb/>
Blumenſtrauß aus dem Gaubloch an der Kathrinen-<lb/>
pfort'. Da war mein beſt Plaiſir die Gaſſenbuben mit<lb/>
ihrem Reffs auf dem Buckel, die wollten alle retten<lb/>
helfen, der Hausbeſitzer wollt' nichts retten laſſen, denn<lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[39/0071]
die den Menſchen um Erlöſung bäte. Soll vielleicht
der Menſch die Natur erlöſen? ich muß einmal dar-
über nachdenken; ſchon gar zu oft hab' ich dieſe Em-
pfindung gehabt als ob die Natur mich jammernd weh-
müthig um etwas bäte, daß es mir das Herz durch-
ſchnitt nicht zu verſtehen was ſie verlangte. Ich muß
einmal recht lang' dran denken, vielleicht entdeck' ich
etwas was über das ganze Erdenleben hinaushebt.
Adieu Fr. Rath, und wenn Sie mich nicht verſteht, ſo
denk' Sie nur wie Ihr noch immer in Ihren jetzigen
Tagen ein Poſthorn das Sie in der Ferne hört, einen
wunderlichen Eindruck macht, ungefähr ſo iſt mir's
auch heute.
Bettine.
An Bettine.
Frankfurt am 28. Juli.
Geſtern war Feuer am hellen Tag' hier auf der
Hauptwach', grad' mir gegenüber, es brannte wie ein
Blumenſtrauß aus dem Gaubloch an der Kathrinen-
pfort'. Da war mein beſt Plaiſir die Gaſſenbuben mit
ihrem Reffs auf dem Buckel, die wollten alle retten
helfen, der Hausbeſitzer wollt' nichts retten laſſen, denn
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Arnim, Bettina von: Goethe's Briefwechsel mit einem Kinde. Bd. 1. Berlin, 1835, S. 39. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/arnimb_goethe01_1835/71>, abgerufen am 21.12.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.