Fr. Rath! -- Ich kenne die Prinzen und Prin- zessinnen nur aus der Zauberwelt der Feenmärchen, und aus Ihren Beschreibungen, und die geben einan- der nichts nach; dort sind zwar die schönsten Prinzes- sinnen in Katzen verwandelt, und gewöhnlich werden sie durch einen Schneider erlöst und geheirathet. Das überleg' Sie doch auch, wenn Sie wieder ein Mährchen erfindet, und geb' Sie diesem Umstand eine moralische Erläuterung.
Bettine.
(Die Antwort fehlt.)
Ich habe freilich einen Brief vom Wolfgang hier im Rheingau erhalten, er schreibt: Halte meine Mut- ter warm und behalte mich lieb. Diese lieben Zeilen sind in mich eingedrungen wie ein erster Frühlings- regen; ich bin sehr vergnügt, daß er verlangt, ich soll ihn lieb behalten; ich weiß es wohl, daß er die ganze Welt umfaßt; ich weiß, daß ihn die Menschen sehen wollen, und sprechen, daß ganz Deutschland sagt: unser Goethe. Ich aber kann Ihr sagen, daß mir bis heute die allgemeine Begeistrung für seine Größe, für seinen Namen noch nicht aufgegangen ist. Meine Liebe zu ihm beschränkt sich auf das Stübchen mit weißen Wän-
Fr. Rath! — Ich kenne die Prinzen und Prin- zeſſinnen nur aus der Zauberwelt der Feenmärchen, und aus Ihren Beſchreibungen, und die geben einan- der nichts nach; dort ſind zwar die ſchönſten Prinzeſ- ſinnen in Katzen verwandelt, und gewöhnlich werden ſie durch einen Schneider erlöſt und geheirathet. Das überleg' Sie doch auch, wenn Sie wieder ein Mährchen erfindet, und geb' Sie dieſem Umſtand eine moraliſche Erläuterung.
Bettine.
(Die Antwort fehlt.)
Ich habe freilich einen Brief vom Wolfgang hier im Rheingau erhalten, er ſchreibt: Halte meine Mut- ter warm und behalte mich lieb. Dieſe lieben Zeilen ſind in mich eingedrungen wie ein erſter Frühlings- regen; ich bin ſehr vergnügt, daß er verlangt, ich ſoll ihn lieb behalten; ich weiß es wohl, daß er die ganze Welt umfaßt; ich weiß, daß ihn die Menſchen ſehen wollen, und ſprechen, daß ganz Deutſchland ſagt: unſer Goethe. Ich aber kann Ihr ſagen, daß mir bis heute die allgemeine Begeiſtrung für ſeine Größe, für ſeinen Namen noch nicht aufgegangen iſt. Meine Liebe zu ihm beſchränkt ſich auf das Stübchen mit weißen Wän-
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><pbfacs="#f0055"n="23"/><p>Fr. Rath! — Ich kenne die Prinzen und Prin-<lb/>
zeſſinnen nur aus der Zauberwelt der Feenmärchen,<lb/>
und aus Ihren Beſchreibungen, und die geben einan-<lb/>
der nichts nach; dort ſind zwar die ſchönſten Prinzeſ-<lb/>ſinnen in Katzen verwandelt, und gewöhnlich werden<lb/>ſie durch einen Schneider erlöſt und geheirathet. Das<lb/>
überleg' Sie doch auch, wenn Sie wieder ein Mährchen<lb/>
erfindet, und geb' Sie dieſem Umſtand eine moraliſche<lb/>
Erläuterung.</p><lb/><closer><salute><hirendition="#et">Bettine.</hi></salute></closer></div><lb/><divn="2"><p><hirendition="#c">(Die Antwort fehlt.)</hi></p></div><lb/><divn="2"><p>Ich habe freilich einen Brief vom Wolfgang hier<lb/>
im Rheingau erhalten, er ſchreibt: Halte meine Mut-<lb/>
ter warm und behalte mich lieb. Dieſe lieben Zeilen<lb/>ſind in mich eingedrungen wie ein erſter Frühlings-<lb/>
regen; ich bin ſehr vergnügt, daß er verlangt, ich ſoll<lb/>
ihn lieb behalten; ich weiß es wohl, daß er die ganze<lb/>
Welt umfaßt; ich weiß, daß ihn die Menſchen ſehen<lb/>
wollen, und ſprechen, daß ganz Deutſchland ſagt: <hirendition="#g">unſer<lb/>
Goethe</hi>. Ich aber kann Ihr ſagen, daß mir bis heute<lb/>
die allgemeine Begeiſtrung für ſeine Größe, für ſeinen<lb/>
Namen noch nicht aufgegangen iſt. Meine Liebe zu<lb/>
ihm beſchränkt ſich auf das Stübchen mit weißen Wän-<lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[23/0055]
Fr. Rath! — Ich kenne die Prinzen und Prin-
zeſſinnen nur aus der Zauberwelt der Feenmärchen,
und aus Ihren Beſchreibungen, und die geben einan-
der nichts nach; dort ſind zwar die ſchönſten Prinzeſ-
ſinnen in Katzen verwandelt, und gewöhnlich werden
ſie durch einen Schneider erlöſt und geheirathet. Das
überleg' Sie doch auch, wenn Sie wieder ein Mährchen
erfindet, und geb' Sie dieſem Umſtand eine moraliſche
Erläuterung.
Bettine.
(Die Antwort fehlt.)
Ich habe freilich einen Brief vom Wolfgang hier
im Rheingau erhalten, er ſchreibt: Halte meine Mut-
ter warm und behalte mich lieb. Dieſe lieben Zeilen
ſind in mich eingedrungen wie ein erſter Frühlings-
regen; ich bin ſehr vergnügt, daß er verlangt, ich ſoll
ihn lieb behalten; ich weiß es wohl, daß er die ganze
Welt umfaßt; ich weiß, daß ihn die Menſchen ſehen
wollen, und ſprechen, daß ganz Deutſchland ſagt: unſer
Goethe. Ich aber kann Ihr ſagen, daß mir bis heute
die allgemeine Begeiſtrung für ſeine Größe, für ſeinen
Namen noch nicht aufgegangen iſt. Meine Liebe zu
ihm beſchränkt ſich auf das Stübchen mit weißen Wän-
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Arnim, Bettina von: Goethe's Briefwechsel mit einem Kinde. Bd. 1. Berlin, 1835, S. 23. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/arnimb_goethe01_1835/55>, abgerufen am 21.12.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.